LITL619 [Podcast] Ein Sommer wie damals: Rückblick auf Anne Müllers 'Sommer in Super 8'
In dieser Episode bespreche ich das Buch „Ein Sommer in Super 8“ von Anne Müller, ein Roman, der die Leser auf eine nostalgische Reise in die 70er Jahre mitnimmt. Der Klappentext beschreibt es als einen Roman, der wie ein heißer Tag am Meer beginnt – bis das Gewitter kommt. Im Mittelpunkt steht Klara, das mittlere Kind einer Arztfamilie, die in den 1960er Jahren unter den Herausforderungen einer vermeintlich perfekten Familienstruktur wächst. Vati, der beliebte Landarzt, und die schöne, elegante Mutti bilden das harmonische Familienbild, das jedoch schnell Risse bekommt, je tiefer wir in die Geschichte eindringen.
Im ersten Teil lernen wir die Familie König aus Claras Perspektive kennen. Alles scheint idyllisch: Fünf Kinder, eine erfolgreiche Arztkarriere des Vaters und regelmäßige gesellige Zusammenkünfte. Doch Clara, die sich als Papa-Kind versteht, fühlt sich oft einsam und beobachtet. Nach und nach blitzen Hinweise auf das wachsende Ungleichgewicht in der Familie auf. Die Charme des Vaters, der die Herzen der Frauen gewinnt, wirft Fragen über seine Treue auf und lässt eine subtile Spannung im Hintergrund entstehen.
Mit fortschreitendem Verlauf des Buches wird deutlich, dass sich das Bild des Vaters wandelt. Die Geschichten, die er erzählt, sind nicht mehr frisch und innovativ; stattdessen wiederholt er sich und zeigt Symptome seiner Alkoholsucht, die mehr und mehr das Familienleben bestimmt. Diese Entwicklung wird vor dem Hintergrund der 70er Jahre erzählt – einer Zeit, die durch Plastikbadekappen, Apfel-Shampoo und Super-8-Filme lebendig wird.
Die detaillierten Beschreibungen von Claras Erinnerungen erwecken nostalgische Gefühle und lassen viele Leser in eigenen Erlebnissen schwelgen. Ich fühle mich beim Lesen sofort zurückversetzt in die eigene Kindheit – die Tage am Freibad, die Familienabende mit Super-8-Filmen und die unbeschwerten Sommermonate sind vivid und emotional aufgeladen.
Ab den letzten Kapiteln gerate ich immer mehr in die emotionale Tiefe der Geschichte. Die Schilderungen von Claras innerem Konflikt, dem schleichenden Verlust der Familienidylle und der unaufhaltsamen Realität des Erwachsenwerdens berühren mich tief. Es wird klar, dass auch die scheinbar perfekten Familien ihre Schattenseiten und Geheimnisse haben, und dass Klara in ihrer Wahrnehmung und emotionalen Verarbeitung all diese Unterschiede begreifen muss.
Anne Müllers Schreibstil ist warmherzig und sensibel; sie gelingt es, sowohl das Licht als auch die Schatten des Familienlebens überzeugend darzustellen. Ihre Herkunft aus dem Drehbuchschreiben zeigt sich in den klaren und fesselnden Bildern, die sie schafft. Im Laufe der Erzählung wird mir bewusst, dass es in jeder Familie Geheimnisse gibt und, dass die Wahrnehmung von Perfektion oft eine Fassade ist, hinter der sich viele Geschichten und Wahrheiten verbergen.
„Ein Sommer in Super 8“ ist 2018 im Penguin Verlag erschienen und ist zum Preis von 10 Euro erhältlich. Es ist eine einfühlsame Erzählung über das Aufwachsen und die Herausforderungen, die das Leben in einer Familie mit sich bringt, und ich freue mich, euch dazu einzuladen, diese bewegende Geschichte selbst zu entdecken.