[Theater] Gottlos komisch und überraschend relevant: „Generation Arbeit“ in Gießen
„Generation Arbeit – Eine gottlos amtliche Komödie“ im kleinen Haus stand auf dem Programm. Es ist ein Stückauftrag geschrieben von Amina Eisner, welche ich auch als Schauspielerin kenne. Daher war ich sehr skeptisch, ob das passt. Dann noch das Thema Generation Arbeit, das steigerte meine Skepsis.
Die Einführung hat Kerstin Weiß gemacht, eine Gastdramaturgin des Stadttheaters. Sie hat sehr ausführlich über Amina Eisner, aber auch über das Stück gesprochen, über den Grundtenor und die verschiedenen Generationen und wo es in dem Stück auch gewisse Anleihen gegeben hat.
Was mir auffiel war, dass sehr viele Fremdwörter benutzt wurden. Mir macht es nichts aus, aber ich kenne Menschen, die dies abschrecken kann. Dies wäre schade, zumal so eine „gottlos amtliche Komödie“ doch sehr ansprechend sein kann, besonders für Menschen, die Erfahrungen mit dem Amt haben. Diese könnte eine solche Einführung vielleicht etwas abschrecken.
Wie gesagt, ich hatte kein Problem, dem zu folgen, könnte aber Menschen verstehen, die dann vielleicht dem Stück nicht die nötige Chance geben.
Interessant war aber auch, bei welchen Fernsehproduktionen Amina Eisner noch mitarbeitet. Das war mir vorher so nicht bewusst. Es ist wirklich eine richtig tolle Liste und das beruhigte mich doch ein wenig.
Komme ich aber nun zum Stück. Wir gehen also in den Keller und als erstes fiel mir auf, das Publikum war recht jung. Einige waren, soweit ich dies gehört habe seit Jahren nicht mehr im Theater. Da wurde ich doch ein wenig hellhörig. Nicht dass ich was dagegen habe, aber ich wollte nach dem Stück vielleicht ein wenig hinhören, was diese Personen sagen. Ich finde es wichtig, dass man gerade diesen Personen eine Stimme gibt und nicht gerade die, die wöchentlich im Theater sind.
Erstmal wurde der Saal abgedunkelt und aus einer der Türen kamen die Schauspieler im Pulk von vier Personen. Ab dem Moment nahm das Stück wirklich Fahrt auf. Pulk deswegen, da die vier als Gruppe vor einem rauskamen, mit Windgeräuschen und großen Fächern.
Zum einen war es „der Job“, der von Pascal Thomas gespielt wurde, der auch später Kim im Amt gespielt hat. „Das Amt“ war Katja Gaudard die später Gabi gespielt hat und „die Life-Balance“ bzw. Lu, der von Davíd Gaviria gespielt wurde und Last but not least „die Erschöpfung“ bzw. Maxi, die von Zelal Kapçık gegeben wurde.
Der Job führte uns also mal kurz in die Schöpfungsgeschichte ein. Wir fangen also richtig groß an. Also gleich mit dem großen Knall. Alleine diese Erklärung der Schöpfungsgeschichte ist ein Brüller. Was aber an allen vieren liegt. Da ist die Erschöpfung, die völlig erschöpft ist und immer ein Nickerchen machen möchte, die Life-Balance, die endlich ein wenig mehr Zeit für sich haben möchte und immer wieder für einen Lacher gut, das Amt, welches ein wenig tollpatschig daherkommt. Einfach zum Verlieben! Ich kann es nicht anders sagen. Durch das Cape sowie Licht und Mimik, und da Katja Gaudard etwas kleiner erscheint, musste ich als „kleiner“ Herr der Ringe Fan an Gollum denken. Ich kann es noch nicht mal genau benennen wieso und warum, es war einfach so. Manchmal schießen einem solche Assoziationen in den Kopf.
Wir lernen aber auch Gott und Teufel kennen, die von Anne-Elise Minetti bzw. Roman Kurtz als Videoeinspieler eine Wette abschließen. Sie unterhalten sich immer wieder und sorgen für Verwirrung im eigentlichen Amt.
Wir bekommen nun also Einblick in die Woche eines „normalen“ vierer Büros im Arbeitsamt. Maxi ist immer gut gelaunt und möchte das beste Büro sein, mit der höchsten Effizienz. Da ist Lu, der noch etwas jünger ist als Maxi und der halt im Amt arbeitet, aber lieber Influencer sein möchte und das wohl auch ist.
Kim macht liebend gerne Dienst nach Vorschrift und Gabi, welche schon seit langem im Amt arbeitet, hat sämtliche Illusionen verloren und kommt mit der Technik nicht so wirklich zurecht. Wir erleben eine ganze Woche mit den vieren, wie sie mit den Kunden umgehen, wenn sie ans Telefon gehen. Es gibt die logischen Emotionen, dass man auch mal schnell kündigen möchte sowie die Probleme beim Amt, die jeder von uns mal erlebt.
Aber es ist nicht so, dass dies nur beim Arbeitsamt so ist. Dies findet man in ähnlicher Form in jedem Büro in Deutschland oder weltweit. Es wird alles ein wenig überspitzt dargestellt und deswegen ist immer wieder so eine Komik darin, dass man immer wieder lachen könnte und dann Sekunden später denkt man, das kenne ich irgendwie auch so.
Zwischendurch wird gesungen und geklatscht und jeder auf der Bühne hat so seine besonderen Momente. Es ist ein steter Wechsel. Es gibt auch solche kleinen Situationen, wo man ein wenig schmunzeln muss, da Sachen zitiert werden, wie z.B. eine Liedzeile aus dem Song „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ von der Band Schneewittchen aus den 70ern. Dies war auch ein Sponti Spruch aus der 68er-Bewegung.
So gab es einige Momente in diesem Stück und die fast zwei Stunden gingen wirklich sehr schnell herum. Auf einmal war es vorbei. Ich dachte kurz, dass es nur eine Stunde lang war.
Ich hätte jede der Personen auf der Bühne am liebsten Mal kurz gedrückt. Es waren genau die richtigen Schauspieler auf der Bühne. Auch die Regie von Tamó Gvenetadze war gelungen. Es war wirklich auf den Punkt.
Ihr erinnert euch vielleicht, dass ich am Anfang wegen Amina Eisner ein wenig gezweifelt habe. Wenn ich noch mal Amina Eisner als Autorin im Stadttheater lese, bin ich sofort da. Sie hat einen tollen Humor und kann Themen wirklich sehr gut umsetzen. Ich bin mir nicht sicher, ob der Erfolg nur an dem Buch liegt, den Schauspielern, der Technik oder an der Regisseurin, aber ich glaube, es lag an dem kompletten Ensemble des Stücks. Mein Wunsch ist es, dieses Team noch mal in Gießen zu erleben.
Noch etwas zum Abschluss. Ich hatte ja die Menschen erwähnt, die das erste Mal seit langem, oder noch nie vorher, im Theater waren: Sie wollen wiederkommen und ich kann es hundertprozentig verstehen.