Mein drittes Leben

[Rezension] Mein drittes Leben – Daniela Krien

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Sie hat alles gehabt und alles verloren: Sekunden der Unachtsamkeit kosten ihre einzige Tochter das Leben. Tief sieht Linda in den Abgrund und wäre beinahe gefallen, doch da sind hauchfeine Fäden, die sie halten – die Hündin Kaja, die steten Handgriffe im Garten, das Mitgefühl für andere. Wie viel Kraft in ihr steckt, ahnt sie erst, als sie zurückfindet in einen Alltag und zu sich selbst.

Linda führt ein Bilderbuchleben. Ihre Arbeit als Kuratorin für eine Kunststiftung füllt sie aus, sie ist verheiratet mit dem Maler Richard, sie haben eine gemeinsame Tochter, Sonja, leben in einer großzügigen Altbauwohnung in Leipzig. Sie sind erfolgreich, gut situiert, glücklich und arglos. Doch in ein paar Sekunden der Unachtsamkeit nimmt das Schicksal Linda alles: das Leben der 17-jährigen Tochter, die von einem Lkw überfahren wird, die eigene Gesundheit, den Schlaf. Die Trauer ist übermächtig und bodenlos. Doch es gibt sie, die feinen Fäden, die Linda in der Welt festhalten. Da sind ein Haus und ein Hof im Niemandsland, die ihr Zuflucht bieten und die Handgriff um Handgriff erfordern, da ist die Freude darüber, wieder lesen zu können, die gezackten Ränder einer satt orangefarbenen Tulpe, die Wärme der Frühlingssonne, da ist die Hündin Kaja. Ausgerechnet die Tochter einer anderen Frau holt Linda ins Leben zurück, und da ist immer noch: ihr Lebensmensch, ihr Mann Richard.

Wir lernen Linda kennen. Sie ist Kuratorin bei einer Kunststiftung, mit Richard, einem Maler, verheiratet und lebt ein kulturelles Leben in Leipzig. Man könnte eigentlich sagen, es ist ein Bilderbuchleben und wie sagte meine Oma schon, unter jedem Dach gibt’s ein Ach. Dieser Satz kommt im Übrigen auch in dem Buch vor und ich musste sofort an sie denken. Die Person in dem Buch, die dies sagte, war auch schon jenseits der 80.

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In diesem Buch bricht die Welt zusammen, als Lindas Tochter Sonja tragisch ums Leben kommt. Warum müssen momentan eigentlich so oft Kinder in den Büchern sterben? Und ja, so ein Unfall wirft die Eltern mal eben aus der Bahn und jeder geht anders damit um. Viele Beziehungen zerbrechen daran auch, da die Eltern des verstorbenen Kindes daran zerbrechen. Das ist natürlich perfekter Stoff für Dramen, aber auch immer wieder deprimierend, egal, wie der Roman letztlich endet.

Unsere Hauptperson Linda flüchtet in ein Dorf in der Nähe von Leipzig und übernimmt den Hof einer alten Frau, deren Kinder nicht dort leben wollen. Ihre Hündin Kaja sucht sich eine Familie aus mit der behinderten Tochter Nine und ihrer alleinerziehenden Mutter.

Gerade diese beiden sind es, die Linda langsam wieder ins Leben zurückbringen. Man erkennt aber recht schnell in dem Buch, dass es bei Linda noch so einige andere Achs gab, wie ihre Mutter, ihren Stiefvater oder die beiden Kinder von Richards erster Frau.

Sie versucht immer wieder, es jedem recht zu machen und wenn man dies versucht, geht man daran immer ein Stück kaputt. Man neigt dann dazu, sich selbst zu vergessen und das zu vergessen, was einen selbst ausmacht.

Auf dem Hof versucht Linda, sich erstmal selbst, aber auch eigene Freunde zu finden. Wobei die Medikamente, die sie abends nimmt, dies alles infrage stellen. Daniela Krien beschreibt die Antriebslosigkeit von Linda sehr gut.

Die Autorin schildert den Neuanfang, den Prozess sich selbst zu finden und auch die Fähigkeit zu entwickeln, Nein zu sagen. Sie beschreibt die Schritte zurück ins Leben sehr genau. Ich hatte das Gefühl, dass sie, obwohl Richard sich langsam in eine neue Beziehung stürzt, dies alles viel besser und intensiver verarbeitet hat.

Es wird vieles thematisiert wird, auch die Wessi/Ossi Problematik wird kurz angerissen, aber es geht eigentlich immer um das Miteinander und die Liebe, die sie zu ihrem Lebensmenschen empfindet. Auch wenn sie sich teilweise aus den Augen verlieren, ist dort immer so eine gewisse Anziehung zu spüren, wenn sie sich doch zufällig begegnen.

Dieser Roman bietet vieles, eine angenehme Sprache, die einen mitnimmt, aber auch viel Menschliches. Es ist ein Start in ein neues Leben und ich glaube, wir alle kennen solche Lebensabschnitte. Wenn man sich und seine Interessen mal gefunden hat, dann ist es etwas Befreiendes. Dies bedeutet nicht, dass man asozial ist oder vereinsamt, aber man nimmt mehr mit. Wenn man seinen Weg gefunden hat, kann man auch auf einmal den Mitmenschen viel mehr geben. Dies macht Linda auch, ja, zum einen mit Geld, aber sie macht es aus einem inneren Bedürfnis heraus und dies ist von der Autorin wirklich gut beschrieben.

Ich kann jedem Menschen, der auch ab und zu mal an sich selbst zweifelt und sich hinterfragt, dieses Buch empfehlen. Ich war traurig, dass dieses Buch nach 290 Seiten zu Ende war und dies lag nicht an dem Ende, sondern einfach an der ganzen Story. „Mein drittes Leben“ beinhaltet einfach alles, was gute Gegenwartsliteratur ausmacht. Gerne mehr davon. 

Mein drittes Leben

Titel: Mein drittes Leben

Autorin: Krien, Daniela
ISBN: 978-3-257-07305-8
Verlag: Diogenes Verlag
Preis: 26,00 €
Erscheinungsdatum: 21. August 2024

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