Die verlorenen Töchter

LITL649 [Podcast] Vergessen, verdrängt, wiederentdeckt: Die dunkle Historie in „Die verlorenen Töchter“

In dieser Episode beschäftigen wir uns eingehend mit dem Buch „Die verlorenen Töchter“ von Hannelore Hippe, das eine komplexe und emotional aufgeladene Geschichte erzählt. Im Zentrum steht der mysteriöse Fall einer unbekannten weiblichen Leiche, die 1970 in der Nähe von Bergen gefunden wird, sowie die Schicksale der Norwegerin Asse Ewensen und ihrer Tochter Kathrine. Asse wird aufgrund ihrer Beziehung zu einem deutschen Besatzungssoldaten in ein Straflager eingewiesen, während ihr neugeborenes Kind in einem ostdeutschen Waisenhaus aufwächst.

Wir analysieren die verschiedenen Themen, die der Roman anreißt, darunter die gesellschaftlichen Vorurteile, denen Frauen begegnen, die während des Zweiten Weltkriegs mit deutschen Soldaten zusammen waren. Diese Frauen wurden nach dem Krieg stigmatisiert und oft als Aussätzige behandelt – eine Realität, die in der Nachkriegsbevölkerung häufig unbekannt war. Kathrines Reise, um ihrer leiblichen Mutter auf die Spur zu kommen, entblättert nicht nur persönliche Dramen, sondern auch eine farbenfrohe Historie, die von Identitätsverlust und internen politischen Spannungen geprägt ist.

Die Autorin verwebt geschickt Fiktion mit Realität und beleuchtet in ihrem Werk die drängenden Fragen der Herkunft und Identität. Wir diskutieren die Schwierigkeiten, die sie mit der Vielzahl der behandelten Themen hatte, und reflektieren darüber, wie die schnelle Erzählweise an manchen Stellen das Potential der Charaktere und der Handlung einschränkt. Es wird klar, dass die Komplexität der behandelten Themen mehr Raum benötigt hätte, um die Tiefe der Charaktere und ihrer Geschichten angemessen hervorzuheben.

Hippe arbeitet über einen Zeitraum von 18 Jahren an diesem Roman, der ursprünglich als Vorlage für den Film „Zwei Leben“ diente. Diese lange Entwicklungszeit hat der Geschichte sicherlich eine ausgefeilte Struktur und tiefere Einblicke in menschliche Beziehungen und Konflikte verliehen. Unser Fazit beleuchtet, dass trotz der teilweise chaotischen Themenvielfalt, die Autorin es schafft, den Leser emotional zu fesseln und zum Nachdenken anzuregen.

Abschließend reflektieren wir über die beeindruckende Charakterentwicklung der Protagonistinnen Asse und Kathrine und die bleibenden Fragen, die der Roman aufwirft. Die Erzählung endet mit dem Gefühl, dass in dieser Art von Literatur noch tiefere Einblicke und mehr Detailreichtum möglich gewesen wären, während die Neugier nach weiterführenden Informationen und aufklärenden Geschichten in Bezug auf diese dunklen Kapitel der Geschichte definitiv angeregt wird. „Die verlorenen Töchter“ bleibt ein berührendes Werk, das zeigt, wie wenig wir oft über die wirklichen Geschichten hinter den historischen Ereignissen wissen.

Desta und das Labyrinth im Gartenteich

LITL632 [Podcast] Desta und das magische Abenteuer im Gartenteich – Ein Tauchgang in Emmy Abrahamsons Fantasiewelt

In dieser Episode widmen wir uns dem Kinderbuch „Desta und das Labyrinth im Gartenteich“, geschrieben von Emmy Abrahamson. Der Klappentext verspricht eine fantasievolle Geschichte, die stark an „Alice im Wunderland“ erinnert. Im Mittelpunkt steht die kleine Protagonistin Desta, die während eines unvorsichtigen Spiels im Gartenteich landet. Dieses Missgeschick führt dazu, dass sie in eine andere Dimension eintaucht, in der sie nicht nur nass, sondern auch geschrumpft und in einer fantastischen Unterwasserwelt gefangen ist.

Desta muss drei Rätsel lösen, um sich in dieser unbekannten Umgebung zurechtzufinden und schließlich wieder ans sichere Ufer zu gelangen. Dabei begegnet sie verschiedenen Kreaturen und Pflanzen und lernt, sich gegen die Herausforderungen, die die Unterwasserwelt bietet, zu behaupten. Eine zentrale Figur in dieser Geschichte ist Till, der Teichbewohner, der Desta bei ihren Aufgaben tatkräftig unterstützt. Diese Beziehung zwischen den beiden, die sowohl Stärken als auch Schwächen besitzen, zeigt, wie wichtig Freundschaft und Kooperation in schwierigen Situationen sind.

Während meiner persönlichen Auseinandersetzung mit diesem Buch musste ich an meine eigene Kindheit und die Warnungen meiner Familie denken, die mich dazu ermahnten, beim Spielen am Gartenteich vorsichtig zu sein. Desta erlebt auf amüsante und lehrreiche Weise Abenteuer in ihrem Gartenteich und entdeckt viele Facetten der Natur, die für Kinder faszinierend sind. Die Handlung zeigt, dass auch scheinbar harmlose Orte wie ein Teich viele Geheimnisse und Überraschungen bergen können.

Besonders hervorzuheben sind die schön gestalteten Rätsel, die logisch und ansprechend sind, sowie die liebevollen Illustrationen, die das Buch zu einem visuell ansprechenden Erlebnis machen. Obwohl das Buch speziell für Mädchen um die acht Jahre gedacht ist, kann es gleichermaßen Kinder angesprochen, die sich für die Natur und die kleinen Abenteuer, die sie bereithält, interessieren. Es schärft das Bewusstsein für die Umgebung und fördert die Fantasie, indem es die Leser ermutigt, die Schönheiten und Gefahren eines Gartenteichs zu entdecken.

Wem gehört der Islam

LITL624 [Podcast] Islam und Integration: Abdul Adhim Kamouss‘ Weg zur Verständigung

In dieser Episode sprechen wir über das Buch „Wem gehört der Islam?“ von Abdul Adhim Kamouss, einer bedeutenden Stimme im deutschen Islam, die sich von einer radikalisierten Vergangenheit zu einem Aufklärer gewandelt hat. Das Buch ist ein eindringliches Plädoyer gegen das Schwarz-Weiß-Denken und lädt dazu ein, die komplexen Strömungen des Islam und die Herausforderungen einer multikulturellen Gesellschaft zu betrachten. Kamoos, der einst als Popstar der salafistischen Szene galt, präsentiert hier seine Sicht auf den Islam und diskutiert Maßnahmen zur nachhaltigen Bekämpfung von Radikalisierung.

Das erste Kapitel des Buches entführt uns in Kamouss‘ Jugend in Marokko und erläutert die verschiedenen islamischen Strömungen, die die Gemeinschaft prägten. Der Autor vergleicht diese Vielfalt mit den unterschiedlichen Pfadfinderbünden, um die Herausforderungen zu verdeutlichen, die das Verständnis für die Diversität innerhalb des Islams mit sich bringt. Diese Einführung mag für viele überwältigend wirken, ist jedoch essenziell für das spätere Verständnis der komplexen Themen, die Kamouss behandelt. Ein Überblick über die verschiedenen Strömungen ist notwendig, um die Verbindung und die Differenzen innerhalb des Islams richtig einordnen zu können.

Das zweite Kapitel beleuchtet Kamouss‘ Ankunft in Deutschland und die Erfahrungen mit latenten Rassismus, die ihn prägen. Seine Schilderungen über den Umgang der Menschen im öffentlichen Raum, wie beispielsweise beim Busfahren, zeigen eindrücklich die Vorurteile, denen er ausgesetzt war. Diese persönlichen Erlebnisse geben uns Einblick in die Herausforderungen eines Migranten und wie Einflussfaktoren, wie der Umzug nach Berlin und das Studium, seinen Wandel vorantreiben. Kamouss wird im übertragenen Sinne vom „Saulus zum Paulus“ und verdeutlicht, wie dünn die Linie zwischen einem radikalisierten Individuum und aktivem, positivem Engagement ist.

Ein zentraler Punkt des Buches sind die Exkurse, in denen Kamouss auch über andere Figuren spricht, etwa über Deso dog, einen Rapper des IS. Hierbei wird klar, dass Kamouss zu einem Zeitpunkt, als andere ihn radikalisierten, selbst versuchte, als gemäßigter Imam zu agieren und Brücken zu bauen. Die von ihm geforderte Prävention vor Radikalisierung ist ein wiederkehrendes Thema, das nicht nur den Dialog zwischen Islam und Christentum, sondern auch mit dem Judentum umfasst.Kamouss zeigt, dass der Koran nicht gegen andere Religionen spricht und argumentiert für ein respektvolles Zusammenleben der unterschiedlichsten Glaubensgemeinschaften.

Das Buch regt dazu an, den eigenen Glauben zu hinterfragen und ein tieferes Verständnis für den Islam zu entwickeln. Kamouss fordert mehr deutschsprachige Angebote in Moscheen und betont, dass die Dialoginvitation nicht nur an Muslime gerichtet ist, sondern an alle Menschen, unabhängig von deren Religionszugehörigkeit. In einer Zeit, in der Vorurteile und Missverständnisse vorherrschen, bietet Kamouss‘ Werk wichtige Perspektiven, die zum interreligiösen Dialog anregen.

Obwohl die Sprache des Buches anspruchsvoll und manchmal herausfordernd ist, bietet es einen einzigartigen Zugang zu einem Thema, das oft polarisiert. Es ist besonders für diejenigen geeignet, die einen differenzierten Standpunkt eines Imams suchen und einen tieferen Einblick in die Komplexität des Islams erhalten möchten. „Wem gehört der Islam?“ ist mehr als nur ein Sachbuch; es ist ein Aufruf zur Verständigung und eine Einladung, die Schattierungen im Glauben und zwischen den Gemeinschaften zu entdecken.

Ich Hanibal der Floh

LITL623 [Podcast] Mut und Abenteuer: 'Ich, Hannibal, der Floh' von Martin Grzimek – Eine Kinderbuchrezension

In dieser Episode widme ich mich der Kinderbuchrezension zu „Ich, Hannibal, der Floh“, geschrieben von Martin Grzimek. Das Buch erzählt die rührende Geschichte des kleinen Flohs Hannibal, der nach mehr im Leben strebt als nur das alltägliche Arbeiten im Flohzirkus. Von Beginn an spürt man Hannibals Unruhe und den Drang zur Freiheit, während er die bewunderte Attraktion ist und gleichzeitig das Gefühl hat, in einem goldenen Käfig zu leben. Seine mutigen Gedanken und Taten führen ihn schließlich dazu, dem Zauber des Zirkus zu entfliehen und den Schritt in die unbekannte Welt zu wagen.

Im weiteren Verlauf der Geschichte wird deutlich, dass das Leben außerhalb des Zirkus alles andere als einfach ist. Hannibal, nun ein kleiner Schädling in der großen weiten Welt, muss ständig aufpassen, nicht zerquetscht oder erschlagen zu werden. Diese Herausforderungen zeigen nicht nur seine Abenteuerlust, sondern unterstreichen auch die erhebliche Diskrepanz zwischen dem Bild, das er von der Freiheit hat, und der Realität, mit der er konfrontiert wird. Gleichzeitig wird seine Kreativität sichtbar, als er einen kühnen Plan schmiedet, um in seine vertraute Umgebung zurückzukehren.

Ich teile auch meine persönliche Sicht auf das Buch und seine Botschaft. Es ist bemerkenswert, wie Martin Grzimek es schafft, einen kleinen Floh zum Helden einer fesselnden Erzählung zu machen. Es geht darum, dass selbst die Kleinsten unter uns Großes bewirken können. Hannibals Fähigkeit, Kutschen zu ziehen oder kleine Aufgaben zu erledigen, hebt nicht nur seinen Charakter hervor, sondern dient auch als Botschaft für Kinder: Mut und Entschlossenheit sind entscheidend, egal wie klein oder unbedeutend man scheinen mag.

Die Kapitel sind so strukturiert, dass sie perfekt für das Abendlesen geeignet sind. Kinder können ein Kapitel auf einmal genießen, was die Interaktion zwischen Vorlesenden und Zuhörenden fördert. Dies zeigt sich auch in der Qualität der Illustrationen von Hildegard Müller, die nicht nur den Text unterstützen, sondern auch die Phantasie anregen. Die Bilder sind geschmackvoll und helfen, die Geschichte visuell zu bereichern, was besonders für jüngere Leser von Bedeutung ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Ich, Hannibal, der Floh“ ein zauberhaftes Kinderbuch ist, das nicht nur unterhält, sondern auch wichtige Lektionen über Mut, Verantwortung und die Bedeutung von Regeln vermittelt. Das Buch ist für Kinder ab 9 Jahren geeignet und regt sowohl zum Selbstlesen als auch zum Vorlesen an. Es erinnert uns daran, dass auch die Kleinsten in der Lage sind, Herausforderungen zu meistern und ihre Träume zu verfolgen, und dass man oft durch die Augen und Erfahrungen anderer lernen kann. „Ich, Hannibal, der Floh“ ist im dtv-Verlag im Jahr 2018 erschienen und kann nur noch als Restauflage ergattert werden.