[Rezension] Glühfarbe – Thea Mantwill Wie soziale Kälte, digitale Träume und kleine Begegnungen unser Leben verändern können.
Wie soziale Kälte, digitale Träume und kleine Begegnungen unser Leben verändern können.
Klappentext:
Ausgezeichnet mit dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium 2023
Thea Mantwill entführt uns in eine so glaubhafte wie bedrohliche Zukunft. In diesem dystopischen Near-Future-Roman lebt die Protagonistin mit ihrem Partner Buster in einer alten Fabrikhalle, da sie aufgrund fehlender Dokumente keine Wohnung im Wohnpark bekommen. Als Buster schließlich eine Anstellung als Tänzer findet und endlich etwas Geld verdient, sich aber immer weiter von ihr entfernt, flüchtet unsere Heldin aus Langeweile und Frustration ins Metaverse. Als virtuelles Idol gewinnt sie schnell immer mehr Follower:innen, genießt Anerkennung und Privilegien, von denen sie zuvor nie zu träumen gewagt hätte. Doch das so sicher geglaubte Leben mit Buster bekommt immer mehr Risse …
Thea Mantwills kraftvolles Debüt verhandelt Themen wie Armut, Einsamkeit und unseren Wunsch nach Selbstdarstellung in Zeiten von Social Media. ›Glühfarbe‹ ist ein beklemmender Blick in die Zukunft, eine Warnung vor der Privatisierung öffentlicher Räume und Strukturen. In leuchtender Sprache erzählt Mantwill von der Suche nach Selbstständigkeit, vom Umgang mit Verlusten und von der unverhofften Möglichkeit eines Neuanfangs.
Rezension:
Man probiert ja als Buchblogger immer mal wieder neue Verlage aus. Vor ein paar Wochen kontaktierte mich der März Verlag und da fiel mir die Dystopie von Thea Mantwill auf. Denn Dystopien lese ich sehr gerne und sie kommen viel zu kurz bei mir.
Als das Buch ankam, stellte ich fest, das ist schon ein richtig gut gemachtes Buch, auch von der Aufmachung her: schönes Papier, schöner Druck. Wenn nun der Inhalt das hält, was die Aufmachung verspricht, kann es nur gut werden.
Ich wollte erst mal ein wenig reinlesen und schwupp war ich in der Geschichte. Man lernt eine namenlose Protagonistin kennen, die mit ihrem Freund, einem Tänzer, in einem verlassenen Fabrikgebäude lebt. Und zwar nicht nur, weil sie keinen richtigen Job haben, sondern weil sie nicht die richtigen Papiere haben. Keiner will ihnen sagen, welche Papiere sie benötigen und wo man sie erhält.
Ihre Vermieterin zeigt ihnen einen Platz in einem alten Fabrikgebäude. Buster, der Freund unserer Erzählerin, geht jeden Tag auf Arbeitssuche. Er möchte in einer Kompanie tanzen und so sein Geld verdienen. Er bekommt immer mal kleinere Auftritte, aber man weiß es nicht genau. Zumindest bekommt er immer etwas Geld zusammen.
Unsere Erzählerin ist da etwas anders. Sie jongliert mit Worten, zumindest in ihrem Kopf, während sie aufräumt, sich Gedanken um die Gegend macht, besonders um ein Haus, wo immer das Licht brennt und man eine Bibliothek mit einem Sessel und einer brennenden Lampe sieht. Das Haus ist aber nicht bewohnt. Keiner geht da hinein und auch sie traut sich nicht, auch wenn das Haus keine Fenster mehr hat. Es bleibt für sie ein Sehnsuchtsort.
Es wird erzählt, wie sie einkaufen geht und immer mit sehr wenig Geld einkauft. Wie ihr der Ladenbesitzer hilft, indem er ihr auch mal einzelne Nüsse verkauft.
Irgendwann bringt Buster viel Geld nach Hause und das verändert auf einmal alles. Da Buster nicht mehr so früh zu ihr kommt, dafür länger schläft und sie Geld fürs einkaufen hat, so dass sie auch mal in ein Café geht in dem es blauen Tee gibt, welches sie sich sonst nicht leisten kann. Ab da ändert sich alles. Sie postet auf einmal Bilder und Texte in das Metaverse anstatt nur zu beobachten. Sie wird sichtbar und hat dort Erfolg wie manche Influencer heute.
Es ist spannend, diese Veränderung zu lesen, zu erleben wie auf einmal Kleinigkeiten wie Begegnungen ein komplettes Leben verändern können. Wie man auf einmal sichtbarer wird und Erfolg hat. Wobei unsere Erzählerin mit dem Erfolg nicht wirklich umgehen kann.
Ich würde sagen, ich kenne das. Es sind manchmal diese kleinen Begegnungen, die einen langsam aus dem Tal herausholen. Bei mir waren es die Bücher und die Verlage oder die Pressemenschen und Freunde, mit denen ich zusammenarbeite und befreundet bin. Bei Thea Mantwills Buch ist es der Verkäufer, der sie in die „richtige“ Richtung schubst. Wobei sie noch immer ihre eigene Richtung sucht. Sie traut sich noch nicht so ganz selbst.
Aber der Prozess ist in Gang gekommen. Sie hat sich von Buster getrennt und denkt über ihre Zukunft nach. Es sind manchmal Kleinigkeiten, die einen verändern. Es ist vielleicht eine Lesung, ein Theaterbesuch oder ein Gespräch, welches Veränderungen anstößt. Wenn man seinen normalen Alltagstrott mal verlässt, wenn man etwas zu erzählen hat, kann sich viel verändern. Bei mir an der Arbeit bekomme ich oft mit, was ich auch bei der Erzählerin immer wieder gelesen und gefühlt habe: was denken die Leute über mich? Was ist, wenn sie mir ansehen, dass ich nicht so reich bin, wie die Menschen neben mir im Theater oder in der kulturellen Veranstaltung? Im Café wie reagieren da die Menschen auf mich?
Ich wünschte mir, dass Menschen, wie Politiker, mal dieses Buch lesen, damit sie vielleicht mal spüren, welche Sorgen man hat, wenn man auf der anderen Seite steht. Es sind oft die Fragen, was denkt die Person neben mir über mich? Sieht sie es mir an, dass ich so wenig Geld habe? Wie ist es, wenn ich eine Ausbildung anfange? Wie werden die ersten Monate sein, wenn ich mir noch nicht neue Kleidung kaufen kann? Wie ist es, in so einem „In“ Restaurant zu sitzen? Wie reagieren die Menschen da auf mich?
Dies sind Dinge, die die Erzählerin immer wieder umtreibt und dann noch die Frage, was habe ich als Künstlerin eigentlich zu sagen? Es will doch so oder so niemand zuhören. Und mit dem Erfolg im Metaverse kann sie auf einmal nicht umgehen. Die Person im Metaverse ist Rebecca und nicht sie. Sie hat da ja keinen Erfolg.
Ich könnte nun noch lange schreiben. Ich kann nur sagen, diese etwas über 150 Seiten bewegen und berühren einen, da sie zum einen in einer etwas entfernten Zukunft spielen, zum anderen sich aber auch schon im hier und jetzt immer wieder abspielen. Lest einfach dieses Buch! Lasst es auf euch wirken und handelt danach vielleicht etwas besonnener und vielleicht kann man dadurch im Kleinen und im Großen etwas verändern. Ich würde es mir sehr wünschen.
Titel: Glühfarbe
Autor/In: Mantwill, Thea
ISBN: 978-3-7550-0048-8
Verlag: MÄRZ Verlag
Preis: 22,00€
Erscheinungsdatum: 24. März 2025
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Wie soziale Kälte, digitale Träume und kleine Begegnungen unser Leben verändern können.
Thea Mantwills kraftvolles Debüt verhandelt Themen wie Armut, Einsamkeit und unseren Wunsch nach Selbstdarstellung in Zeiten von Social Media. ›Glühfarbe‹ ist ein beklemmender Blick in die Zukunft, eine Warnung vor der Privatisierung öffentlicher Räume und Strukturen. In leuchtender Sprache erzählt Mantwill von der Suche nach Selbstständigkeit, vom Umgang mit Verlusten und von der unverhofften Möglichkeit eines Neuanfangs.
URL: https://literaturlounge.eu/2025/06/rezension-gluehfarbe-thea-mantwill/
Autor: LiteraturLounge
Name: Glühfarbe
Autor: Thea Mantwill
ISBN: 978-3-7550-0048-8
Veröffentlichungsdatum: 2025-03-24
Format: https://schema.org/Hardcover