Neometropilis

Wer meinem Blog folgt weiß, dass ich Dystopien eher seltener lese, nicht, weil sie mir nicht gefallen würden, nein, einige meiner liebsten Bücher sind Dystopien, wie z.B. 1984, Pantopia, Otherland oder auch NOW – du bestimmst wer überlebt, sondern weil ich sie eher selten angeboten bekomme. Und nun bewege ich mich ins Theater, um Neometropolis zu sehen.

Wir betreten also die Stadt Neometropolis. Dort lernen wir den elfjährigen Earnest, gespielt von Nils Eric Müller, kennen. Er kann sogar das Wetter kontrollieren, aber nur, wenn es für die Allgemeinheit und nicht wegen persönlichen Befindlichkeiten ist.

Sein Vater ist Mono, der Erfinder von Neometropolis, oder sollte ich eher sagen der Erbauer oder Techniker? Er ist zumindest der wichtigste Mann in Metropolis, da er dafür zuständig ist das die Technik funktioniert, mit der das Ganze betrieben wird, denn Neometropolis ist eine Smart-City. Jeder Mensch in der Stadt bekommt direkt nach der Geburt ein Interface implantiert und kann damit dann alles in dieser Stadt nutzen.

Die Stadt liegt auch direkt neben einem Wald, den man aber nicht betreten darf, da man sich dort eine Tödliche Krankheit einfangen kann. Aus diesem Gebiet stammt Ash, gespielt von Zelal Kapçık. Sie hasst die Menschen und kommt dennoch aus der Natur irgendwie in die Stadt.

Moss ist der Bürgermeister und der „erste“ Mann in der Stadt. Er wiederum hasst den Wald und glaubt daran, dass alles kontrollierbar, jeder steuerbar, und dass die Technik perfekt ist. Er wird gespielt von Levent Kelleli.

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Nuwa ist ein Wesen, welches verschiedene Gestalten annehmen kann und im Wald lebt. Es erscheint Earnest, in Gestalt seiner verstorbene Mutter, wobei Nuwa sofort klarstellt, dass sie eben nicht seine Mutter ist, aber ihre Gedanken und Gefühle wiedergeben kann. Dazu gibt es noch die Big Sea, ein Wesen, welches aussieht wie ein Pinguin, aber keiner ist und einer Tierart angehört, welche schon lange ausgestorben ist. Natürlich ist auch dessen Heimat der Wald. Diese beiden Figuren werden von Anne-Elise Minetti gespielt. Big Sea weist immer wieder darauf hin, dass es kein Pinguin ist, was schon erheiternd war.

Mahak ist das führende Wesen im Wald. Es kann ausgestorbene Lebewesen durch eine DNA Datenbank wieder zum Leben erwecken, weswegen sich solche Lebewesen wie Big Sea auch wieder auf der Welt ansiedeln. Gespielt wird Mahak von Pascal Thomas. Dieser spielt auch den Mayor Tom, eine Figur, die im Computer erschaffen wurde und so etwas wie der Polizeichef dieser Stadt ist.

Das klingt alles so nach Utopie, da es ja positiv ist. Was sich in dieser Stadt abspielt, ist eher negativ. Es gibt wie immer auch Menschen, denen es nicht so gut geht. Sie gehen auf die Straße und wollen diesen Chip nicht implantiert haben. Es gibt vor der Stadt einen Sandsturm, der durch einen Schutzschild abgehalten wird. Der Computer steuert alles. Man darf noch nicht mal wirklich entscheiden, was man essen oder trinken möchte, da das Implantat ja sofort messen kann, wie man sich ernährt oder fühlt. Ich weiß auch nicht, ob es so lebenswert ist, wenn man sich nicht mehr außerhalb der Stadt bewegen darf, also, wenn man nicht mehr in die freie Natur gehen kann, man keinen Wald erleben und spüren kann. Es hat einfach etwas Besonderes raus zu gehen.

Sowohl für die Menschen, die in den privilegierten, sowie in den nicht-privilegierten Zonen leben, ist alles vorausgeplant und vom Computer gesteuert. Was ist mit den Menschen, auf deren Schultern dieser ganze Wohlstand entsteht? Wie ist es wenn nur eine Handvoll Menschen alles beherrschen?

All dies sind Fragen, die ich mir während des Stückes gestellt habe, die mich immer wieder bewegt haben. Ja, man kann an verschiedenen Stellen auch Lachen, aber es bleiben immer wieder auch Momente zum Nachdenken. Auf der Bühne wird auch teilweise weniger gesprochen als sonst. Dennoch sind Emotionen auf der Bühne spürbar, was vor allem an der Musik von Lyhre liegt.

Wer mich kennt, weiß, ich bin ein Musiknerd und immer auf der Suche nach neuer Musik. Diese begeistert mich völlig. Teilweise war es mit ihrer Musik wie in einem Café del Mar Hintergrund, der einen total beruhigt, in dem man einfach versinken kann. Aber auf der anderen Seite war es aufwühlend, mit einer Stimme und einem Gesang, welchen ich mir bei einer Alternativ Rockband oder im Gothicbereich vorstellen kann. So etwas Düsteres aber trotzdem melodisches. Sie steht im hinteren Teil der Bühne aber trotzdem im Mittelpunkt und hantiert mit ihrem Laptop, genauso wie mit Klavier, Gitarre und mit dem Mischpult. Ich ziehe einfach meinen Hut vor dieser Musikerin. Wer so etwas live performen kann, der hat es einfach drauf. Für Menschen, die so etwas noch nie gemacht haben, mag dies einfach erscheinen, aber wer sich einmal daran versucht hat, weiß wie schwierig es ist, immer wieder auf den Punkt genau zu arbeiten. Es ist eine Sache ein DJ Set zu erstellen, welches immer wieder weiterläuft mit seinen Übergängen und seinen Wechseln, aber eine andere, unterschiedlich lange Passagen mit verschiedenen Instrumenten wie Gitarre oder Klavier zu integrieren, und dazu nebenbei noch Beats zu bearbeiten, und dann auch immer wieder den richtigen Einsatz zu finden. Da kommt es nicht nur auf eine Sekunde an, sondern man muss das komplette Stück verinnerlicht haben. Es ist auch ein laufendes Training, wie wenn man ein Instrument lernt. Es ist wie bei der Filmmusik, wenn diese nicht stimmt und sich kurz verschiebt, kann sich die ganze Stimmung verändern, oder es wird komplett unstimmig. So etwas komplexes performt sie live auf der Bühne! Alleine dies ist in meinen Augen und Ohren schon der Eintritt wert. Sie unterstützt zu jeder Zeit die Schauspieler auf der Bühne mit ihrer Musik und man erlebt das Atmen der Stadt oder des Waldes.

Ganz kurz war da dieses Verlangen bei mir, wieder die Turntables rauszuholen, oder eher von einem DJ Kollegen zurück zu holen, und es mal wieder zu tun. Es war so ein kurzer heftiger Phantomschmerz. Auch wenn ich nie in der Liga wie Lyhre gearbeitet habe, war ich nicht ganz so schlecht und vor allem mit Herz und Seele dabei.

Aber irgendwie war da noch etwas Anderes. Ich war mir sicher, dass ich auch Songs mit dieser Stimme habe. Also zu Hause erstmal den PC hochgefahren und nach Lyhre gesucht und was soll ich sagen? Tatsächlich habe ich verschiedene Titel auf meiner Festplatte! Den Titel „Sad Cyborg“ zum Beispiel finde ich sehr gut hörbar. Googelt es mal, und schaut euch dann Neometropolis im Stadttheater Gießen an.

Jetzt habe ich mich aber sehr lange über Lyhre ausgelassen, was halt auch mit meiner Vergangenheit zusammenhängt. Das Stück im Allgemeinen ist ein must see für Menschen die Utopien oder Dystopien mögen. Es ist spannend, wie es aus geht. Es lebt von vielen verschiedenen Facetten, die einen nachdenklich stimmen. Da sind die Video-Hintergründe, die einen immer wieder in andere Orte neben der Musik transportieren. Da sind Schauspieler, die sich irgendwie immer besser finden. Es gibt natürlich auch Schauspieler, die ein wenig herausstechen, aber das Miteinander wird immer besser. Es ist nicht alles perfekt und man kann vielleicht noch das ein oder andere verbessern, aber so langsam wird es immer spannender wieder ins Theater zu gehen.

Wenn ihr also solche Dystopien mögt, wie wäre es mal mit einem Besuch im Stadttheater Gießen? Die Frage, die wir uns so oder so immer mehr stellen sollten ist, wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Welcher Utopie hängen wir nach und gibt es nicht auch da vielleicht den ein oder anderen, der darunter leiden muss? Wie reagiert unsere Natur darauf, die uns umgibt?

Ich hoffe, ihr habt genauso viel Spaß beim Ansehen wie ich ihn hatte, denn für mich war es eine runde Geschichte mit guten Schauspielern, aber auch viel Stoff zum Nachdenken.

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