[Rezension] Weil du meine Tochter bist – Julia Kelly
Klappentext:
Ein gefühlvoller Roman über Liebe, Mutterschaft und Verrat vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs
Liverpool 1940. Viele schwierige Situationen hat Viv in ihrem Leben schon gemeistert. Bereits als Teenager wurde sie schwanger; ihre Tochter Maggie zog sie allein und unter der Fuchtel ihrer missbilligenden Eltern auf. All dies ist jedoch nichts verglichen mit der Entscheidung, die sie nun, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, treffen muss: Soll sie der Evakuierung ihrer heißgeliebten Tochter zustimmen? Das kleine Mädchen in die Obhut fremder Leute geben? In der festen Hoffnung, sie bald wieder in die Arme schließen zu können, schickt sie Maggie aufs Land. Doch dort kommt es zur Katastrophe: Das Haus der Gastfamilie wird von einer Bombe getroffen, Maggie gilt als verschollen …
Julia Kelly erzählt die Geschichte der vielen evakuierten Kinder Englands und zeigt, wie eine einfache Entscheidung den Verlauf eines Lebens verändern kann.
Ein Roman, der bewegt und lange nachhallt.
Rezension:
Was soll ich sagen? Man stelle sich mal vor, man ist eine streng erzogene katholische Tochter 1935. Viv verliebt sich in Joshua. Sie verliebt sich, weil er anders ist als die anderen. Joshua ist Musiker und träumt von der großen Karriere in Amerika, mit Plattenvertrag und allem was dazu gehört und er ist Jude. Jetzt dürft ihr mal darüber nachdenken, was die Eltern von Viv am meisten gestört hat? Richtig, er ist ein Jude! Dies ist eine Schande, vor allem für die Mutter von Viv, denn dann reden die anderen in der Kirche ja über sie. Und nein, das geschieht nicht in Deutschland, sondern in England.
Die beiden heiraten, da beim zweiten Date ein „kleiner“ Unfall passiert und Viv schwanger geworden ist, aber eine Abtreibung kommt für Viv nicht in Frage. So bekommt Joshua Geld, damit er Viv nach der Hochzeit verlässt und nach Amerika geht. Viv lebt nach der Geburt weiter bei ihren Eltern, denn wo soll sie denn hin? Und nein, das geschieht nicht in Deutschland, sondern in England. Auch wenn es nicht das eigentliche Thema des Romans ist, so spiegelt es auch den weitverbreiteten Antisemitismus der 1930er Jahre wieder.
Viv bekommt die kleine Maggie und wird zuhause von ihren Eltern wie eine Dienstmagd oder noch schlimmer behandelt. Nun kommt es bekanntlich zum Krieg und die Kinder werden zu wildfremden Familien in die Dörfer geschickt. Auch Viv wird von ihren Eltern und dem Pfarrer dazu gedrängt, ich würde schon sagen genötigt. Maggie landet bei den Thompsons und wird dort verwöhnt, denn das Ehepaar ist im Gegensatz zu Viv reich.
Joshua erkennt, dass er in Amerika nicht den gewünschten Erfolg hat und dass er bei Kriegsbeginn seinem Land wieder helfen will. So zieht es ihn nach Liverpool zurück. Er traut sich aber weder zu seiner eigenen Familie, noch zu Viv und landet so bei der Royal Airforce. Er hilft nach dem Krieg Viv ihre gemeinsame Tochter wieder zu finden, da in das Haus der Thompsons eine Bombe eingeschlagen und Maggie verschwunden ist.
Genug erzählt von der Story. Es ist wie so oft, bei solchen Geschichten, man hat eine Ahnung, wie sie endet, aber irgendwie ist der Weg das Ziel, den man beschreiten muss und er lohnt sich. Ja, es ist anstrengend, wenn eine Tochter verschwindet und es strengt auch an, wenn man erlebt, wie gemischte Ehen behandelt wurden. Und damit meine ich nicht schwarz, weiß, rot oder was auch immer, sondern Ehen zwischen zwei Glaubensrichtungen.
Bei Vivs Eltern hatte ich so das Gefühl, wenn der Vater ein Protestant gewesen wäre, wäre es auch eine Katastrophe gewesen. Was für eine Schande für die Familie. Viv bekommt ein Kind von einem Juden, der sie zwar heiratet, aber ansonsten doch zu nichts nutze ist, Deswegen spielt man mit seinen Träumen. Joshua denkt im ersten Moment, ja ich geh nun nach Amerika, werde dort ein Berufsmusiker und dann hole ich die beiden nach. Doch Vivs Eltern und Bekannte können dann ungehindert über Joshua lästern und ihn schlechtmachen. Er ist ja weg und kann sich nicht wehren.
Es gibt in diesem Buch immer wieder Stellen, die besonders sind, die die Zerrissenheit und die Stellung der Frau vor nicht mal 100 Jahren doch sehr deutlich machen. Es werde immer wieder harte Themen angesprochen, die einen in diese Zeit eintauchen lassen. Manchmal saß ich auch in meinem Lesesessel und war am überlegen. Kann es sein, dass wir uns stellenweise doch wieder dahin zurück entwickeln, mit all diesen Vorurteilen gegenüber Menschen mit anderem Glauben? Es gibt Menschen, die wieder offen sagen, dass der Mann „besser“ sei als die Frau und die Frau gehöre wieder an den Herd. Solche Situationen finden sich auch in dem Buch, denn Viv darf als verheiratete Frau offiziell nicht arbeiten und auch keinen Mietvertrag unterzeichnen und lauter solche Dinge. Kleine Anmerkung. Erst seit 1969 ist eine verheiratete Frau in Deutschland voll geschäftsfähig und darf ohne die Zustimmung ihres Mannes ein Bankkonto eröffnen. Ist also leider noch gar nicht so lange her.
Je länger ich über das Buch nachdenke, desto mehr denke ich über bestimmte Stellen in dem Buch nach und ich stelle fest, ja, das ist vielleicht genau so möglich und solche Menschen wie die Thomsons wird es sicherlich damals gegeben haben. Für mich sind es über 500 Seiten, die lesenswert sind, die einen mitnehmen und beschäftigen und ich denke dir wird es ähnlich gehen, wenn du dich für solche Themen interessierst wie 2. Weltkrieg, die Kinderverschiffung die es ja auch in Deutschland gegeben hat, wie mit verschiedenen Religionen umgegangen wurde und sicherlich auch heute noch umgegangen wird oder du einfach gut geschriebene Familiengeschichten liebst, die viel Gefühl zeigen, ohne es zu übertreiben.
Titel: Weil du meine Tochter bist
Autor/In: Kelly, Julia
Altersempfehlung: ab 16 Jahre
Verlag: Bastei Lübbe
ISBN: 978-3-404-19272-4
Preis: 13,00 €
Erscheinungsdatum: 22. Dezember 2023