Moses in Ägypten

[Oper] Starke Stimmen, große Emotionen: „Moses in Ägypten“ im Stadttheater Gießen

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Gioachino Rossini zu Gast im Stadttheater Gießen. Das erste war wieder die Einführung. Genau daran habe ich ja in letzter Zeit oft herumkritisiert. Ich musste ein wenig grinsen, als Herr Förnzler fragte, ob ihn jeder gut hört. Und es war wirklich so, dass man ihn nach ein paar Sekunden richtig gut verstanden hat.

Herr Förnzler machte eine kurze Einführung und dann führte er ein Gespräch mit der Regisseurin Carmen C. Kruse. Das Publikum erfuhr, dass man bei der Vorbereitung auch in Altenheime, Kindergärten und noch einiges mehr gegangen ist, um eine Meinung über den perfekten Staat, oder viel mehr wie es weitergehen soll, abzufragen. Dies und noch einiges mehr, was man sich so gedacht hat, haben einen auf diese Oper neugierig gemacht. Auch während der Pause war die Oper immer anwesend. Genau darauf haben die beiden den Zuschauer hingewiesen. Sie haben nicht nur erläutert, warum Rossini ein Bibelthema für die Oper genommen hat, sondern auch was man sich so dachte und man wurde einfach neugierig gemacht.

Ich wollte danach wissen, wie die Teilung des Meeres umgesetzt wurde. Ich war neugierig auf das Auto auf der Bühne und noch einiges mehr. Ganz ehrlich, was diese beiden bei der Einführung gemacht haben, war das nächste Level bei der Einführung in ein Stück. Endlich habe ich genau das erlebt, was ich in Herrn Förnzler immer gesehen, aber irgendwie vorher nie bekommen habe. Das Zusammenspiel der beiden bei dieser Premiere war perfekt. Sie merken es sicherlich, mich hat das schon richtig abgeholt.

Da war aber auch immer wieder die Stimme in meinem Kopf, wenn die Einführung schon gut war, wie wird dann das Stück? Man kommt also in das Theater und bereits vor dem Stück läuft ein Film ohne Ton. Man sieht Menschen zeichnen, lesen und einiges mehr. In dem Moment als ich die Personen mit einem Buch in der Hand gesehen habe, war ich kurz am überlegen, wo mein nächstes Buch eigentlich liegt.

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    Copyright: Christian Schuller

Auch das war wirklich schön und ich war schon ein wenig gefangen in diesem Film vor dem Stück. Plötzlich ging das Licht aus und vorne lief die Musik und dann konnte man sehen, was hinter dem Film passierte. Es hat mich im ersten Moment ein wenig gestört, dass ich die Menschen dahinter nicht richtig sehen konnte. Aber irgendwann wurde es klar. Als ich überlegte, ob Moses oder der Pharao im Dunkeln sang, da verstand ich dann auch das Wieso und Warum, nämlich die Anspielung auf die biblischen Plagen. Das zieht sich auch so ein bisschen durch das ganze Stück. Es ergibt alles Sinn was vorne auf der Bühne passiert.

Der Pharao wird von Clarke Ruth gesungen. Ich habe mir ja immer wieder eine tragende Rolle für ihn gewünscht. Diesen Wunsch hat man mir heute erfüllt. Clarke Ruth hat die Figur des Pharaos richtig mit Leben gefüllt, ob ich diese nun mag oder nicht spielt da keine Rolle. Seine Stimme war meistens genau auf den Punkt, nur manchmal war sie nicht ganz so präsent. Wobei dies auch an meinem Platz gelegen haben könnte, denn es waren nur marginale Nuancen.

Seine Frau Amaltea ist eine moderne, klardenkende Frau. Sie wird von Julia Araújo gesungen. Ihre Stimme ist ohnehin in meinen Ohren immer wieder ein Genuss. Sie hat einfach etwas Besonderes in sich. Genauso wie sie ihren Figuren immer wieder etwas Spezielles mitgibt.

Komme ich nun zu Moses, der von Stefan Stoll gesungen und gespielt wird. Er hat auch eine Präsenz auf der Bühne, die man lieben muss. Seine Figur wirkt sehr stark auf der Bühne. Man sieht einige Male die Funken zwischen dem Pharao und Moses fliegen, da beide ihre Völker schützen und etwas Besonderes entwickeln wollen, wobei der Pharao eher rückwärts gewandt ist und am liebsten den Status Quo aufrechterhalten möchte.

Mambre, gesungen von dem Tenor Dakai Wie, ist in meinen Augen sehr populistisch unterwegs und steht dem Fortschritt ein wenig im Weg. Er beeinflusst den Pharao und die Ägypter doch sehr, auch wenn er auf der Bühne und gesanglich keine große Rolle hat. Aber das was Dakai Wie macht, macht er einfach gut.

Aronne, gesungen von Randall Bills, und seine Schwester Amenofi, die von Jana Marković gesungen wurden, reihen sich da wirklich richtig gut ein. Sie fallen beide bei einem doch sehr starken Ensemble nicht ab.

Wie fast immer wenn es um Opern geht, dann ist auch eine tragische Liebe mit dabei. Dies hat auch Gioachino Rossini beherzigt. Da ist zum einen Osiride, der Sohn des Pharaos. Er wird gesungen und gespielt von Eric Jongyoung Kim, einem jungen Tenor, der auch eine schöne Stimmfärbung hat. Er hat mich sehr überrascht und ich hätte ihm noch ein wenig mehr zuhören können. Dazu hat er die Emotionen in sein Spiel und vor allem in seine Stimme einfließen lassen. Die große Liebe von Osiride ist die Hebräerin Elcia, die von Annika Gerhards gegeben wird. Unseren Sopranistinnen sind beide einfach hervorragend. Wenn Annika Gerhards wie bei Moses in Ägypten eine tragende Rolle spielt, wünsche ich mir, dass Julia Araújo eine tragende Rolle singt und spielt und genauso umgekehrt. Ich kann mich nicht an den beiden satthören. Ich sehe und höre dieses beiden einfach unwahrscheinlich gerne. In dieser Rolle ist Annika Gerhards einfach nur umwerfend.

Komme ich nun zum Chor. Der Opernchor und der Extrachor sind einfach das I-Tüpfelchen eines nahezu perfekten Abends. Wenn diese Chöre auf der Bühne stehen, haut mich einfach jeder einzelne Sänger aus den Schuhen. Es ist eine Einheit und es wird von Stück zu Stück besser. Ich habe keine Ahnung, wie dies noch weitergehen soll, aber macht einfach weiter. Über das Philharmonische Orchester kann ich auch nur noch Staunen. Sie sind hervorragend und steigern sich doch stets mit jeder neuen Aufführung.

Die Kinderstatisten auf der Bühne machen ihre Sache einfach schön und runden das ganze ab.

Man kann sicher streiten, ob es nicht zu viel des Guten ist, dass das Thema den ganzen Abend von der Einführung bis zum letzten Ton immer wieder mitschwingt. Man kann sagen, man braucht es nicht immer und immer wieder, aber gerade der Auszug aus Ägypten gibt so viel Freiraum. Die Art und Weise, wie momentan im Stadttheater Gießen immer wieder wichtige Themen angefasst werden, macht mir unwahrscheinlich viel Freude.

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    Copyright: Christian Schuller

Wenn man dies aber ausklammert und sich einfach nur auf die Musik, Bühnenbild oder schauspielerische Leistung konzentriert, hat man einen kulturellen Hochgenuss. Zumindest hat dies Frank Thilo Becher während der Pause so zum Besten gegeben. Und wer bin ich, dass ich mich nicht unserem Oberbürgermeister der Stadt Gießen anschließe. In diesem Sinne geht einfach mal in „Moses in Ägypten“ und lasst euch verzaubern. Es ist super, wie man so eine große Oper in unser Stadttheater zaubern kann.

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