• LITL650 [Podcast] Frank Goldammers "Vergessene Seelen" – Mehr als ein Kriminalroman

    In dieser Episode widme ich mich dem packenden Kriminalroman „Vergessene Seelen“ von Frank Goldammer, der den dritten Fall für den Ermittler Max Heller darstellt. Die Geschichte spielt im Jahr 1948 in Dresden, einer Stadt, die noch stark von den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs geprägt ist. Die Währungsreform, die das besetzte Deutschland in eine tiefe Krise stürzt, bildet den Hintergrund für die komplexen gesellschaftlichen Verhältnisse, die der Autor eindrücklich beschreibt. Max Heller sieht sich nicht nur mit einem ungeklärten Tod eines 14-jährigen Jungen konfrontiert, sondern auch mit den Schatten seiner eigenen Vergangenheit.

    Ich tauche tief in die Atmosphäre der damaligen Zeit ein und schildern, wie die Stadt Dresden sich langsam wieder erholt. Die Hitze des Sommers erinnert an die Erlebnisse der Leser von heute, während Heller mit einer Mauer des Schweigens kämpft, die ihm von den Bürgern und Institutionen entgegengestellt wird. Der Fall des Jungen, dessen Tod möglicherweise durch Mord, Selbstmord oder einen tragischen Unfall verursacht wurde, weckt in Heller nicht nur den Ermittlergeist, sondern auch seine eigenen, verdrängten Ängste und Erinnerungen.

    Das Buch thematisiert zudem die psychologischen Narben des Krieges. Der Vater des Jungen ist von Traumas geprägt und kämpft gegen seine Sucht nach Pervitin, einer Droge, die in der NS-Zeit verbreitet war. Mir wird klar, wie sehr die Drogenproblematik auch Kinder betrifft und die Herausforderungen beim Wiederaufbau einer Gesellschaft zusätzlich erschwert. Die Figuren in Goldammers Erzählung sind vielschichtig und menschlich, was die Spannung und Emotionen in der Geschichte umso mehr verstärkt.

    Ein besonderes Augenmerk lege ich auch auf Hellers Beziehung zu seinem Sohn Klaus, der in der deutschen Verwaltung des Inneren tätig ist. Diese facettenreiche Beziehung wird durch das politische Klima und die immer strikter werdenden Maßnahmen der Vorläufer der Stasi, die DVDI, belastet. Die Frage der Loyalität und die moralischen Dilemmata innerhalb dieser dynamischen Beziehung werden von Goldammer meisterhaft beleuchtet.

    Ich beschreibe, wie der Roman nicht nur ein Krimi ist, sondern auch einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen Ängste und Hoffnungen der damaligen Zeit gibt. Die Unsicherheiten der Menschen in Bezug auf die Teilung Deutschlands und die ständigen Sorgen um die eigenen Angehörigen, die im Westen leben, sind verwoben in die Handlung und machen das Buch noch fesselnder.

    Abschließend mache ich deutlich, wie Goldammer mit „Vergessene Seelen“ nicht nur einen weiteren spannenden Krimi geschaffen hat, sondern auch ein Stück deutsche Geschichte lebendig werden lässt. Der Roman bietet einen einzigartigen Zugang zu den Erfahrungen und Herausforderungen der Nachkriegszeit und bereitet mir große Freude, die Geschichte von Max Heller weiterzuverfolgen.

  • LITL649 [Podcast] Vergessen, verdrängt, wiederentdeckt: Die dunkle Historie in „Die verlorenen Töchter“

    In dieser Episode beschäftigen wir uns eingehend mit dem Buch „Die verlorenen Töchter“ von Hannelore Hippe, das eine komplexe und emotional aufgeladene Geschichte erzählt. Im Zentrum steht der mysteriöse Fall einer unbekannten weiblichen Leiche, die 1970 in der Nähe von Bergen gefunden wird, sowie die Schicksale der Norwegerin Asse Ewensen und ihrer Tochter Kathrine. Asse wird aufgrund ihrer Beziehung zu einem deutschen Besatzungssoldaten in ein Straflager eingewiesen, während ihr neugeborenes Kind in einem ostdeutschen Waisenhaus aufwächst.

    Wir analysieren die verschiedenen Themen, die der Roman anreißt, darunter die gesellschaftlichen Vorurteile, denen Frauen begegnen, die während des Zweiten Weltkriegs mit deutschen Soldaten zusammen waren. Diese Frauen wurden nach dem Krieg stigmatisiert und oft als Aussätzige behandelt – eine Realität, die in der Nachkriegsbevölkerung häufig unbekannt war. Kathrines Reise, um ihrer leiblichen Mutter auf die Spur zu kommen, entblättert nicht nur persönliche Dramen, sondern auch eine farbenfrohe Historie, die von Identitätsverlust und internen politischen Spannungen geprägt ist.

    Die Autorin verwebt geschickt Fiktion mit Realität und beleuchtet in ihrem Werk die drängenden Fragen der Herkunft und Identität. Wir diskutieren die Schwierigkeiten, die sie mit der Vielzahl der behandelten Themen hatte, und reflektieren darüber, wie die schnelle Erzählweise an manchen Stellen das Potential der Charaktere und der Handlung einschränkt. Es wird klar, dass die Komplexität der behandelten Themen mehr Raum benötigt hätte, um die Tiefe der Charaktere und ihrer Geschichten angemessen hervorzuheben.

    Hippe arbeitet über einen Zeitraum von 18 Jahren an diesem Roman, der ursprünglich als Vorlage für den Film „Zwei Leben“ diente. Diese lange Entwicklungszeit hat der Geschichte sicherlich eine ausgefeilte Struktur und tiefere Einblicke in menschliche Beziehungen und Konflikte verliehen. Unser Fazit beleuchtet, dass trotz der teilweise chaotischen Themenvielfalt, die Autorin es schafft, den Leser emotional zu fesseln und zum Nachdenken anzuregen.

    Abschließend reflektieren wir über die beeindruckende Charakterentwicklung der Protagonistinnen Asse und Kathrine und die bleibenden Fragen, die der Roman aufwirft. Die Erzählung endet mit dem Gefühl, dass in dieser Art von Literatur noch tiefere Einblicke und mehr Detailreichtum möglich gewesen wären, während die Neugier nach weiterführenden Informationen und aufklärenden Geschichten in Bezug auf diese dunklen Kapitel der Geschichte definitiv angeregt wird. „Die verlorenen Töchter“ bleibt ein berührendes Werk, das zeigt, wie wenig wir oft über die wirklichen Geschichten hinter den historischen Ereignissen wissen.

  • LITL632 [Podcast] Desta und das magische Abenteuer im Gartenteich – Ein Tauchgang in Emmy Abrahamsons Fantasiewelt

    In dieser Episode widmen wir uns dem Kinderbuch „Desta und das Labyrinth im Gartenteich“, geschrieben von Emmy Abrahamson. Der Klappentext verspricht eine fantasievolle Geschichte, die stark an „Alice im Wunderland“ erinnert. Im Mittelpunkt steht die kleine Protagonistin Desta, die während eines unvorsichtigen Spiels im Gartenteich landet. Dieses Missgeschick führt dazu, dass sie in eine andere Dimension eintaucht, in der sie nicht nur nass, sondern auch geschrumpft und in einer fantastischen Unterwasserwelt gefangen ist.

    Desta muss drei Rätsel lösen, um sich in dieser unbekannten Umgebung zurechtzufinden und schließlich wieder ans sichere Ufer zu gelangen. Dabei begegnet sie verschiedenen Kreaturen und Pflanzen und lernt, sich gegen die Herausforderungen, die die Unterwasserwelt bietet, zu behaupten. Eine zentrale Figur in dieser Geschichte ist Till, der Teichbewohner, der Desta bei ihren Aufgaben tatkräftig unterstützt. Diese Beziehung zwischen den beiden, die sowohl Stärken als auch Schwächen besitzen, zeigt, wie wichtig Freundschaft und Kooperation in schwierigen Situationen sind.

    Während meiner persönlichen Auseinandersetzung mit diesem Buch musste ich an meine eigene Kindheit und die Warnungen meiner Familie denken, die mich dazu ermahnten, beim Spielen am Gartenteich vorsichtig zu sein. Desta erlebt auf amüsante und lehrreiche Weise Abenteuer in ihrem Gartenteich und entdeckt viele Facetten der Natur, die für Kinder faszinierend sind. Die Handlung zeigt, dass auch scheinbar harmlose Orte wie ein Teich viele Geheimnisse und Überraschungen bergen können.

    Besonders hervorzuheben sind die schön gestalteten Rätsel, die logisch und ansprechend sind, sowie die liebevollen Illustrationen, die das Buch zu einem visuell ansprechenden Erlebnis machen. Obwohl das Buch speziell für Mädchen um die acht Jahre gedacht ist, kann es gleichermaßen Kinder angesprochen, die sich für die Natur und die kleinen Abenteuer, die sie bereithält, interessieren. Es schärft das Bewusstsein für die Umgebung und fördert die Fantasie, indem es die Leser ermutigt, die Schönheiten und Gefahren eines Gartenteichs zu entdecken.

  • LITL624 [Podcast] Islam und Integration: Abdul Adhim Kamouss‘ Weg zur Verständigung

    In dieser Episode sprechen wir über das Buch „Wem gehört der Islam?“ von Abdul Adhim Kamouss, einer bedeutenden Stimme im deutschen Islam, die sich von einer radikalisierten Vergangenheit zu einem Aufklärer gewandelt hat. Das Buch ist ein eindringliches Plädoyer gegen das Schwarz-Weiß-Denken und lädt dazu ein, die komplexen Strömungen des Islam und die Herausforderungen einer multikulturellen Gesellschaft zu betrachten. Kamoos, der einst als Popstar der salafistischen Szene galt, präsentiert hier seine Sicht auf den Islam und diskutiert Maßnahmen zur nachhaltigen Bekämpfung von Radikalisierung.

    Das erste Kapitel des Buches entführt uns in Kamouss‘ Jugend in Marokko und erläutert die verschiedenen islamischen Strömungen, die die Gemeinschaft prägten. Der Autor vergleicht diese Vielfalt mit den unterschiedlichen Pfadfinderbünden, um die Herausforderungen zu verdeutlichen, die das Verständnis für die Diversität innerhalb des Islams mit sich bringt. Diese Einführung mag für viele überwältigend wirken, ist jedoch essenziell für das spätere Verständnis der komplexen Themen, die Kamouss behandelt. Ein Überblick über die verschiedenen Strömungen ist notwendig, um die Verbindung und die Differenzen innerhalb des Islams richtig einordnen zu können.

    Das zweite Kapitel beleuchtet Kamouss‘ Ankunft in Deutschland und die Erfahrungen mit latenten Rassismus, die ihn prägen. Seine Schilderungen über den Umgang der Menschen im öffentlichen Raum, wie beispielsweise beim Busfahren, zeigen eindrücklich die Vorurteile, denen er ausgesetzt war. Diese persönlichen Erlebnisse geben uns Einblick in die Herausforderungen eines Migranten und wie Einflussfaktoren, wie der Umzug nach Berlin und das Studium, seinen Wandel vorantreiben. Kamouss wird im übertragenen Sinne vom „Saulus zum Paulus“ und verdeutlicht, wie dünn die Linie zwischen einem radikalisierten Individuum und aktivem, positivem Engagement ist.

    Ein zentraler Punkt des Buches sind die Exkurse, in denen Kamouss auch über andere Figuren spricht, etwa über Deso dog, einen Rapper des IS. Hierbei wird klar, dass Kamouss zu einem Zeitpunkt, als andere ihn radikalisierten, selbst versuchte, als gemäßigter Imam zu agieren und Brücken zu bauen. Die von ihm geforderte Prävention vor Radikalisierung ist ein wiederkehrendes Thema, das nicht nur den Dialog zwischen Islam und Christentum, sondern auch mit dem Judentum umfasst.Kamouss zeigt, dass der Koran nicht gegen andere Religionen spricht und argumentiert für ein respektvolles Zusammenleben der unterschiedlichsten Glaubensgemeinschaften.

    Das Buch regt dazu an, den eigenen Glauben zu hinterfragen und ein tieferes Verständnis für den Islam zu entwickeln. Kamouss fordert mehr deutschsprachige Angebote in Moscheen und betont, dass die Dialoginvitation nicht nur an Muslime gerichtet ist, sondern an alle Menschen, unabhängig von deren Religionszugehörigkeit. In einer Zeit, in der Vorurteile und Missverständnisse vorherrschen, bietet Kamouss‘ Werk wichtige Perspektiven, die zum interreligiösen Dialog anregen.

    Obwohl die Sprache des Buches anspruchsvoll und manchmal herausfordernd ist, bietet es einen einzigartigen Zugang zu einem Thema, das oft polarisiert. Es ist besonders für diejenigen geeignet, die einen differenzierten Standpunkt eines Imams suchen und einen tieferen Einblick in die Komplexität des Islams erhalten möchten. „Wem gehört der Islam?“ ist mehr als nur ein Sachbuch; es ist ein Aufruf zur Verständigung und eine Einladung, die Schattierungen im Glauben und zwischen den Gemeinschaften zu entdecken.