Woyzeck

Ausnahmsweise hatte ich mir mal Trailer von anderen Theatern angesehen, wo es Woyzeck mit der Musik von Tom Waits gab. Und ganz ehrlich, ich hatte echt ein wenig Angst. Das, was ich da gesehen hatte, war mir teilweise zu hektisch oder auch zu sexistisch und je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Angst bekam ich.

Die Dramaturgin war in der Gießener Inszenierung Lena Meyerhoff. Diesmal wurde aber die Einführung von Tim Kahn gemacht. Als dieser dann in der Einführung das Wort „gendern“ benutzte, wurden meine Ängste noch größer. Nicht falsch verstehen, aber das Ganze ist mir teilweise zu inflationär genutzt. Ich saß da also am Rand und hatte so eine richtig gehende Angst vor der Vorstellung.

Eine weitere Frage war für mich, warum war die Rolle der Marie Zickwolf mit drei Schauspielerinnen besetzt und zwar von Izabella Radić, Zelal Kapçık, Carolin Weber dazu noch ein Chor der Maries auch mit drei Frauen, nämlich Darja Bilenko, Katerina Bilenko, Marie Shuta? Die Frage war, wie soll dies auf der Bühne wirken? Wie gesagt, ich hatte mir ausnahmsweise mal Trailer aus anderen Theatern angehört und angesehen und das war mir alles zu wild und dann dazu noch so viele Sängerinnen und Schauspieler, ob das rund wird?

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Nils Eric Müller hatte ich auch noch nie wirklich singen gehört. Er hat den Woyzeck in diesem Stück gegeben. Pascal Thomas als Hauptmann, konnte ich mir sehr gut vorstellen, da er mich ja schon bei „Der Staat gegen Fritz Bauer“ aus den Latschen gehauen hat. Der Doktor war Lukas Goldbach, der mir wirklich noch nie untergekommen war.

Levent Kelleli kannte ich schon aus „Last Park Standing“, aber singen und sprechen, dass sind nun mal zwei verschiedene Paar Schuhe. Er war der Tambourmajor am heutigen Abend. Stephan Hirschpointner habe ich schon in verschiedenen Rollen gesehen. Er war einmal der Ausrufer aber auch Andres.

Ihr merkt schon, ich hatte so ein wenig Angst und sie wurde nicht weniger, je näher die Vorstellung kam. So sitze ich im Zuschauerraum und höre leise im Hintergrund Rhythmen, bei denen ich langsam richtig gute Laune bekomme. Der Ausrufer steht vor dem Vorhang und man wird quasi wie in eine Manege hereingeleitet, dazu diese Band im Hintergrund und nach zwei Minuten war alles klar für mich. Das Stück wird gut.

Auf einmal war mir klar, warum es drei Marias gab und diesen Chor, einfach, weil die Musik so stimmiger war mit diesen unterschiedlichen Stimmen. Dadurch das es in Gießen drei Schauspieler sind und dieser kleine Chor, klingt es wärmer und angenehmer, als bei manchen Trailern von anderen, auch größeren, Theatern. Die vier Musiker im Hintergrund lassen es richtig swingen, es macht das Ganze rund.

Gut, dem Hauptmann hätte ich, glaube ich zumindest, bei der Rasur „ausversehen“ das Rasiermesser an den Hals gehalten, während er Woyzeck erniedrigt hat, und ich glaube, ich hätte es schon da falsch bewegt. Über den Tambourmajor möchte ich lieber gar kein Wort verlieren. Ich würde sagen, ein aufgeblasener Gockel, der denkt, er könne und wisse alles und dann auch noch so auftritt. Nur um es klarzustellen, ich habe einiges gesehen, in den letzten Tagen und Wochen und ich habe des Öfteren gedacht, die Darstellung ist ein wenig drüber.

Im Stadttheater Gießen ist es eher so, dass es angedeutet wird. Es ist klar, was passiert, aber es ist nie plump. Es ist genau so, wie es in meinen Augen sein soll. Ich mag es ja auch nie, wenn alles im Fernsehen oder Film en Detail gezeigt wird. Nicht dass ich prüde bin oder mit Gewalt nicht umgehen kann, aber weniger ist in meinen Augen manchmal mehr.

Kommen wir zu dem wichtigen Punkt, der Musik von Tom Waits zusammen mit den Texten von Kathleen Brennan und wie bringen die Schauspieler des Stadttheaters dies eigentlich rüber. Über die Maries habe ich ja schon geschrieben. Ich hatte kurz das Gefühl, dass ihnen so etwas noch besser liegt, wie wenn sie sprechen. Die Worte waren immer klar und ohne Hektik ausgesprochen bzw. gesungen.

Nils Eric Müller hat eine warme Stimme beim Singen, wie ich sie ihm nicht zugetraut hätte, dazu diese herausragende Mimik. Ich weiß langsam, warum meine Vorsitzende bei der Kulturloge ein Nils Eric Müller Fan ist, er ist einfach gut.

Pascal Thomas als Hauptmann war einfach genial, wenn er singt. Er ist von den Männern in meinen Ohren die stärkste Stimme, was in einer Szene mit Lukas Goldbach als Doktor klar wird. Da singt Pascal Thomas ohne Mühe seinen Kollegen an die Wand, was nicht bedeutet das Lukas Goldbach schlecht singt, aber Pascal Thomas hat einfach eine Stimme, die mich nun schon wieder vollkommen verzaubert.

Levent Kelleli hat gute Ansätze, aber vielleicht bin ich bei der Person zu hart, weil er seine Figur einfach zu gut rüber bekommt und ich sie einfach unsympathisch finde. Da wird ihm quasi seine schauspielerische Leistung zum Verhängnis, denn ich mag nun mal solche Menschen, wie den, den er darstellt auch im realen Leben sehr wenig und erstellt ihn fast zu perfekt dar.

Am besten gefällt es mir aber, wenn alle zusammen singen, mit diesen wirklich tollen Musikern im Hintergrund. Es ist für mich wieder mal der Beweis, ich sollte mich lieber weniger vorbereiten und mich auf die Schauspieler, Schauspielerinnen, Dramaturgin, Regisseurin verlassen und somit dem Ensemble des Stadttheaters einfach vertrauen. Die machen das schon gut. Es gibt sicherlich für den ein oder anderen etwas zu kritisieren, aber es waren zwei Stunden, die mich gut unterhalten haben und wo ich gemerkt habe, diese Stimmen harmonieren zusammen und geben ein gutes Bild.

Vielleicht ist es einfach so, dass man sich erst einmal zusammenfinden muss und das ist so ein Prozess, der leider immer etwas dauert. Es gibt noch immer ein paar Kleinigkeiten, die vielleicht besser gelöst werden könnten, aber größere Theater haben dies schon viel schlechter gemacht. Schaut es euch einfach mal an und macht euch selbst ein Bild davon! Und spendet, wenn euch danach ist, Applaus. Ich kann nur eines sagen, sie haben es verdient, auch wenn sicher nie alles perfekt ist. Aber wollen wir immer nur das Perfekte? Das ist falsch und es gibt es nie in der Realität. Dazu kommt, dass jeder von uns anders empfindet und ich bin froh, dass ich meine Ängste beiseite geschoben und mir dieses Musical angesehen habe. Gerne mehr davon!

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