Oststolz

[Rezension] Oststolz – Alexander Prinz

Ein schonungsloser Blick auf Ostdeutschland zwischen Identität, Klischees und neuer Selbstfindung

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Appell eines Nachwendekinds | Der dunkle Parabelritter, Autor des SPIEGEL-Bestsellers “Du kannst sie nicht alle töten”

Die Wende hat ihre eigenen Kinder – doch wer erzählt ihre Geschichte?

YouTube-Star und SPIEGEL-Bestsellerautor Alexander Prinz („Du kannst sie nicht alle töten“), selbst aufgewachsen nach der Wiedervereinigung im ländlichen Sachsen-Anhalt, gibt seiner Generation nun eine kraftvolle Stimme. In seinem neuen Buch „Oststolz“ bricht er mit Klischees und liefert eine längst überfällige Perspektive auf ein noch immer gespaltenes Land.

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Schonungslos ehrlich erzählt Prinz von seiner Kindheit und Jugend: Als er um die Jahrtausendwende in einem ostdeutschen 800-Seelen-Dorf groß wurde, lebte ein Drittel der Kinder an seiner Schule unter der Armutsgrenze. Beim Klettern durch die vergessenen Orte eines zerfallenen Landes fand er Abenteuer von unerwarteter Magie. Mit so etwas Exotischem wie Markenklamotten oder schnellen Autos kam er erst viel später in Berührung, während eines Urlaubs im sogenannten Westen. Denn eine „unsichtbare Mauer“ aus niedrigeren Löhnen und Renten, mangelnder Anerkennung und westdeutscher Hegemonie prägt den Alltag vieler Ostdeutscher bis heute.

Dieses autobiografisch inspirierte Buch ist weit mehr als ein persönliches Memoir – „Oststolz“ ist eine Gesellschaftsanalyse und ein leidenschaftliches Plädoyer für ein neues Selbstverständnis. Prinz ruft seine Nachwendegeneration auf: Seid stolz auf eure Ost-Biografie, bleibt hier und macht was draus, bevor es die Falschen tun.

Es gibt ein paar YouTube-Kanäle, die mich durch Corona gebracht haben. In einer Zeit in der ich an der Arbeit saß und dachte: Spinnen den alle? Warum sollte man Friedensbäume gegen Corona pflanzen, oder warum denken normale Menschen, dass die Erde eine Scheibe ist?

Da gab es den „dunklen Parabelritter“, der mit seiner Art, wie er Dinge erklärt, gezeigt hat, dass die Welt nicht verloren ist. Dass er „Ossi“ ist oder dass sein Auge nicht so ist, wie es sein sollte, ist mir erst viel später aufgefallen. Das mit dem Auge vor einem Jahr oder so und das mit dem „Ossi“ mit dem Buch oder ein bisschen früher. Weil beides in meinen Augen egal ist, habe ich darauf auch nicht geachtet. Wenn jemand gut ist, dann ist es egal, ob die Person weiblich oder männlich ist, ob sie „Ossi“ oder „Wessi“ oder Migrant ist. Es ist auch egal, ob die Person eine Behinderung hat, wichtig ist, dass die Person korrekt ist. In diesen Fall, dass Herr Prinz faktenbasiert berichtet und er diese Fakten gut rüber bekommt.

So begab ich mich mit Herrn Prinz nach Ostdeutschland, genauer nach Sachsen-Anhalt, einer Gegend, die ich schon lange nicht mehr betreten habe, aber dazu später mehr.

Ich lernte also in dem Buch das Umfeld des Autors kennen. Es ist teilweise eine Autobiografie, wo ich dann manchmal denke, mit so jungen Jahren eine Biografie, muss das sein? In diesem Fall muss es sein. Zum einen damit man den Titel versteht und zum anderen damit man Ostdeutschland vielleicht ein wenig besser versteht. Im Übrigen schmerzt es mich, hier über „Ossis“, DDR oder Ostdeutschland zu schreiben. Ich hatte gehofft, als die Mauer fiel, dass diese Mauer in unseren Köpfen schnell abgerissen ist.

Dass Sachsen-Anhalt einer der ärmsten Regionen in Deutschland ist, hatte ich mal wieder nicht auf dem Schirm, aber es erklärt so einiges. Dass Ostdeutschland ein strukturelles Problem hat, war mir dagegen sehr klar, denn das mit den „blühenden Landschaften“ ist nie eingetreten. Auch wenn einiges renoviert wurde, aber es wurden nie nachhaltige Strukturen geschaffen und somit fehlen Perspektiven für die Menschen, die dort wohnen.

Ich habe in diesem Buch so vieles „gelernt“ oder viel mehr, mir wurde es vor meine Augen gehalten. Zum einen hat es so ein ostdeutsches Kind mit nur einem Auge echt schwer, zum anderen es ist egal, ob man auf dem Dorf in Ost oder Westdeutschland groß wurde, die Erlebnisse ähneln sich doch sehr. Es wird gemobbt, es wird sich geprügelt und eine Beleidigung gegen die Mutter endet mit einem blauen Auge.

Was mich erschreckt hat, war aber auch, dass man doch teilweise so wenig mitbekommt. Da gibt es Bitterfeld, und dass dort, insbesondere mit Blick auf die Umwelt, nicht immer alles glatt lief, war bekannt, aber dass die Menschen teilweise ihr Leben riskiert haben nur, weil der Staat die Arbeiter auch ausgepresst hat wie Zitronen, ganz ehrlich, das hat mich geschockt.

Dass es nur noch eine regionale selbstständige Zeitung gibt, die nicht zu einem westdeutschen Zeitungskonzern gehört, war ein weiterer Schock und man merkt doch auch hier, wie die vier großen Zeitungskonzerne das Meinungsbild bearbeiten.

Noch etwas war schockierend für mich, warum akzeptiert man nicht die Abschlüsse, die man in der DDR gemacht hat? Warum wird der Abschluss einer Lehrerin aus der DDR nicht einfach auch in „Westdeutschland“ akzeptiert? Dass bei der ganzen Thematik einiges im Argen liegt, war mir ja klar, aber das man dieselben Fehler, die man heute bei der Migration macht, auch schon nach dem Mauerfall gemacht hat, ist einfach erschreckend.

Dass sich dann die Menschen in Ostdeutschland abgehängt fühlen oder als Menschen zweiter Klasse, kann man schon verstehen. Es sind so viele Punkte, die anhand seiner eigenen Lebensgeschichte thematisiert werden. Da wird aufgezeigt, wie es ist, wenn man in Ostdeutschland ein Gewerbe aufmacht, wie die Unterstützung war während der Coronakrise. Der Autor stellt dar, dass die Menschen im Osten genauso wenig Nazis sind wie im Westen, sondern man sich von der Politik nicht ernstgenommen fühlt.

Und genau das passiert ja auch im Westen. Es kann nicht sein, dass die Politik beim Sozialstaat spart, bei der Bildung, Kultur oder Infrastruktur, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinanderdriftet und so die Unzufriedenheit wächst, weil es immer weniger Perspektiven gibt.

Ich war in den 90er Jahren im Saale-Park bei Halle, also in Sachsen-Anhalt, und habe dort einige Wochen beim Umbau geholfen. Ich habe dort Menschen kennengelernt, die voller Feuer und Flamme waren, für das was in ihrer Gegend entsteht. Man hat abends beim Bier zusammengesessen und gelacht und man war voller Zuversicht, dass alles besser wird, dass die Landflucht bald aufhört, und dass wir zusammen etwas Gemeinsames schaffen. Beim lesen des Buches fragte ich mich, wo sind wir falsch abgebogen, wo ist dieses Miteinander verloren gegangen?

Warum zeigen wir nur noch aufeinander und sagen, der ist faul, der ist Nazi, der ist überheblich, anstatt dass wir miteinander reden und versuchen, gemeinsam etwas zu bewegen. Keiner von uns ist immer perfekt und manchmal verstehen wir die Lebensumstände nicht. Und manchmal braucht es auch ein wenig „Oststolz“ auf das, was man schon geschafft hat. Manchmal muss man einfach auch mal sehen, welchen Weg man schon gegangen ist. Wenn man nur das sieht, was man noch schaffen will oder was schlecht läuft, kann man das positive, was man bereits erreicht hat, nicht sehen. Also lasst uns gemeinsam stolz auf das Erreichte sein und bestehende Probleme gemeinsam angehen. Dann wird es leichter und bestimmt lernt man dann den ein oder anderen Menschen kennen und lieben.

Etwas was ich auch aus dem Buch gelernt habe war, dass die Menschen im Osten die Demokratie lieben und nur mit der Politik unzufrieden sind. Genau so geht es mir und vielen anderen Menschen in Deutschland auch. Last uns die Mauer in den Köpfen einreißen und richtig zuhören, was schiefläuft. Dies wünsche ich mir von Politikern, genauso wie von den Medien und Unternehmen, denn dann können wir gemeinsam stolz sein auf das was wir erreicht haben.

Oststolz

Titel: Oststolz

Autor/In: Prinz, Alexander
ISBN: 978-3-426-56562-9
Verlag: Droemer Knaur
Preis: 18,00€
Erscheinungsdatum: 01. September 2025

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URL: https://literaturlounge.eu/2025/09/rezension-oststolz-alexander-prinz/

Autor: LiteraturLounge

Name: Oststolz

Autor: Alexander Prinz

ISBN: 978-3-426-56562-9

Veröffentlichungsdatum: 2025-09-01

Format: https://schema.org/Paperback

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