[Theater] Mais in Deutschland bewegt einen in andere Galaxien
Eine Premiere jagt die nächste. Diesmal wieder im Kleinen Haus des Stadttheaters. Im Momentan habe ich echt Probleme, eine Begleitung zu finden. Schade, zumal das Stadttheater in Gießen momentan echt heiße Eisen anfasst. Aber es ist die Zeit der vielen Termine, besonders nachdem in den letzten beiden Jahren zu dieser Zeit ja nichts ging. Hier haben viele Nachholbedarf – auch kulturell, und so jagt eine tolle Veranstaltung die nächste.
Aber den Weg zum Kleinen Haus finde ich ja auch alleine und man sieht ja immer wieder bekannte Gesichter. Die Einführung von Tim Kahn ist leider auch gleich meinem ersten Kritikpunkt des heutigen Abends. Von dem wie es Herr Kahn gesagt hat, war alles einwandfrei. Er war klar und gut zu verstehen, aber irgendwie wollte der Funke nicht zu mir überspringen. Ich musste meinem Kopf sagen: Bleib aufmerksam! Und ehrlich, ich bin schon ein kleiner Nerd, der alles wissen und verstehen will, aber warum muss man dieses Computerprogramm so hervorheben? Wenn ich mir vorstelle, ich wäre älter und nicht so ein Mensch, der immer wieder nach neuem sucht, ich würde spätestens da abschalten.
Pakt die Menschen bei den Emotionen und macht sie auf die Bilder aufmerksam, aber nicht darauf, wie das Programm heißt, welches man verwendet. Wer es wissen will, kann doch danach noch mal nachfragen. Macht Menschen neugierig auf das Stück! Wenn ich z.B. an „Caterina Cornaro“ denke, da gab es immer wieder Punkte, die ich auch heute noch benennen kann, die speziell waren. So ging es mir auch bei „Café Populaire“ oder „Hundepark“. Ich wurde emotional gepackt und konnte es kaum erwarten, in den Theatersaal zu kommen. Heute war es irgendwie so, dass ich dachte, ich weiß eigentlich schon alles.
Aber weit gefehlt! Es war dann doch anders, als ich es erwartet hätte. Man sitzt in U Form um die „Bühne“, die komplett weiß und eigentlich der normale Boden ist. Sie ist nicht höher als der Zuschauerraum. Man bewegt sich auf Augenhöhe mit den Schauspielern. Als erstes lernt man den Sohn Noah, gespielt von Amina Eisner, und seine Mutter Susanne, gespielt Anne-Else Minetti, kennen, In der Mitte der Bühne wird von Noah ein Viereck mit weißen Vorhängen abgetrennt, in dessen Mitte ist Susanne und ruft nach ihrem Sohn. Bereits in dieser Szene wird klar, dass zwischen den beiden etwas nicht stimmt und ehrlich, das, was Noah da erzählt, während er immer wieder um das Viereck geht, ist schon heftig.
Dann wurden die Vorhänge beiseite geschoben und man schaut auf einen Lamellen Vorhang, der ebenfalls zur Seite geschoben wird. Nun schaut man auf eine typische 70er Jahre Tapete und dabei sieht man Susannes Eltern, Walther, gespielt von Nina Plagens, und die Mutter Irmi, gespielt von Nils Eric Müller. An den Seiten und auch vorne ist eine Videoeinspielung, in der Amina Eisner, wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, auch ihren Vater Georg spielt. Dieses Stück spielt immer wieder in verschiedenen Zeiten. Da ist Noah mal 3, 11 oder auch fast 50 und er läuft immer gleich rum. Während das bei „Hundepark“ mit anderer Kleidung verdeutlicht wurde, war es diesmal die Variante das man sagte, wie alt Noah gerade ist.
Was die Kleidung betrifft, würde ich mich gerne mal mit einer Stoppuhr neben die Schauspieler stellen. Es ist unglaublich, wie schnell sich Anne-Elise Minetti, die nebenbei auch noch Anni, die spätere Frau von Noah spielt, umzieht, genauso Nils Eric Müller, der zwischen Freddy, dem besten Freund von Noah, Pozzo, Tim oder eben der Oma Irmi umswitcht. Die beiden waren ja schon echt schnell, aber was Nina Plagens da abgerissen hat, die mal Lila, Marlene, Celine oder Opa Walther verkörpert, war echt Wahnsinn, da war es z.B. mal ein lilafarbenes Kleid, mal Lackhosen oder mal komplett als Opa verkleidet.
Ehrlich, ich wäre vollkommen außer Atem gewesen, schon alleine vom Umziehen her. Ich habe das mal bei einer Modenschau gemacht und das war echt Stress pur.
Dazu dieses Schauspiel, in dem man endlich mal erlebt, dass es rechtes Gedankengut auch in der DDR gab und dies nicht erst in den letzten Jahren dort ausgebrochen ist, wobei wir ja momentan überall leider so ein Gedankengut zu sehen bekommen.
Die Art wie Minetti die stark suizidgefährdete Mutter spielt, mit Borderline und auch ein wenig Bipolarer Störung, kommt der Realität doch sehr nahe. Auch dieses Gefühl des Nicht -lieben Könnens oder nicht gut genug zu sein, spürt man in dem Schauspiel immer wieder. Aber das ist auch bei Noah immer wieder zu spüren, dass da so einiges unter der Oberfläche brodelt.
Diese Leichtigkeit von Lila, und das Erklären speziell der Probleme zwischen Mutter und Sohn, ist immer wieder ein gelungener nicht nur lilafarbener Farbtupfer.
Über Nils Eric Müller, da kann ich nur staunen, wie er sich da mit einer Traumwandlerischen Leichtigkeit bewegt und die Oma oder den Alki spielt, der an die Zeichenkunst von Noah glaubt und ihn wohl auch verlegt.
Noah ist so eine Person, da scheiden sich so oder so meine Gefühle, was nicht an der Schauspielerin liegt, sondern eher an diesem Facettenreichtum, wie es nun mal so ist, wenn man zum einen ein Kind ist, dann ein Jugendlicher, der von seiner Mutter rausgeschmissen wird, obwohl er nichts falsch gemacht hat. Er ist halt einfach da, so ähnlich drückt sich glaube ich auch Susanne aus. Wie er mit Anni, seiner Frau, umgeht und auch mit seinen eigenen Kindern, finde ich echt schwierig. Ich würde ihm auch gerne mal zu einer Therapie raten.
Ich könnte nun noch einiges erzählen, von den Bildern, die immer wieder auf Boden und Wand projiziert werden, wo man sich auch vorstellen kann, dass dies die Bilder von Noah sein könnten. Auch könnte ich spoilern, wie das ganze ausgeht, und ich könnte noch vieles über die verschiedenen Personen sagen, und die Problematiken in der DDR mit Stasi und so weiter, aber das lass ich hier und jetzt lieber. Schaut es euch an.
Nach der Aufführung haben wir uns über ein Produkt unterhalten, welches man aus Mais machen kann, nämlich Popcorn. Da steht also eine kleine, von meiner Position nicht zu sehende, Popcornmaschine auf der Bühne und auf einmal hört man dieses ploppen und man riecht dieses frische Popcorn. Dazu wird ja dieses Popcorn dann auch noch auf der Bühne gegessen und man bekommt als Publikum nichts davon ab. Irgendwie ist das schon gemein.
Ich bringe es einfach mal auf den Punkt. Ihr mögt besondere Themen, richtig gute charakterstarke Schauspieler, die einen auch mal zwischendurch ein wenig Lachen lassen? Dann schaut euch das Stück an! Ich kann bei keinem der Schauspieler einen Liebling benennen, denn alle haben wirklich ihre Vorzüge. Ja, Noah und Susanne sind schwierige Charaktere und ja, dadurch, dass man in einem U um die Bühne sitzt, hat jeder einen anderen Blick auf die Szenerie, aber gerade dies macht es ja auch aus. Ganz ehrlich, ich würde mir gerne mal das Stück auch von vorne ansehen und wahrscheinlich ist es dann ein ganz anderes, da sich durch den Blickwinkel das Bühnenbild und die Bilder neben oder auf der Bühne ändern. Was noch mal wichtig ist, zu erwähnen, oft komme ich mir ja als 50-jähriger im Theater jung vor, aber heute waren doch auch sehr viele Jüngere im Theater. Bei Amina Eisner gibt es etwas, was ich gerne mal erleben würde, sie im Großen Haus auf der Großen Bühne und vielleicht mal eine Komödie. Irgendwie sehe ich da zwischendurch immer wieder auch einen Schalk in den Augen und würde sie gerne mal in einem richtig lustigen Stück sehen. Aber macht euch da ein eigenes Bild von. Ich bleibe dabei, im Fernsehen oder am PC, etc. würde ich mich nie so drauf konzentrieren können. Aber im Theater kann man so vieles erleben und glaubt mir, jede Vorstellung ist da etwas anderes und gerade dies macht das Theater so besonders. Also besucht euer Theater in der Nähe. Egal was da gerade aufgeführt wird, man wird gut unterhalten. Wobei ich mir eines wünschen würde vom Stadttheater in Gießen, wie wäre es auch mal mit etwas Leichterem, etwas fürs Herz? Ja, es ist wichtig, dass Theater so ein Programm fahren, aber man muss die Menschen auch mal mit etwas leichterer Kost anfüttern, damit sie die Scheu vor dem Theater verlieren und man vielleicht auch noch andere Menschen ins Theater zieht. Sonst geht es wie mir am Anfang, ich hätte fast abgeschaltet.