Die rote Zora

[Kindertheater] Theatererlebnis mit Herz: „Die rote Zora“ als packende Inszenierung

Die rote Zora und ihre Bande kommen ins Stadttheater! Alleine diese Ankündigung ließ mich an meine Kindheit denken, und an das Buch von Kurt Held aus dem Jahre 1941. Geschrieben hat es der Autor in der Schweiz, da man solche Bücher und Autoren im dritten Reich nicht haben wollte.

Die rote Zora wird auch als eine Symbolfigur für den Feminismus bezeichnet. Viel wichtiger finde ich aber den Ansatz vom Stadttheater Gießen. Es ist in meinen Augen einfach immer wieder das Thema: Kind darf Kind sein. Und jedes Kind hat Rechte, die niemand beschneiden darf.

Aber wie war eigentlich das Stück? Ich glaube, ich fang’ dann lieber ganz am Anfang an. Man kommt hin und man sieht sofort: Die rote Zora und ihre Bande haben das Stadttheater gekapert. Überall hängen Banner, die einem sagen, dieses Theater gehört der roten Zora mit ihrer Bande und hier haben die Kinder das Sagen!

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    Copyright: Rolf K. Wegst

Bei dieser Premiere kam ich mir als Erwachsener doch ein wenig fehl am Platz vor. Es war einfach ein schönes Gewusel von vielen Kindern. Somit war die Stimmung durchaus positiv. Man bekam noch mal ein freudiges „Das wird heute lustig!“ erzählt und oben im Foyer hängen überall Plakate, die zum Mitmachen auffordern. Dass es da noch einen schönen Kinderpunsch gab und Zimtsterne, Lebkuchen und Mandarinen auf den Tischen lagen, rundete dies einfach alles ab. Im Übrigen habe ich gehört, dass der Kinderpunsch lecker war.

Wobei das Kind, welches mit dabei war, erstmal sehr skeptisch war, da die rote Zora als Zeichentrickserie im Fernsehen ihn nicht wirklich begeistert hat und damit habe ich mich noch gewählt ausgedrückt. Aber besagtes Kind bewegte sich dann doch noch zur Vorstellung und dann ist etwas passiert, was ich bei Kindern immer wieder im Theater erlebe. Man ist vorher noch mehr oder weniger am Toben und dann kommt die Schauspielerin auf die Bühne, redet erstmal was auf Kroatisch und dann auf Deutsch und die Kinder sind im selben Moment ruhig. Izabella Radić überzeugt hier als Branko, dessen Mutter stirbt und er somit zur Waise wird.

Dies war dann auch mein erster Moment, wo ich dachte hartes Thema. Das wird aber schwierig. Und dann kam es wie es kommen musste, es war so dass jedes Kind und Erwachsene wusste, dies ist zum einen traurig, aber es wurde so rübergebracht, dass man lachen musste, ohne dass es ins Lächerliche gezogen wurde. Es wurde von Carolin Weber, Noémie Ney, Jana Marković und als Pfarrer Stephan Hirschpointner wurde einfach ein wenig überspitzt, so dass jeder im Raum wusste, die Situation ist nicht schön, aber es war trotzdem lustig.

Branko wurde dann zu seiner Großmutter geschickt und diese Wegbeschreibung habe ich so oder so ähnlich schon oft erlebt. Wenn mehrere Leute gleichzeitig einen Weg beschreiben, ist es genau so und nicht anders. Aber irgendwie findet Branko dann doch seine Oma, die ihn aber nur eine Nacht bei sich schlafen lässt. Wobei ich da im ersten Moment dachte, Jana Marković, als besagte Großmutter zu besetzen und sie dann auch noch singen zu lassen, wie man sie von der Oper kennt, ist gewagt. Aber die Kinder hat es nicht gestört. Im Gegenteil, ich glaube, es war sogar genau richtig in dem Moment.

Über den Papageien Koko, der bei der Großmutter lebt, muss ich aber auch noch ein Wort verlieren. Wie Levent Kelleli von oben herab schwebte und sang, war alleine schon den Eintritt wert.

Als dann der verstoßene Branko auf dem Markt die rote Zora kennenlernte, als Kind in das Gefängnis geworfen wurde, weil er aus Hunger Essen gestohlen haben solle und dann von der roten Zora befreit wurde, da war es dann endgültig um mich geschehen. Wie Anna Huberta Präg die rote Zora spielte und das gemeinsam mit Branko immer mehr zu einem Zusammenspiel wurde und Branko und Zora ein Team werden – einfach sehenswert. Dazu immer wieder Gesang und kleine Situationen, die alle im Raum Lachen ließen, rundeten die Aufführung ab.

Auch die Aufnahme von Branko in die Bande war einfach kindgerecht und schön gemacht. Die Darstellung des Messerspiels war deutlich an die Wahrnehmung und Bedürfnisse der heutigen Eltern angepasst. Ich möchte nicht darüber nachdenken, wie die Reaktion auf das Original Messerspiel aus dem Buch gewesen wäre. Wer jetzt nicht weiß, was ich meine, dem sei das Buch empfohlen. Sowieso war es bei allem diesmal unsagbar schön, da war das Bühnenbild, wo ich dachte, da wurde auf viele Kleinigkeiten geachtet, die Stadt und der Wald – einfach sehenswert.

Aber am schönsten fand ich noch die Szene auf dem Meer, wie das Meer dargestellt wurde, die Fische und die Qualen, und Anna Huberta Präg, die mit der Querflöte auf dem „Schiff“ sitzt und schlicht eine schöne Melodie spielt.

Unser Kritikerkind war am meisten, von den Mitmach-Szenen begeistert, wenn die Schauspieler mit dem Saal interagierten, vor allem als die Kinder mit spuken durften. Beeindruckend ist auch das Unrechtsempfinden bei den Kindern, die recht schnell merken, dass da etwas nicht fair ist.

Ich könnte noch so einiges aufzählen. Jana Marković mag ich in den Opern mittlerweile sehr gerne. Jetzt habe ich sie auch als Darstellerin in einem Kindertheater erlebt und kann sagen, ich mag sie auch in lustigen Szenen. Über Carolin Weber kann ich schon fast nichts mehr schreiben. Ich habe sie nun in so vielen Rollen gesehen, und sie war immer sehr gut. Noémie Ney und Anna Huberta Präg sind neu am Stadttheater Gießen. Beide sind jung und machen neugierig auf das, was noch kommt. Ich werde mir auf alle Fälle das Stück „Wölfinnen“ mit den beiden ansehen, welches im Januar Premiere feiert.

Was die Kinder für eine Meinung haben, konnte man sehr schnell erkennen. Sie waren einfach fasziniert und auch das Kind, welches ich dabei hatte, war für seine Verhältnisse sehr ruhig. Bei der Premiere waren es fast 90 Minuten, die die Kinder da erlebt haben. Vor mir und hinter mir saßen Kinder, von denen habe ich 90 Minuten lang, außer wenn die Schauspieler sie angesprochen haben, nichts mitbekommen. Die Feststellung das die rote Zora im Theater viel besser ist als das, was da im Fernseher läuft, spricht doch auch Bände.

Und da sind wir wieder bei dem Thema, welches ich immer wieder habe. Theater ist immer wieder besonders. Es ist ein Spaß für Jung und Alt. Man muss es einfach nur ausprobieren. Ich für meinen Teil würde gerne viel mehr ins Theater gehen, allerdings gibt es Zeiten, in denen ich ohnehin schon einmal die Woche dort bin.

Und wenn ihr sagt, na so ein großes Werk würde ich mir nicht so zutrauen, dann wäre es vielleicht mal einen Versuch wert, mit einem Stück des Jungen Theaters zu beginnen. Das Team um Mathilde Lehmann bietet da gewiss den richtigen Einstieg. Zumindest bekomme ich dies oft von anderen Theatergängern erzählt und ich werde es auch mal probieren. Vielleicht trifft man sich ja dort einmal. Die rote Zora macht auf alle Fälle Lust auf mehr, nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Menschen, die mit diesem Buch groß geworden sind. Mir hat es nebenbei auch Lust gemacht, das Buch mal wieder zu lesen. Ich suche es noch. Ich frage mich nämlich auch, ob das Lied der Uskoken schon im Roman von Kurt Held enthalten war oder nicht. Es fühlte sich so bekannt an, aber sicher bin ich mir nicht. Sicher ist nur, die Gießener Inszenierung ist absolut sehenswert.

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    Copyright: Rolf K. Wegst
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