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[Interview] Sarah Remsky über das Buch: Aufblühen

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Sarah Remsky ist Journalistin und Influencerin. Wir haben nachgefragt, was Zimmerpflanzen mehr können, als dekorativ sein, warum gerade Millennials so aufs Grün in den eigenen vier Wänden stehen und wie uns Pflanzen in Zeiten von Corona helfen können …

Was bedeuten Ihnen Ihre Pflanzen?
Meine Pflanzen sind mein Lebenselixier. Sie gaben mir in der Depression wie auch jetzt, wo es mir so viel besser geht, durch ihre Schönheit und Wachstum Hoffnung, Kraft und Glauben an das Leben; ihre Pflege gab mir Struktur, Sinn und Verantwortung. Oft fühlen sie sich an wie meine Kinder – ich spreche mit ihnen und streichle sie, ich gebe ihnen alles, was sie brauchen und begleite sie durch schwere und großartige Phasen ihres Lebens. Ich wachse an ihnen und mit ihnen.  
Wie sieht es bei Ihnen zu Hause aus?
Die obere Etage unseres Einfamilienhauses, auf der ich wohne, ist ein wahrer Dschungel. Mein Schreibtisch ist umgeben von Pflanzenregalen – inmitten von Pflanzen lässt es sich viel besser arbeiten und konzentrieren. In meinem Badezimmer habe ich einen Wandvorsprung mit verschiedenen Hängepflanzen dekoriert, sodass sie nun wie ein Wasserfall die Wand herunterranken. In meinem Schlafzimmer steht eine mit Pflanzenlampen beleuchtete Vitrine, in der meine Luftfeuchtigkeit liebenden Pflanzen stehen, und ein umfunktionierter Dschungel-Barwagen, der auch im Buch zu sehen ist. Im Wohnzimmer habe ich unter meinem Velux-Fenster inzwischen eine ‚Pflanzenarena‘ hergerichtet, also ein halber Kreis mit unterschiedlich großen Pflanzen auf mehreren Ebenen, die durch Holzkisten, Pflanzenständer und Beistelltische entstehen – dort liege ich in diesen Tagen nur zu gerne: Umgeben von meinen Pflanzen bei offenem Velux-Fenster, durch das die Sonne mittags direkt scheint. Das ist mein eigenes, kleines Paradies.  
Wie ist Ihre große Liebe zu Zimmerpflanzen entstanden?
Im Herbst 2018, als ich langsam aber sicher in eine stressbedingte Depression – ein Burnout, das ich aber ungerne so nenne, weil dieses Wort nur zur Tabuisierung von Depressionen beiträgt – abglitt, bekam ich das große Bedürfnis, etwas Lebendiges in meine einsame Einzimmerwohnung in Berlin zu bringen. Meine Wohnung war zwar voller schöner Dinge, aber die waren genauso tot wie ein immer größerer Teil meines Inneren. Wie viele Millennials war ich auch schon damals viel auf Instagram unterwegs und verliebte mich dort in Monsteras, die unglaublich beliebte Zimmerpflanzen sind, weil sie so dekorative Blätter haben. Wie es das Schicksal wohl gewollt haben muss, lief ich an einem dieser innerlich dunklen Tage an meinem Lieblingsblumenladen an der U-Bahnhaltestelle vorbei, wo ich bislang immer nur Schnittblumen kaufte, und da standen sie: Ein paar schöne, buschig gewachsene Monsteras. So kam ich zu meinem ersten grünen Liebling, der Leben in mein Zuhause brachte. Und wie man so schön sagt: The rest is history.  
Wie erklären Sie sich den aktuellen Hype um das Thema? Es ist ja einiges los dazu bei Instagram…  
Zimmerpflanzen sind ein Trend, der vor allem in meiner Generation, den Millennials, großen Anklang findet, aber nicht nur dort natürlich. Das hängt meiner Meinung nach vor allem mit unserer Sehnsucht nach Sinn zusammen und danach, Verantwortung für etwas Lebendes zu übernehmen, es zu hegen und zu pflegen. Zimmerpflanzen sind vergleichsweise kostengünstig, kommen mit einem geringeren Pflegeaufwand aus und verschönern unser Zuhause, das wir in Zeiten bester Vernetzung seltener und weniger gern verlassen. Ein kleiner Dschungel füllt die eigenen Zimmer, in denen wir so viel Zeit verbringen, mit Leben und die Pflege der Pflanzen ist geradezu therapeutisch. Außerdem leben immer mehr Menschen in Großstädten – häufig ohne viel Kontakt zur Natur. Wo die Mieten ins Unermessliche steigen, sind Balkone Luxus und sowieso Gärten eine Rarität. Stattdessen holen wir uns das Grün nach Hause. Dieser Trend geht dabei außerdem Hand in Hand mit einem immer größeren Umweltbewusstsein und damit einer wachsenden Wertschätzung der Natur, vor allem durch und in der westlichen Welt. Durch Zimmerpflanzen verbinden wir uns wieder mehr und mehr mit der Natur, aus der wir ursprünglich kommen, die uns aber heutzutage oftmals fern und fremd vorkommt.  
Wie helfen Pflanzen in Zeiten von Corona?
In dieser Zeit, in der wir alle sehr viel Zeit Zuhause verbringen, weiß ich meine grünen Lieblinge besonders zu schätzen. Sie lassen meine Verbindung zur Welt und zur Natur trotz Isolation nicht abbrechen. Umgeben von meinen Pflanzen fühle ich mich weniger abgeschnitten von der Außenwelt, denn ich habe mir die Natur schon nach Hause geholt. Außerdem geben sie mir Struktur und Verantwortung: ihre Pflege. Gerade jetzt im Frühling, der den Beginn der Wachstumsperiode markiert, haben Pflanzenliebhaber einiges zu tun – viel Umtopfen steht jetzt an, es wird wieder gedüngt, mehr gegossen, getrimmt und Stecklinge genommen, weil die jetzt am besten anwachsen.   Ich kann jedem, der sich immer schon mal mehr Pflanzen nach Hause holen wollte, aber sich nie dazu durchringen konnte, nur empfehlen, es JETZT zu tun. Immerhin haben viele von uns nun mehr Zeit und können uns mit unseren neuen, grünen Mitbewohnern bekanntmachen. Zudem bin ich davon überzeugt, dass Pflanzen wie mir auch vielen anderen Ruhe und Hoffnung durch ihr Leben und ihr Wachstum geben können – Gefühle, die in diesen Zeiten besonders viel bedeuten.  
Was ist Ihre ganz persönliche Seelenpflanze?
Mit Seelenpflanze meine ich eine Pflanze oder Gattung, die genauso tickt wie man selbst, die man ganz natürlich und ohne große Bemühungen versteht. Meine ersten Seelenpflanzen waren Calatheen, nach denen ich auch meinen Instagram-Account @misscalathea benannt hatte. Sie sind sehr anspruchsvolle Pflanzen – ich nenne sie gerne Diven -, an denen sich viele Zimmerpflanzenliebhaber die Zähne ausbeißen, die bei mir aber schon von Anfang meiner Leidenschaft an und ohne viel Wissen gediehen. Ein Freund meinte einmal zu mir, dass ich genauso „wundervoll, kompliziert und schwer richtig zu erfassen“ sei wie Calatheen und wir deshalb so gut klarkämen. Ich glaube, das kommt der Wahrheit ziemlich nah.  
Meine liebste Calathea ist eine Makoyana – diese würde ich als meine Seelenpflanze bezeichnen. Allerdings gibt es unter meinen über einhundert Pflanzen auch ein paar andere, mit denen ich mich von Anfang an blind verstanden habe, die unter meiner Pflege wachsen und wachsen, mir unglaubliche Freude schenken und dementsprechend auch diese Bezeichnung verdient hätten. Mein Philodendron Gloriosum zum Beispiel oder mein Aglaonema Chocolate (beide sind im Buch zu sehen). Auch sie würde ich eindeutig Seelenpflanzen nennen. Ich glaube, jeder Mensch (auch der mit dem schwärzesten Daumen, ja) hat mindestens eine, aber oftmals viele Seelenpflanzen.  
Was ist die exotischste Pflanze in Ihrer Wohnung?
Das kommt natürlich darauf an, ob man ‚exotisch‘ im Sinne von Rarität oder Aussehen versteht. Beides vereinen wohl einige meiner Anthurien, am ehesten vielleicht die Anthurium Warocqueanum. Sie pflege ich zusammen mit einigen meiner anderen Raritäten in einer Vitrine bei über fünfundachtzig Prozent Luftfeuchtigkeit, damit ich den Ansprüchen dieser anspruchsvollen Schönheit gerecht werde. Als ich zuletzt in den Botanischen Gärten in London war, habe ich dort eine riesengroße Warocqueanum gesehen und bei mir gedacht: ‚Wow, was für ein unglaubliches Glück du hast, so eine und so viele andere wunderschöne Pflanzen dein Eigen nennen zu können.‘  
Was sind die größten Irrtümer und Anfängerfehler in Sachen Zimmerpflanzen?
Auch wenn ich von vielen höre, sie würden dazu neigen, ihre Pflanzen eher zu vergessen, sterben Pflanzen tatsächlich viel häufiger an Überwässerung. Ich rate deshalb Anfängern zum Fingertest: Stecke deinen Finger in die Erde und erst wenn die Erde etwa bis zum Mittelgelenk trocken ist, solltest du die Pflanze wieder gießen. Wenn du eher einer der Vergesslichen bist: Erstell dir einen Handywecker oder Termin für einen Tag in der Woche, um den Fingertest zu machen. Ein anderer großer Anfängerfehler ist Panik. Ob meine Pflanze jetzt wohl stirbt, weil eines ihrer Blätter gelb oder braun geworden und abgefallen ist? Umtopfen, düngen, umstellen – oder am besten alles auf einmal, denn sicher ist sicher. Die bessere Variante ist: Beobachten und abwarten. Nur wenn deine Pflanze wirklich viele Blätter verliert oder andere ungewöhnliche Anzeichen, wie verkrüppelte neue Blätter oder Ähnliches, zeigt, ist es ernst. Wenn du sofort panisch handelst, nimmst du der Pflanze oftmals mehr Kraft als du ihr gibst. Außerdem schätzen viele Anfänger die Lichtbedingungen für Pflanzen falsch ein. Das ist kein Wunder: Es ist für uns Menschen wirklich schwierig, Lichtintensität einzuschätzen, denn unsere Augen sind darauf ausgelegt, so viel wie möglich zu sehen. Pflanzen dagegen empfinden und benutzen Licht ganz anders. Eine gute Regel ist: Wenn du an dem Standort deiner Pflanze den ganzen Tag über ein Buch lesen könntest, ohne zusätzliches Licht einzuschalten, ist es genug Licht für eine genügsame, nicht Licht-liebende Pflanze wie die Schwiegermutterzunge oder Efeutute. Außerdem ist es gut zu wissen, dass sich die Lichtintensität einen Meter vom Fenster entfernt schon nur noch halb so hoch ist wie am Fenster und von dort aus rapide abnimmt.  
Was raten Sie Anfängern? Gibt es ein paar kurze Regeln und vielleicht ein gutes Einsteigermodell, um herbe Rückschläge am Anfang zu vermeiden?
Kenne den Namen deiner Pflanze und informiere dich über die richtige, pflanzenspezifische Pflege (Licht, Gießen, Luftfeuchtigkeit).Mache den Fingertest, bevor du gießt.Beginne mit Pflanzen, die dich wirklich ansprechen, die aber nicht zu teuer oder unersetzbar sind.  
Ich wünschte, ich könnte bessere Nachrichten überbringen, aber: Einige grüne Lieblinge werden sterben. Das liegt aber nicht an mangelndem grünen Daumen, sondern manchmal einfach an Umständen, die gar nicht in unseren Händen liegen. Gerade am Anfang, wenn Pflanzenliebhaber noch nicht so viel Wissen haben, passieren natürlich Pflegefehler, unter denen die Pflänzchen leiden könnten. Aber auch heute noch sterben mir manchmal grüne Lieblinge weg. Das ist Teil des Hobbys.  

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