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[Interview] YORN über das Buch : Gast im Glück

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  1. Ihr Buch trägt den Titel Gast im Glück. Können Sie beschreiben, was Glück für Sie bedeutet?
    YORN: Ein Spaziergang mit meinem Hund in den Hügeln der Provence. Eine Klettertour in den Gorges du Verdon. Ein Espresso mit Freunden im Caffè Greco in Rom. Die Kinderszenen von Robert Schumann. Das Finale aus dem Rosenleafvalier mit Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig
    und Herbert von Karajan. Das alles ist für mich Glück auf Erden.
  1. Wann kam Ihnen die Idee zu diesem Buch?
    YORN: Es ist an der Zeit für mich, danke zu sagen. Danke für alle geschenkten Augenblicke. Danke an Paris. Danke an all die Menschen, die mir geholfen haben, dort zu sein, wo ich heute
    bin: Angekommen. Gast im Glück ist keine Biographie. Kein weiteres Buch über die Mode. Diese erscheint nur schemenhaft wie eine Kulisse im Hintergrund. Es ist keine Selbstverherrlichung eines Couturiers mit seinen Highlights. Es ist vielmehr eine Rückblende ohne Pathos. Erinnerungen an glückliche Szenen aus meinem Leben.
  2. Wann und wo schreiben Sie am liebsten?
    YORN: Meine Gedanken zu diesem Buch habe ich seit langem auf fliegenden Blättern festgehalten. Sie verfolgten mich Tag und Nacht. Überall klebten die gelben Zettel. Ich fühlte mich umgeben von den Meilensteinen meines Lebens. Da ich kein Computerfan bin, habe ich das Buch von Hand geschrieben und hatte dabei selber einen Heidenspaß, die wie Skizzen hingeworfenen Notizen in passende Worte zu fassen. Ein großer Korbsessel unter der Platane in
    meinem Garten in der Provence war der ideale Platz, mich an all die glücklichen Momente zu erinnern. Vielleicht hat dabei auch der Rose dazu beigetragen.
  3. Ihr Freund ]an-Jacques Sempé hat für Gast im Glück exklusive Zeichnungen gefertigt. Wie ist es dazu gekommen?

YORN: Wir sind seit Jahren befreundet. Und als ich Jean-Jacques in der Provence vom Gast im Glück erzählte und ihm daraus einige amüsante Szenen, wie zum Beispiel meine erste Reise nach Paris in Begleitung einer Giraffe, präsentierte, schlug er mir sofort vor, den Gast im Glück zu
illustrieren. Es war für mich wie ein Geschenk des Himmels, denn seine rührenden Zeichnungen sind für mich und den Leser eine Inszenierung meiner Erzählungen. Merci, Jean-Jacques ‚


5. Mode, so schreiben Sie, sei immer auch Ausdruck ihrer Zeit. Wenn Sie zurückblicken, wo liegen für Sie die größten Unterschiede zwischen der heutigen Mode und der Mode Ihrer Anfangszeit in den 5oer und 6oer ]ehren?
YORN: Drei große Revolutionen haben die Modewelt in den letzten sechzig Jahren Grundlegend verändert: Technik, Unisex, Jeans. Die Mode ist stets ein Spiegelbild ihrer Zeit. Dank dem Fortschritt in der Technik ist es der Mode heute möglich, sich unserer chaotischen Zeit anzupassen und trotzdem attraktiv zu bleiben. Dank der Technik trotzt sie mit falschen Pelzen und Kunstleder der vehementen Kritik der Tierschutzvereine. Der übertriebene Körperkult verlangt nach modernen Textilien, die jede Figur
nahtlos, wie eine zweite Haut, umhüllen. Das alles ist heute möglich.
Das Gewissen einer umweltfreundlichen Gesellschaft wird damit beruhigt, dass unter anderem das Recycling gebrauchter Plastikflaschen es ermöglicht, neue Materialien zu erfinden, die sogar in der Pariser Haute Couture als Trendsetter auf dem Laufsteg erscheinen und reißenden Absatz
finden. Überdimensionale Reißverschlüsse, Nägel, Nieten und Sicherheitsnadeln wurden in den Achtzigern unabkömmliche Merkmale einer aggressiven Unisex-Mode. ER umgibt sich gerne mit
einem femininen Touch, während SIE sich im maskulinen Outfit als Powerwoman darstellt. Unisex wurde in. Besonders die Jeansmode hat hierzu einen entscheidenden Beitrag geleistet. Dieses anhaltende Phänomen einer weltweiten Uniformierung in der Mode ist einmalig und war in den sechziger Jahren vollkommen undenkbar. So wie es damals unvorstellbar war, dass heute das Wort ››élégance<< aus dem französischen Wortschatz so gut wie verschwunden ist.

  1. Ganz allgemein: Worin unterscheidet sich die französische von der deutschen Mode?
    YORN: Es ist schwierig, zwei starke Persönlichkeiten miteinander zu vergleichen. Die französische Mode ist Trendsetter der internationalen Mode. Sie ist wagemutig, manchmal respektlos, extravagant, voller Phantasie, kreativ, herausfordernd, sexy, schockierend, geistreich und witzig, hat Charme, aber auch eine gesunde Portion Selbstironie. Sie ist launenhaft und hat
    absolute Starallüren. Stets erwartet man von ihr, aufs Neue überrascht zu werden. Die deutsche Mode erfüllt andere Voraussetzungen. Sie überrascht nicht, ist eher diskret. Auch
    besitzt sie weder die Aura noch die Launen eines Stars. Doch man kann sich auf sie verlassen. Dank ihrer Fähigkeit, sich mit viel Talent allem Neuen anzupassen, ist es ihr gelungen, sich einen
    festen Platz mit eigenem Stil in der Modewelt zu schaffen, ohne jedoch damit, wie ihre französische Schwester, internationale Trends zu diktieren. Diese Rolle bleibt weiterhin der Pariser Mode vorbehalten.
  2. Sie waren gerade einmal 27 ]ehre alt, als Sie Ihr eigenes Haute-Couture-Haus in Paris eröffneten. Ein mutiger Schritt, gerade im Hinblick auf das finanzielle Risiko, das Sie trugen. Würden Sie sich das heute noch einmal trauen? Sollten wir überhaupt mutiger sein?
    YORN: Die Zeiten waren rosig. Das Motto »Alles ist möglich, du musst es nur wollen« half uns damals, Berge zu versetzen. Der Enthusiasmus einer zielstrebigen und wagemutigen Jugend
    wurde kräftig unterstützt, ohne dass, wie heute, sofort eine hohe Rendite erwartet wurde. Draufgängerisch, manchmal vielleicht etwas leichtsinnig, da ich keine »Angst vor dem Morgen«
    kannte, blickte ich in diese rosige Zukunft und wagte den großen Sprung. Ich hatte das Glück, dass gleich mein erster Versuch erfolgreich war. Christian Dior hatte mir den Weg gezeigt. Mein Ziel habe ich alleine gesucht und gefunden.
  3. Neben der Couture spielt auch die cuisine eine wichtige Rolle in Ihrem Leben, dem Buch sind sogar einige Ihrer Lieblingsrezepte beigefügt. Wieso ist Ihnen die Kulinarik so wichtig?

YORN: Nicht die Küche als solche ist mir wichtig, sondern vielmehr meine seit Jahren liebevoll gesammelten Rezepte, die mich an glückliche Momente in meinem Leben erinnern. Sie sind die köstlichen Zeugen meiner Vergangenheit. Denn auch Rezepte sind wie die Mode ein Ausdruck
ihrer Zeit. Nur: ››Die Mode vergeht – doch die Küche besteht.<<
Wie andere Menschen Tagebücher über ihr Leben führen, notiere ich seit Jahren große und kleine, wichtige und unwichtige Begebenheiten anhand von Rezepten. Uralte Leitzordner mit fliegenden Seiten, Schulhefte mit Eselsohren, vergilbte Zettel unter Plastikfolien sind ein profundes
Beweismaterial meines Daseins als Gast im Glück. Man kann das Glück auch schmecken.

  1. ››Die Mode vergeht – die Küche besteht« – Ähnliches sagt man auch über das Schreiben selbst (››Wer schreibt, der bleibt«). War das auch einer der Gründe für dieses Buch, wollten Sie etwas Bleibendes schaffen?
    YORN: Mit diesem Buch hatte ich niemals auch nur die geringste Absicht, mir ein Denkmal zu setzen. Wenn ich etwas Bleibendes schaffen möchte, dann pflanze ich Bäume.
    IO. Sie haben einen Großteil Ihres Lebens in Paris verbracht mit seinen schicken Modehäusern und Restaurants. Trotzdem schildern Sie in Gast im Glück sehr glaubhaft Ihre Vorstellung von einem einfachen und bescheidenen Leben. Welche Rolle spielt hierbei ihre hanseatische Herkunft? Und welchen Stellenwert hat für Sie der Ruhm?
    YORN: Die größte Tragik für einen erfolgreichen Couturier ist die Gefahr der Selbstverherrlichung. Viele Künstler sind inmitten ihrer Karriere an diesem Übel zerbrochen. Unterstützt von schmeichlerischen Komplimenten falscher Freunde, verliert man schnell jede natürliche Beziehung zur Realität und lebt abgeschottet in einer Scheinwelt, in der es keinen Platz mehr für ein einfaches glückliches Leben gibt. Einsam vegetiert man umgeben von einem
    schillernden Hof voller scheinheiliger Anbeter. Man stellt sich nicht mehr in Frage, duldet keinerlei Kritik und hat jegliche lebenswichtige Selbstironie aus seinem Leben verbannt.
    Der Erfolg ist etwas Wunderbares, da man ihn mit anderen Menschen teilen kann. Im Gegensatz zum Ruhm, den man nicht teilen kann. Madame de Stall beschrieb das in ihren Memoiren: »La
    gloire est le deuil éclatant du bonheur« – Der Ruhm ist der Lobgesang auf das Glück. Meine hanseatische Erziehung sowie mein Freundeskreis haben mich stets davor bewahrt, auch
    nur den leisesten Anflug von Beweihräucherung meiner eigenen Person zu empfinden. Die Wahrsagerin in der Rue de la Paix hatte recht, als sie mir einst für ein paar Francs eine gütige
    Zukunft vorhersagte: ›› Tu serra connu – Du wirst bekannt sein! Damit hatte sie nicht berühmt gemeint.

(c) Diogenes Verlag

Interview : Leo Eberhard

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