In einer Person

LITL004 [Podcast] Mehr als nur ein Coming-of-Age: John Irvings Werk "In einer Person"

In dieser Episode widmen wir uns einem faszinierenden Gespräch über John Irvings neues Werk, das sich um die komplexe Identitätssuche eines bisexuellen Jugendlichen in Vermont in den 50er Jahren dreht. Der junge William Dean Jr. wächst auf und lernt durch die verschiedenen Rollen, die er und seine Umgebung spielen, die schwierige Kunst der Selbsterkenntnis. Immer wieder wird er mit der Tatsache konfrontiert, dass die Menschen um ihn herum – einschließlich seiner geheimnisvollen Bibliothekarin Miss Frost – oft eine ganz andere Rolle spielen, als er erwartet.

William ist der Sohn eines vermissten GIs und einer Souffleuse. Sein Leben im Kleinstdtattheater ist geprägt von den düsteren Dramen großer Autoren wie Shakespeare und Ibsen, die nicht nur seine Sicht auf die Welt, sondern auch seine Familienverhältnisse in ein neues Licht rücken. Durch die Theaterkunst taucht William in eine Welt ein, die ihn sowohl verunsichert als auch fesselt, während er den inneren Konflikt ergründet, der aus seiner eigenen Sexualität und den komplexen Beziehungen zu seinen Mitmenschen erwächst.

Das Buch skizziert nicht nur Williams Suche nach dem Verständnis seiner eigenen Identität, sondern auch nach seinem verschollenen Vater. Seine Reise führt ihn durch verschiedene Städte, von New York über San Francisco bis hin zu Hamburg und Wien. Dabei reflektiert er nicht nur über den Schmerz und die Entbehrungen, die ihm die Gesellschaft und seine Umgebung auferlegen, sondern auch über die Freude und die tiefen Gefühle, die er für gleichgeschlechtliche und auch für weibliche Figuren empfindet.

Im Gespräch wird auch deutlich, wie sehr die Diskriminierung von Homosexualität in den USA damals ausgeprägt war und wie William unter den Auswirkungen der Aids-Krise leidet, die viele seiner Freunde und Weggefährten beschäftigt. Es entsteht ein starkes Bild davon, wie es war, als die Gesellschaft sich noch nicht offen mit diesen Themen auseinandergesetzt hatte. Trotz der Herausforderungen, die die Charaktere durchleben, vermittelt Irving eine Botschaft der Hoffnung und der Annehmlichkeit, dass nicht alles perfekt sein muss, um lebenswert zu sein.

Wir geht dabei um weit mehr als nur eine persönliche Geschichte. Es ist ein Aufruf zur Offenheit und zur Überwindung gesellschaftlicher Tabus. Anstatt mit einem moralischen Finger zu zeigen, fordert Irving dazu auf, Verständnis füreinander zu zeigen und die innere Unruhe offen zu besprechen. Seine Erzählweise weckt nicht nur Empathie für die Protagonisten, sondern reflektiert auch eigene Unsicherheiten und das Streben nach Normalität in einer toleranten Gesellschaft.

Insgesamt ist das Werk ein berührendes Plädoyer für die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und eine Einladung, sich auf die eigenen inneren Konflikte einzulassen. Die Figuren wachsen dem Leser ans Herz und machen die Lektüre zu einer eindringlichen Auseinandersetzung mit Fragen von Identität und Zugehörigkeit – ein absolutes Muss für jeden Literaturinteressierten.

In einer Person
|

[Rezension] John Irving – In einer Person

Ein berührendes Plädoyer für Selbstakzeptanz in einer Welt voller Masken.

Related Posts

[Rezension] Ein gutes Leben ist die beste Antwort – Friedrich Dönhoff

Von Auschwitz nach San Francisco: Eine Reise der Selbstfindung

Ein gutes Leben ist die beste Antwort

Klappentext: Die Geschichte des Jerry Rosenstein Jerry Rosenstein, 86, ist einer, der sich nicht unterkriegen ließ, weder als Jude in Read more

[Rezension] Gold in den Strassen – Lilian Loke

Ein fesselndes Psychogramm eines modernen 'Handlungsreisenden' – zwischen Erfolg, Verlust und der Suche nach innerem Frieden.

Gold in den Strasse

Klappentext: In ihrem außerordentlichen Debüt gelingt Lilian Loke das Psychogramm eines "Handlungsreisenden" unserer Zeit. Thomas Meyer ist Makler für Luxusimmobilien Read more

[Rezension] Unterwerfung – Michel Houellebecq

Eine schonungslose Spiegelung unserer Gesellschaft: Michel Houellebecqs 'Unterwerfung'

Unterwerfung

Klappentext: »Man kann diesen Roman kaum aus der Hand legen ... Kein Autor hält der offenen Gesellschaft ihre Albträume so Read more

[Rezension] Risiko – Steffen Kopetzky

Historische Fakten und Abenteuer: Eine Reise durch die Türkei, Persien und Afghanistan

Risiko

Klappentext: Ein Spiel, das die Weltgeschichte umzuschreiben verspricht Steffen Kopetzky hat einen funkelnden Abenteuerroman geschrieben, der auf historischen Fakten beruht. Read more