Giora Feidman

Eine Bekannte von mir hat letzte Woche zu mir gesagt, dass ich so oder so fast jede Musik mag. Und ja, dass stimmt schon so, aber ich lerne auch momentan laufend neue Musik oder alte kennen.

Diesmal ging es in Richtung Klezmer und wer kann dies besser als Giora Feidman, der König des Klezmers. Gesagt getan, Heike eingepackt und in die Thomas Morus Kirche in Gießen gefahren. Dort angekommen, war schon ein „kleiner“ Menschenauflauf am Eingang, denn alle wollten in die Kirche. Es war schon da zu merken, dass dies ein toller Abend wird. Es wurde gelacht, Rollstuhlfahrer mit Begleitung einfach mal vorgelassen, obwohl diese eigentlich noch warten wollten. Keiner hat auch nur gemurrt, obwohl die Schlange schon lang war. Es war einfach selbstredend. Man kam auch schnell mit der Person neben einem ins Gespräch als man in den Bänken saß und es war sofort eine rund herum angenehme Stimmung. Ich sende hiermit noch mal einen Gruß an die Kulturscheune Herborn.

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Nach einer kurzen Ansprache von dem Tourleiter von MACC Management hörte man leise eine Klarinette, die Shalom Chaverim spielte. Ich habe erstmal gesucht, wo es herkommt und da lief langsam und bedächtig Giora Feidman mit seinem Instrument den Mittelgang entlang. Er spielte dieses Lied ganz zart und leise, aber mit einer Eindringlichkeit, wie ich es noch nie erlebt habe. Ich bekomme noch immer eine Gänsehaut, auch wenn schon einige Stunden rum sind, in einer Intensität, wie ich es sonst selten erlebe. Dass das komplette Publikum angefangen hatte mitzusingen, war ein wow Moment. Es war sofort zu spüren, dieser Mann kann es einfach.

Bei seiner Moderation, war ich mir nicht sicher, ob es an den Lautsprechern und meiner Sitzposition lag, oder an seiner Aussprache, dem Gemisch aus Deutsch, Englisch und ein wenig Jiddisch, wahrscheinlich war es eine Mischung aus allem. Aber das was er sagen will, kommt immer wieder an und zwar, dass wir uns mit Liebe und Achtung begegnen sollen und eine Revolution of Love benötigen. So ist auch der Titel der aktuellen Tour. Auch wenn man vielleicht nicht alles versteht, dass was er sagt, so versteht man ihn sobald er seine Klarinette ansetzt und spielt. Sein Instrument erfüllt in dem Moment die komplette Kirche mit Musik und man kann einfach nur noch lauschen und staunen. Es ist vollkommen egal, was es für ein Stück ist, ein neues oder traditionelles, man spürt diese Verbundenheit mit dem Instrument, man sieht aber auch deutlich, dass er dem Pianisten Vytis Sakuras große Wertschätzung entgegenbringt, die gegenseitig erscheint. Giora Feidman zeigt dem Publikum immer wieder an, wenn Vytis Sakuras noch ein wenig spielt, damit sie noch warten und es genießen sollen und erst den letzten Ton verklingen lassen sollen, bevor der verdiente Applaus erklingt. Es sind solche Kleinigkeiten, die die Wertschätzung dem anderen gegenüber zeigen. Auch die Art wie Vytis Sakuras zu Giora Feidman rüber sieht, zeigt die Wertschätzung des anderen. Es ist eine Wärme und Liebe zwischen den beiden, wie man sie nicht immer sieht und erlebt.

Natürlich waren da auch diese Highlights wie The Entertainer von Scott Joplin, Hallelujah von Leonard Cohen, Yossel Yossel, Sholem Alekhem, Rov Feidman, um nur ein paar zu nennen. Wenn man hinter Giora Feidman saß, hatte den Eindruck seine Füße würden nun zu gerne eine Runde tanzen und dabei würde er gerne wie ein junger Mann seine Klarinette spielen und wie wild tanzen. Und nein, dies ist kein Gefühl, man konnte es sehen. Er konnte seine Füße bei gewissen Liedern einfach nicht ruhighalten. Da ist dieses Feuer in ihm, welches man in jeder Sekunde spürt, wenn er sein Instrument in der Hand hält. Ich weiß nicht mehr, wie dieses Stück hieß, als er die Bassklarinette spielte, aber dieser Klang war einfach phantastisch. Wenn Giora Feidman seine Klarinette spielt, verliebt man sich in dieses Instrument und wenn er die Bassklarinette spielt, kam ich mir vor, als würde ich auf einer Wolke schweben.

Das Stück was mich am meisten mitgenommen hat war Silent Heros. Es ist ein Lied über die stillen Helden, die Menschen vor den Nazis geschützt haben. Ich hatte das Gefühl, dass es ihm besonders wichtig war, dieses Lied zu spielen. Es ist ein Lied mit so viel Gefühl, Wärme und auch ein wenig Trauer, dass man es erleben muss, wie er es mit Vytis Sakuras auf der Bühne zelebriert. Man muss es einfach erleben. Er zeigt immer wieder mit seinen Liedern und dem was er sagt, wie wichtig es ist, einander mit Liebe zu begegnen, wie ich es selten erlebt habe. Bei diesem Lied zeigt er, dass selbst wenn es noch so eine dunkle Zeit ist, es immer wieder Liebe und Licht gibt.

Dass es Standing Ovations gab, ist wohl klar. Also spielte er Donna Donna. Es entstand 1940 und handelt von einem Kälbchen, welches zur Schlachtbank transportiert wird, was wohl auf den Transport von Menschen zum Konzentrationslager anspielt. Joan Baez und Donovan verhalfen dem Lied in den 1960er Jahren zu großer Popularität Wie Giora Feidman mit dem Publikum spielt, es dirigiert und wie man ihm seine Freude ansieht, kann man einfach nicht beschreiben. Man muss es sehen und erleben.

Es ist auch immer wieder besonders, wie er sich verändert, wenn er seine Klarinette in der Hand hat. Ohne sein Instrument würde ich fast sagen hat er Probleme mit dem Stehen. Sobald er das Instrument in der Hand hat und erst recht beim Spielen, kann er sich viel besser bewegen. Man spürt seine Sicherheit und seine Freude am Leben. Die Klarinette scheint sein Lebenselixier zu sein.

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Dieser Mann erfüllt beim Musizieren eine ganze Kirche mit seiner Energie, seiner Wärme und seiner Liebe, dass man es kaum fassen kann. Es ist als ob dieses Instrument eine Verbindung zu seinem Herzen und seiner Seele ist, als würde man das Innere in ihm spüren und hören. Es ist etwas Besonderes an ihm. Er spannt mit seiner Musik eine Brücke zwischen den Völkern und Religionen, wenn man ihm die Chance gibt. Ich würde sagen, lassen sie ihn einfach in ihr Herz. Er füllt es mit positiver Energie und ich bin dankbar ihn erleben zu dürfen zusammen mit vielen Menschen, die diesen Abend sicherlich so schnell nicht vergessen werden und sich ein wenig beschwingter und jünger fühlen werden.

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