[Rezension] Der Westen hat keine Ahnung, was im Osten passiert – Jakob Springfeld
Klappentext:
Warum das Erstarken der Rechten eine Bedrohung für uns alle ist
Angriffe auf Geflüchtete nehmen zu, die AfD plant massive Abschiebungen und neonazistische Positionen sind vielerorts »normal« geworden. Staatliche Behörden, die Bundeswehr, sowie unser Justizsystem sind Teil des Problems – die Brandmauer ist längst gefallen. Obwohl die extreme Rechte bundesweit auf dem Vormarsch ist, schaut Westdeutschland vor allem auf den Osten – gern von oben herab.
Der Autor ist mit seiner Angst vor Steigbügelhaltern, vorauseilendem Gehorsam und lautem gesellschaftlichem Schweigen nicht allein. Es reicht! Wer 2025 beansprucht, aus der Geschichte gelernt zu haben, muss sich positionieren, im Kleinen und Großen aktiv werden und darf die Krise der Demokratie nicht nur auf »den« Osten projizieren.
Denn das epochale Problem geht uns alle an!
Rezension:
Jakob Springfeld, durfte ich ja schon mal lesen und zu seinem Buch „Unter Nazis“ interviewen. Als ich mitbekam, dass ein neues Buch von ihm herauskommt, war mein Gedanke, das Buch muss ich lesen.
Gesagt, getan und der erste Satz war: „Ich habe grad geheult“ und ja ich kann seine Tränen verstehen. Nicht nur wegen des Erfolges der AfD im Osten, nein, auch wegen der Stimmen die sie im Westen bekommen. Und ja, das Problem ist im Osten noch größer, als bei uns im Westen, aber ich kann sagen, dass mir jede Stimme, welche ich beim Zählen nach der Wahl von der AfD zähle, mich sehr schmerzt.
Und man muss leider sagen, die Rechte macht es sehr geschickt. Sie spielt mit den Ängsten der Bürger und dies ohne eine wirkliche Lösung anzubieten. So werden sie in der Kommunalpolitik immer stärker, vor allem im Osten. Sie schüren Ängste und sind extrem laut. Sie schüchtern Politiker ein und wie so oft bekommt man nichts mit als „Wessi“, nur bei den schweren Vergehen, die durch die überregionalen Medien gehen. Gerade deswegen finde ich es so wichtig, dass man dieses Buch liest.
Jakob Springfeld mahnt uns vor der Gleichmacherei, die wir alle gerne betreiben und genau solche Sachen spielen der Rechten in die Karten.
Das erste, was mich richtig geschockt hat, war der Exkurs über den III. Weg und Freie Sachsen. Ja, ich bekomme immer wieder etwas über diese Parteien mit, aber wieviel sie mit der AfD zusammenarbeiten und wie sie sich geben und welche Ziele sie haben, da bleibt mir wirklich alles im Halse stecken.
Dass die neue Rechte im Bereich Social Media vorne ist, bekomme selbst ich mit. Es ist schon krank, dass man auch teilweise Videos bei YouTube vorgeschlagen bekommt, die Rechts sind, obwohl ich mir sicher bin, dass ich nach so etwas nicht gesucht habe. Das Vorfeld von der AfD ist sehr erfolgreich und bestimmt teilweise was man hört, mitbekommt. Manche glauben, da muss doch was Wahres dran sein, ansonsten würde das Video ja gelöscht werden. Das Gleiche bei Facebook, Instagram, TikTok oder ganz schlimm bei X vormals Twitter.
Dann noch diese Idee des „Tradwife“, also die traditionelle Rollenverteilung, mit der „die Frau gehört an den Herd“ Idee. Da möchte man einfach mal fragen, warum sollte man als Frau denn die AfD wählen.
Dass der Fachkräftemangel in Ostdeutschland noch gravierender ist als im Westen, liegt auch daran, dass man sich nicht wirklich traut, in den Osten zu ziehen, wenn man z.B. eine andere Hautfarbe hat oder eine andere politische Gesinnung. Es gibt ja auch Landkreise, die sich wundern, dass die Touristen ausbleiben, weil die AfD so stark ist.
Man sollte einfach mal überlegen, ob die Wirtschaft vielleicht Menschen braucht, um die Arbeit zu bewältigen, die da ist. Wenn dann auch noch die jungen Leute wegziehen oder auch die Frauen, kann es nicht besser werden und Migration, die die Wirtschaft fordert, will man ja auch nicht haben.
Hart traf mich auch die Aussage mit dem Rechtsruck, wenn die Politik spart. Ich habe gerade Angst, da mein Landkreis nächstes Jahr wohl bei der Kultur sparen muss und meine Befürchtung ist, dass dann noch weniger Kultur stattfindet und die Menschen immer mehr vereinsamen, da sie weniger auf Mitmenschen treffen können.
Das mit der Brandmauer der CDU ist in meinen Augen ohnehin schon länger vorbei. Aber dass die SPD oder die Grünen mit der AfD stimmen, war mal wieder ein Schock für mich. Dass es da noch weitere demokratische Dammbrüche bei Polizei, Bundeswehr, Justiz und Medien gibt, war mir klar. Wobei Justiz wieder so ein Punkt ist, wo ich eher nicht dran gedacht habe und der mich sehr schockiert hat.
Jakob Springfeld warnt auch vor der blauen Welle, die sich auf Westdeutschland zu bewegt und er bringt auch mal wieder einen Lösungsansatz. Nämlich wie wäre es, wenn die Politiker mal ihren Job machen und Politik für den Bürger machen würden?
Ich hatte, als ich gerade das letzte Kapitel gelesen habe, einen Schriftwechsel bei Bluesky und wir kamen unabhängig von Jakob Springfeld, auf den Gedanken, das Thema Migration kotzt uns alle langsam an. Wir haben alle andere Probleme, wie unsere Gesundheit, Wohnung, ÖPNV und einige mehr und das Thema, was eigentlich am unwichtigsten ist, ist Migration. Nicht dass ich sage, die Anschläge der Asylbewerber sind zu rechtfertigen. Nein sind sie nicht! Aber warum bekommt man nie mit, wenn ein deutscher Mann seine Frau und Tochter ersticht und noch einige andere Fälle mehr, wo ein Deutscher jemand anderes ermordet hat und das fast täglich? Es ist meist eher eine Randnotiz in der Zeitung.
Da wird mit zweierlei Maß gemessen, genauso wie Klimaaktivisten als kriminelle Organisation behandelt werden sollen, während Rechte immer mehr Gewalt gegen Linke oder anders Denkende verüben und es immer wieder als Jugendsünde abgetan wird.
Ich könnte nun noch stundenlang schreiben, aber man sollte dieses Buch lesen. Unbedingt! Ich finde es sogar noch besser, als „Unter Nazis“. Was mir daran gefällt ist das Persönliche, das Ehrliche, auch mal: He, ich war auch mal ein Arsch. Das finde ich besonders angenehm und authentisch.
Es würde mich freuen, wenn ich ihn noch mal treffen und mit ihm über einiges sprechen dürfte. Er ist jung und hat viel zu sagen und zu schreiben. Also wie wäre es, lasst ihn zu Wort kommen und hört es mit dem Herzen und Verstand. Bildet euch eine Meinung zu dem Thema. Nicht dass wir im Westen irgendwann mal sagen, das habe ich nicht gewusst, dass dies passiert oder passieren könnte.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich noch mal ein Buch von ihm lesen könnte, vielleicht mal nicht über Nazis, sondern ein anderes Thema. Aber auch nur deswegen, weil sich die Nazis verkrümelt haben und wir nicht mehr weinen müssen, über das was um uns herum passiert.
Titel: Der Westen hat keine Ahnung, was im Osten passiert
Autor: Springfeld, Jakob
ISBN: 978-3-86995-152-2
Verlag: Quadriga Verlag
Preis: 14,99 €
Erscheinungsdatum: 31. Januar 2025