Der Drahtzieher

LITL634 [Podcast-Interview] Von Drahtzieherei und inneren Abgründen: Sarah Pines im Gespräch über Der Drahtzieher

Im Interview auf der Frankfurter Buchmesse spricht die Autorin Sarah Pines über ihr neues Buch „Der Drahtzieher“ das im Sauerland spielt. Die Idee für den Roman entwickelte sich durch ihr Leben in den USA, wo sie Heimweh nach ihrer Heimat verspürt. Das Sauerland, bekannt für seine Drahtzieherei, bildet den Hintergrund für die erzählte Geschichte. Pines erklärt, dass die Drahtzieherei im Sauerland eine bewegte Geschichte hat und sogar auf eine Hochkultur zurückblicken kann, was sie inspirierte, eine Figur zu schaffen, die von ihrem Ur-Urgroßvater beeinflusst wurde. Während sie sich mit den verschiedenen Charakteren und deren Beziehungen beschäftigt, hebt sie die Komplexität der Figur der Rauschekleidmutter hervor, deren geheimnisvolle Natur im Verlauf der Geschichte allmählich enthüllt wird.

Theo Hassler, der Protagonist, wird als tyrannische und oberflächliche Figur dargestellt, die stark auf das äußere Erscheinungsbild fixiert ist. Pines wollte mit diesen oberflächlichen Charakteren den Kontrast zu den verborgenen Abgründen und Unsicherheiten der Protagonisten darstellen. Theo zeigt eifersüchtige Züge gegenüber Albert, einem anderen zentralen Charakter, obwohl er selbst moralisch fragwürdig handelt. Diese Doppelmoral des Patriarchen wird als wiederkehrendes Thema im Buch präsentiert. Pines geht auch auf die Figur Alba ein, die aus Südafrika stammt und mit der deutschen Realität ringt.

Die Autorin diskutiert die Relevanz der historischen Elemente in ihrem Werk. Während sie eine Grundlage in realen Projekten aus der Geschichte nutzt, betont sie den fiktionalen Charakter ihres Romans. Das Sauerland wird als nostalgischer Ort beschrieben, der sowohl aktiv als auch ruiniert ist, was eine melancholische Stimmung erzeugt. Pines hat ihre Recherche durch persönliche Erlebnisse und Familienerinnerungen genährt, statt in tiefere historische Archive einzutauchen. Ihre Erzählung vermischt persönliche Nostalgie mit der Geschichte der Drahtzieherei, und sie schafft ein Bild davon, wie sich Gemeinschaften im Wandel der Zeit verändern.

Über die Frauenfiguren im Roman reflektiert Pines, insbesondere über Marthe, die unabhängig und stark ist, im Gegensatz zu Alba, die in ihrer Rolle gefangen wirkt. Diese Dynamik wird durch die Erzählung hindurch sichtbar, da die Charaktere in überlieferten Konventionen gefangen sind und mit ihren persönlichen Wünschen ringend dargestellt werden. Zudem meint sie, dass ihre Schwierigkeiten, die Männerfiguren darzustellen, aus deren historischer Prägung resultieren, da viele von ihnen harte Facetten zeigen und innerlich oft im Konflikt stehen, was zusätzlich zur Komplexität der Erzählung beiträgt.

Abschließend gibt Sarah Pines einen Ausblick auf ihr nächstes Projekt, das in Kalifornien und der Schweiz spielt und sich auf eine weibliche Hauptfigur konzentriert, die in einem Dichterkreis aufwächst. Sie betont, dass sie sich mit jeder neuen Geschichte in neue Perspektiven einarbeiten möchte, was ihr Schreiben sowohl herausfordernd als auch erfüllend macht. Das Interview lässt die Zuhörerschaft mit einem tiefen Eindruck von Pines literarischem Ansatz und den Themen, die sie erforscht, zurück, insbesondere der zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Einfluss von Geschichte und Heimat auf die individuelle Identität.

Dynamit in der Villa Nobel

LITL633 [Podcast-Interview] 'Riviera Express': Stephan R. Meier im Interview über den Krimi, San Remo und das italienische Lebensgefühl

In einem ausführlichen Interview auf der Buchmesse spricht der Interviewer mit Stephan R. Meier über seine neue Buchreihe „Riviera Express“, die in der malerischen Kulisse von San Remo spielt. Meier erzählt, dass die Idee für die Krimireihe in der Pandemie entstanden ist, als er ein Bedürfnis verspürte, den Lesern eine leichtere, unterhaltsame Lektüre zu bieten, die gleichzeitig humorvoll ist. Auf diese Weise wollte er eine entspannende Flucht aus den schlechten Nachrichten der Zeit schaffen. Im Gegensatz zu seinen vorherigen Werken, die eher in das Genre des Thrillers fielen, hat er sich entschieden, klassische Kriminalgeschichten mit regionalem Flair zu erzählen, die immer einen historischen Rückblick beinhalten.

Das erste Buch der Reihe, „Mord in der Villa Nobel“, spielt an einem bemerkenswerten Ort: der Villa Nobel, wo Alfred Nobel lebte und sein Testament verfasste. Meier erklärt, dass die Bekanntheit von Nobel und die Tatsache, dass kaum jemand weiß, dass er in San Remo gelebt hat, eine bewusste Wahl für den Auftakt der Serie war. Im Verlauf des Krimis wird ein Leichenfund präsentiert, der in der Tradition guter Krimis steht und die Geschichte in zwei Richtungen entfaltet. Es gibt sowohl Verbindungen zu historischen Ereignissen als auch zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen, die die Erzählung vertiefen.

Ein weiteres Thema, das das Gespräch bereichert, ist der Ort, an dem die Geschichte spielt. Der Interviewpartner hebt hervor, wie authentisch und lebendig die Kulisse von San Remo und seiner Umgebung beschrieben wird. Meier schildert, dass er für die Figur des Kommissars Thomas Gallo ein altes Fischerdorf als Wohnort gewählt hat, das der Massentourismus bislang nicht erreicht hat. Dies fügt der Geschichte eine besondere, nostalgische Note hinzu und spiegelt das italienische Lebensgefühl wider, das sich in der Reihe manifestiert.

Besonders interessant ist die Figur des Mechanikers, genannt „Benzina“, die durch ihre Lebendigkeit und Individualität besticht. Meier erläutert, dass diese Charaktere mit ihren alltäglichen Problemen und menschlichen Schwächen für die Leser Anknüpfungspunkte schaffen und das italienische Lebensgefühl lebendig machen. Meyer beschreibt die Tradition der italienischen Küche und den kulturellen Umgang mit Essen als ein zentrales Element der Erzählung, wodurch er den Leser gleichsam auf eine kulinarische Entdeckungsreise mitnimmt.

Das Interview wird auch durch die Diskussion um die Recherche, die zu den Geschichten führt, angereichert. Meier beschreibt, wie er durch intensive Internetrecherche und den Zugriff auf Zeitungsarchive tief in Alfred Nobels Geschichte eingetaucht ist. Er geht darauf ein, dass Nobel zwar als Wohltäter mit dem Nobelpreis bekannt ist, jedoch in seiner Zeit auch als „Händler des Todes“ wahrgenommen wurde, was die Komplexität seiner Figur unterstreicht. Die Themen Gewalt und die moralischen Implikationen von Erfindungen, die sowohl für das Gute als auch für das Böse genutzt werden können, bilden einen zusätzlichen Erzählstrang.

Abschließend widmet sich Meier der weiteren Entwicklung seiner Krimireihe und betont, dass insgesamt acht Bände geplant sind, wobei der zweite Band gerade veröffentlicht wurde und weitere bereits in Arbeit sind. Zudem gibt es erste Ansätze für eine Verfilmung der Buchreihe, die die Leidenschaft und die Themen seiner Geschichten auf die Leinwand bringen sollen. Meier schließt mit einem kurzen Ausblick auf seine parallel laufenden Thriller-Projekte, die auch aktuelle gesellschaftliche Themen behandeln und reflektiert über die Herausforderungen und Chancen, die das Schreiben von Thrillern in einer sich ständig verändernden Welt mit sich bringt.

Stolz und Vorurteil

LITL621 [Podcast] Kunst in Bildern: Claudia Kühn über die Umsetzung von 'Stolz und Vorurteil' als Graphic Novel

In diesem Interview spricht Markus Eggert mit Claudia Kühn über ihre Veröffentlichung der Graphic Novel „Stolz und Vorurteil“, die im Löwe Verlag erschienen ist. Die Unterhaltung beginnt mit Kühn, die erklärt, dass sie die Idee, eine Graphic Novel über Jane Austens bekanntesten Roman zu kreieren, schon seit Jahren hatte. Der Löwe Verlag kam auf sie zu und bot die Zusammenarbeit an. Sie hebt hervor, dass die Umsetzung solcher Werke eine erhebliche Herausforderung darstellt, besonders in Bezug auf die Visualisierung und die Arbeit des Illustrators, Terba, die mehr als ein Vielfaches des eigenen Aufwands geleistet hat.

Markus Eggert betont die Bedeutung von Graphic Novels als Einstieg für Leser, die sich vielleicht nicht mit klassischen Romanen beschäftigen. Claudia Kühn stimmt zu und erklärt, dass nicht jeder Klassiker für eine Graphic Novel geeignet ist, aber jene mit visueller und emotionaler Tiefe wie „Stolz und Vorurteil“ ermutigende Möglichkeiten bieten, jüngere Leser anzusprechen. Kühn berichtet, dass die Adaption sowohl eine Herausforderung als auch eine Freude war und dass sie versucht hat, die Essenz des Originals zu bewahren, während sie gleichzeitig die Handlung und die Charaktere reduziert.

Ein zentrales Thema des Interviews ist die Herausforderung der Reduktion und die damit verbundene Notwendigkeit, die Vielzahl der Charaktere, die Austens Roman bietet, zu erfassen und trotz der Einschränkungen der Sprechblasen und Überschriften den Kern der Geschichte zu bewahren. Kühn erläutert, wie sie besondere Bedeutung auf die verschiedenen Figuren der Bennet-Schwestern gelegt hat, um deren Charakterisierungen präzise zu gestalten. Besonders mit Lydia, der jüngsten Schwester, hat sie sich intensiv beschäftigt und versucht, ihre Motivation und Emotionen zu verdeutlichen, indem sie sie als jemand darstellt, der nach ihrem Herzen handelt, obwohl sie oft von der Gesellschaft verurteilt wird.

Markus Eggert und Claudia Kühn reflektieren darüber, wie Klassiker universelle Themen behandeln, die auch in der heutigen Zeit relevant sind. Kühn erklärt, dass bei Austen oft die Suche nach dem richtigen Partner im Mittelpunkt steht, was auch heute noch an Bedeutung hat. Sie betont die anhaltende Relevanz von Austens Themen und wie sie trotz zeitlicher Distanz die Leser ansprechen können.

Im Gespräch ging es auch um die Illustrationen von Tara Spruitt. Claudia Kühn hebt die künstlerische Zusammenarbeit hervor und beschreibt, wie wichtig die visuelle Darstellung für die emotionale Tiefe der Geschichte ist, was sie in ihrer eigenen Recherche und den kreativen Entscheidungen widerspiegelt. Markus Eggert zeigt seine Bewunderung für Spruitts Zeichnungen, die den Charakteren und der Geschichte Leben einhauchen.

Als es um das nächste Projekt von Claudia Kühn, „Emma“, ging, teilte sie ihre anfängliche Schwierigkeit, sich mit der Hauptfigur zu identifizieren, und erläuterte den Lernprozess, den sie durchlief, um die Wandlung der Figur umfassend darzustellen. Dies zeigt, wie tief die Rolle des Autors im Gestaltungsprozess ist und wie wichtig es ist, die Leser auf eine Reise der Charakterentwicklung mitzunehmen.

Abschließend reflektieren Markus Eggert und Claudia Kühn über die Bedeutung des Lesens sowie die Herausforderungen und Freuden, die mit der Adaption eines Klassikers verbunden sind. Kühn schließt mit der Botschaft, dass das Eintauchen in Bücher immer eine lohnenswerte Erfahrung ist, um andere Welten und Perspektiven zu entdecken – ein Appell, der sowohl die Bedeutung von Literatur als auch die Relevanz des Lesens in der heutigen digitalen Welt unterstreicht.

Emotion

LITL610 [Podcast] Im Gespräch von Tagebucheinträgen zu Gedichten: Die kreative Reise von Mirka Holsteinova

Im Interview spricht die Autorin und Künstlerin Mirka Holsteinova über ihre Leidenschaft für das Schreiben und Malen, sowie ihre Motivation, einen Gedichtband mit dem Titel „Emotionen“ zu veröffentlichen. Die Grundlage für ihre Gedichte bildeten Tagebucheinträge, die sie während ihrer langen Krankheit verfasste. Diese Einträge halfen ihr, ihre Gefühle in Reimen auszudrücken und wurden schließlich zu einem Buch, das sie der Welt präsentieren wollte. Holsteinova beschreibt das Schreiben von Gedichten als ein bereinigendes Ventil, das es ihr ermöglicht, ihre Emotionen in Worte zu fassen und auf Papier zu bringen.

Holsteinova ist keine deutsche Muttersprachlerin, dennoch hat sie sich entschieden, ihre Gedichte auf Deutsch zu schreiben. Diese Entscheidung resultiert aus ihrer Liebe zur deutschen Sprache, inspiriert durch große Dichter wie Goethe und Schiller, die sie während ihrer Schulzeit bewunderte. Trotz ihrer sprachlichen Herausforderungen fühlt sie sich von der Sprache angezogen und glaubt, dass jeder, unabhängig von der Herkunft, die Möglichkeit hat, in seiner zweiten Sprache kreativ zu sein.

Neben dem Gedichtband hat Holsteinova zuvor ein Buch mit dem Titel „Life is Art“ veröffentlicht, das eine Liebesgeschichte erzählt. Dieses Buch entstand während der Corona-Zeit, als sie ihre Zeit zu Hause sinnvoll nutzen wollte. Es ist ein Projekt, das ihr viele schlaflose Nächte bereitete, da die Geschichte ständig in ihrem Kopf herumschwirrte. Der Stolz und die Freude über die Verwirklichung beider Werke sind für Holsteinova enorm. Sie sieht in ihren Büchern nicht nur Literatur, sondern auch Teile ihrer eigenen Biografie, die emotionalen Ausdruck ihrer Erfahrungen und Träume.

Die Künstlerin genießt es, in ihren Gedichten sowohl ernste als auch humorvolle Themen zu kombinieren. Sie erzählt von einem Katzengedicht, das entstand, als sie eine Katze aus dem Tierheim adoptierte. Die Leichtigkeit und der Humor in ihren Gedichten sind ihr wichtig, da sie den Lesern helfen sollen, verschiedene Emotionen zu erleben und zu verarbeiten.

Holsteinova ist eine vielseitige Künstlerin, die nicht nur schreibt, sondern auch malt. Die Emotionen sind auch hier das zentrale Element ihrer Kunst. Sie arbeitet mit verschiedenen Techniken, vorrangig mit Acrylfarben, aber auch mit Bleistift und Tusche. Ihre Kunst ist abstrakt und drückt vor allem persönliche Erlebnisse aus. Die Künstlerin betont, dass Perfektion nicht das Ziel der Kunst sein sollte; vielmehr sei es wichtig, sich künstlerisch auszudrücken und die eigene Kreativität zu leben.

Das Cover ihres Gedichtbandes hat sie mithilfe von Canva gestaltet, was ihren Wunsch widerspiegelt, etwas zu schaffen, das ihre romantische Ader und ihre innere Welt zeigt. Das handliche Format des Buches ermöglicht es den Lesern, die Gedichte überall mitzunehmen und spontanen Zugang zu ihren Emotionen zu erhalten. Holsteinova spricht über die Wichtigkeit, dass Kunst nicht perfekt sein muss, um bedeutungsvoll zu sein. Ihr Werk soll anderen Mut machen, kreativ zu sein und eigene Gefühle auszudrücken, unabhängig von Sprachkenntnissen oder anderen Einschränkungen.

Im Verlauf des Gesprächs erkunden Holsteinova und die Interviewerin auch, wie wichtig es ist, ständig neue Wege in der Kunst zu beschreiten und nicht in der eigenen Komfortzone zu verharren. Holsteinova betont, dass jeder Mensch die Freiheit haben sollte, verschiedene kreative Ausdrucksformen zu erkunden und sich selbst zu entdecken. Der Austausch zwischen den beiden zeigt, dass Kunst eine universelle Sprache ist, die nicht nur auf technischer Perfektion basiert, sondern auch tief in der menschlichen Emotion verwurzelt ist.