[Konzert] Zwei Orchester ergeben einen Klangkörper mit Volumen
Ich bin ja immer ein wenig aufgeregt, wenn es zu einem Sinfoniekonzert geht. Diesmal war es etwas ganz Besonderes, denn das Landesorchester Nordrhein-Westfalen spielte zusammen mit unserem Philharmonischen Orchester Gießen. Die Frage die ich mir stellte war, wie wird das klingen? Wird es harmonieren oder wird es einen verschrecken? Und wie wird es sein, so ein Konzert nicht im Stadttheater, sondern in der Kongresshalle in Gießen?
Ihr merkt schon, es waren bereits am Anfang verdammt viele Fragen, die ich mir so gestellt habe. Durch ein kleines Missverständnis, waren auch Heike und ich diesmal etwas spät dran. Da ist mir dann so das erste direkt aufgefallen. Man musste für die Einführung recht dicht an den Lautsprechern stehen, da die Akustik im Vorraum der Kongresshalle sagen wir mal bescheiden ist.
Da sollte man sich vielleicht beim nächsten Mal etwas einfallen lassen. Dass freie Platzwahl war, ist ok, man kann ja nicht alles haben. Und da ja zu viele Musiker für die „kleine“ Bühne im Stadttheater für „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss benötigt werden, musste man das Orchester im kleinen Saal der Kongresshalle aufbauen und das Publikum saß im großen Saal.
Dies muss man sich einfach mal vorstellen, was für eine Menge an Musikern da vor einem saß! Es waren zwei komplette philharmonische Orchester.
Ich bin ja immer der Meinung unser kleines Orchester klingt toll und ja die Meinung vertrete ich noch immer, aber wie die Sinfonie Nr. 8 in F-Dur op. 93 von Ludwig van Beethoven selbst in einer Räumlichkeit wie das nun wirklich nicht für seine Akustik bekannte Gebäude geklungen hat, war verzaubernd. Es war einfach mit mehr Volumen, mehr Substanz. Bitte nicht mit Lautstärke verwechseln. Das ist etwas ganz Anderes. Ein piano war immer noch ein piano, aber mit mehr Körper. Es war einfach noch mal eine Stufe kräftiger. Ich würde fast sagen, jede einzelne Note ist noch mal mehr da gewesen. Die einzelnen Instrumente sind noch etwas präsenter gewesen.
Schon alleine bei Beethoven war ich teilweise in einer ganz entrückten Stimmung. Gut, ich hätte mir gewünscht, dass ich den Musikern auf die Finger hätte schauen können, aber ich glaube, ich wäre schon alleine im ersten Stück überfordert gewesen.
Dabei wurde es ja noch mal opulenter, denn nun kam das eigentliche Hauptprogramm nämlich besagtes „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss. Wie steht auf der Homepage des Stadttheaters Gießen: „charmant größenwahnsinnigen Klangkörper“ den es wohl für dieses Stück benötigt von allem einfach mehr. Da sind z.B. 4 Klarinetten, 4 Oboen. 8 Hörner und 5 Trompeten und mal ganz ehrlich, wann benötigt man 2 Harfen, um nur mal ein paar Beispiele aufzuzählen. Und man benötigt noch eine Solovioline, die dann auch noch in dem ganzen Stück immer wieder gefordert ist. Ich saß diesmal in der letzten Reihe und ich war auf der einen Seite vollkommen glücklich, dass ich da hinten saß, aber dann dachte ich auch, ich würde gerne diese Künstler nebenbei beobachten.
Dirigiert wurde das Ganze heute von Nabil Shehata, dem Dirigenten des Landesorchester Nordrhein-Westfalen. Ich hätte ihn auch sehr gerne dabei beobachtet, denn er hatte diesen Klangkörper vollkommen unter Kontrolle. Irgendwann entdeckte ich auf der Empore unseren Generalmusikdirektor Andreas Schüller und so ab und zu streiften ihn meine Augen, wie er so da saß. Wie er an manchen Stellen, ich würde fast sagen, verzückt zugesehen hat, wie die Musiker gespielt haben und dann gab es Passagen, da saß er einfach nur da mit geschlossenen Augen da und schien vollkommen mit sich und der Umwelt im reinen.
Ich glaube einfach, er kann so etwas genießen, genauso wie jeder andere, der sich auf die Musik einlässt. Vielleicht hat er auch mal kurz daran gedacht, wie es wäre, wenn er nun da vorne stünde und dirigiere, aber man kann, so sind meine Erfahrungen, auch mal gönnen und unter Kollegen sagen, das war klasse, vor allem, wenn man sich schätzt.
Was mir noch mal besonders gefallen hat, war diesmal das Blech, nicht, weil sie besonders laut waren oder omnipräsent, sondern weil sie einfach gut waren. Da ist eine Stelle besonders hervorzuheben, als drei Trompeter das Orchester verließen und sich in die Ecke stellten, um dann eine Passage mit viel Gefühl zum Besten zu gegeben. Wenn ich nur an diesen Effekt denke, dann bekomme ich eine leichte Gänsehaut. Aber solche Effekte kannst du nur dann bringen, wenn du die Instrumente dafür hast. Man stelle sich bei einer normalen Besetzung vor, wenn da drei Trompeten einfach gehen. Da ist dann niemand mehr da, der spielt, denn man benötigt ja immer wieder diese Instrumente auch, wenn man sie manchmal nicht so wirklich wahrnimmt. Ich kann mich an Stücke erinnern, da war das Instrument des Abends eine Triangel, die mich einfach abgeholt hat. Und dies ist wie jeder weiß nun nicht das Instrument das man als am wichtigsten in einem Orchester empfindet. Aber es ist immer so, jedes Instrument ist wichtig.
Komme ich nun zum Fazit des heutigen Abends. Ja, ich würde mir wünschen noch mal so ein Volumen an Musik zu erleben. Es ist einfach etwas Besonderes. Die Solisten des heutigen Abends waren einfach herausragend. Das alles klingt einfach noch mal eine Stufe wärmer, kräftiger, wenn so viele hervorragende Musiker zusammen spielen, wenn sie sich aufeinander einlassen, dem Dirigenten vertrauen, der vor ihnen steht. Was mich erstaunt hatte war, wie gut das Ganze in der Kongresshalle klingen kann.
Mich würde es freuen, wenn diese beiden Orchester noch das ein oder andere Mal zusammen auftreten, dann aber vielleicht mit mehr Solisten aus Gießen und vielleicht auch mal mit Andreas Schüller als Dirigenten. Und nun bitte nicht falsch verstehen, ich bin von Nabil Shehata und den Solisten vollkommen überzeugt und ich würde den Abend nicht anders gestalten, aber wie wäre es, wenn man öfters zusammen etwas gestaltet? So als Highlight der Spielzeit? Als ein besonderes Konzert, denn ich würde mir nicht immer aber ab und zu wünschen, dieses Volumen und diesen Klangkörper zu erleben.
Ich glaube, da kann man sicherlich was machen. Ich würde mir als Gießener wünschen, und auch für die Siegener, wenn man dies ab und zu noch mal erleben könnte, denn es ist, egal was nun gespielt wird, etwas ganz Besonderes für jeden Musikfan.