[Rezension] Schwarzpulver – Laura Lichtblau
Inhalt:
Es ist kalt geworden in Berlin, es ist die Zeit der Rauhnächte. Lautstarke Propaganda dominiert längst nicht mehr nur die Straßen der Hauptstadt, sondern die Politik des ganzen Landes. Und mittendrin taumeln drei Verlorengegangene, die plötzlich beginnen, sich Fragen zu stellen.
Da ist Burschi, die Johanna liebt, gegen alle Widerstände. Und dabei nicht nur den starken Arm eines Staates zu spüren bekommt, der kein Anderssein mehr duldet, sondern auch die Brüchigkeit menschlicher Beziehungen, wenn die Angst im Nacken sitzt. Da ist Charlie, der in anarchischen Musikerkreisen zwischen Joints und lauten Beats erwachsen wird. Und lernt, sich der allgegenwärtigen Überwachung auf seine Weise zu entziehen. Und da ist Charlotte, seine Mutter, Scharfschützin einer Bürgerwehr, die in ihren Loyalitäten schwankt und dabei droht den Verstand zu verlieren. Ist ihre Militanz vielleicht nur ein missglückter Versuch, dem eigenen Leben zu entkommen? Laura Lichtblau entwirft mit ihrem Debütroman «Schwarzpulver» eine urbane Dystopie. In feiner, gleichzeitig wilder – beinahe wildwüchsiger – Sprache, mit Witz und Leichtigkeit, erzählt sie vom unbewussten Verlangen nach Freiheit in einem Staat, dessen Ziel die absolute Unterdrückung ist.
Rezension:
Das Buch wirkt noch Stunden lang nach. Man lernt drei Personen kennen. Zum einen ist da Burschi, eine Frau, die sich stark zu anderen Frauen hingezogen fühlt und ihre Johanna über alles liebt, zum anderen Charlie, der bei seiner Mutter lebt und ein unbezahltes Praktikum bei einem Plattenstudio macht, wo er Mädchen für alles ist und hofft, dass er seine Musikidole kennenlernen kann.
Und dann gibt es Charlotte, Charlies Mutter, die Scharfschützin bei einer Bürgerwehr ist, aber nicht so linienkonform ist, wie es die Partei gerne hätte.
Wo ich gerade bei der Partei bin, sie will alles kontrollieren und dem Land wieder „seine“ Identität geben. Sie versucht immer wieder in alle Belange des täglichen Lebens Einfluss zu nehmen. Sie verbietet Homosexualität, Transen, Depressive und alles, was nicht dem wirklichen, also dem eigenen, Weltbild entspricht. Frauen an den Herd und Männer sind so oder so die besseren Menschen, ist hier das Motto.
Wie ich diese Ansicht doch hasse! Was soll das, würde ich gerne schreien. So etwas will doch niemand! Wir leben in einem freien Land. Aber sind wir wirklich so frei, wie wir glauben? Rechtlich gesehen, ja, auf jeden Fall, aber es gibt Gruppen in unserer Gesellschaft, die andere Meinungen und Lebensweisen nicht akzeptieren wollen, nur ihre eigene. Sind wir doch mal anders als andere Menschen, werden wir durchaus komisch angeschaut. Männer, die viel Lesen sind komisch, oder am besten gleich schwul oder was auch immer. Frauen die lesbisch sind, brauchen nur mal einen richtigen Mann. Diese Ansichten kotzen mich an! Einer meiner liebsten, leider ehemaligen, Arbeitskollegen ist schwul und ich mag ihn noch immer sehr. Ein anderer Arbeitskollege hat sich zur Frau um operieren lassen. Sie ist seitdem einfach glücklich und ich freue mich für sie.
Wünschen wir uns denn nicht einfach, dass wir alle glücklich sind, und uns frei bewegen können? Gut mit dem Gendern komme ich nicht immer so zurecht und ich bin da auch sicherlich nicht immer astrein und manchmal macht es Sprache auch sperrig. Manchmal frage ich mich, liebe Leserinnen und Leser, ob dies nicht eigentlich unnötig ist, wenn wir uns alle gleichermaßen achten. Ich behandele jeden Menschen so, wie ich gerne behandelt werden möchte, und das sollte eine sehr gesunde Grundlage sein.
Mir macht es Angst, wenn ich so ein Buch lese und ich genau weiß, welche Parteien genau so etwas wollen, wie es in diesem Buch beschrieben ist. Ich finde es immer wieder schlimm, wenn diese Parteien über die 5% Hürde rutschen. Ich wünsche den drei Protagonisten in diesem Buch, dass sie frei leben können, dass sie das sagen können was sie denken und fühlen.
Ich möchte nicht Angst haben, wegen einer psychischen Erkrankung weggesperrt zu werden. Oder Angst, davor zu haben, von einer Bürgerwehr, die mit der Polizei konkurriert bei einer Demonstration erschossen zu werden.
Lest bitte diese Dystopie! findet die Stellen, an denen man lachen kann und lasst euch begeistern. Kämpft mit euren Mitteln dafür, dass diese Dystopie nicht Wirklichkeit wird, denn wir sind teilweise doch schon sehr nah daran, den manchmal traut man sich auch heute nicht mehr das zu sagen, was man wirklich denkt, weil andere Menschen einen daraufhin ausgrenzen. Und dies wollen wir doch nicht, wir wollen frei sein in unseren Worten und Taten. Und genau daran hat mich die Autorin Laura Lichtblau mit einer tollen Sprache in diesem Buch erinnert.
Verlag: C.H. Beck
ISBN: 978-3-406-75556-9