[Theater] Gloria – Ein Stück über Gerüche, Demenz und die Suche nach Erinnerung im Kleinen Haus Gießen.
Nach dem Großen Haus geht es ins Kleine Haus und heute gab es die Uraufführung von „Gloria“ von der Autorin Hannah Zufall. Das Stück hat es in sich! Es geht um Gerüche. Gloria ist von ihrer Mutter unkonventionell so erzogen worden, dass sie Gerüche bis in die kleinste Nuance erkennen kann. Das ist zum einen Segen, kann aber auch ein Fluch sein.
Tim Kahn machte die Einführung und erklärte das Bühnenbild, wie man ein Labor auf die Bühne zaubert und wie das ganze Bühnenbild auch mit Hilfe der Musik von Jojo Büld unterteilt wurde. Da war ich bei der Einführung ein wenig irritiert. Nicht, dass ich Musik das nicht zutraue, aber das wie, war für mich interessant.
Auch die Lüftungsrohre auf der Bühne wären wichtig, erläuterte Herr Kahn. Manchmal erschließt es sich mir nicht, wenn ich so etwas höre, und ab und an auch nicht direkt, wenn ich es auf der Bühne sehe.
Alles in allem war ich sehr gespannt. Frau Ihrig versprach mir noch einen guten Theaterabend, aber bei dem was mich erwartete, war ich doch etwas skeptisch, denn das mit den Inselbegabungen nimmt mich oft auch ein wenig mit.
Aber manchmal ist es von Vorteil, wenn man sich ein wenig treiben und es auf sich zukommen lässt. Ich war ja auch alleine neugierig, ob Anna Huberta Präg wieder gut rüberkommt, wie z.B. bei „Wölfinnen“, wo sie mich von den Socken gehauen hatte.
Also starte ich mal in den Keller vom Kleinen Haus. Was mir immer wieder auffällt ist, dass manche das Smartphone echt nicht einmal 90 Minuten aus der die Hand nehmen können, auch wenn immer wieder gesagt wird, dass man es auslassen soll.
Der Raum war dunkel bis auf die Sitzplätze und als das Licht auf der Bühne an ging waren schon mehr oder weniger alle auf der Bühne versteckt. Anna Huberta Präg spielt die Mutter von Gloria. Was soll ich dazu sagen? Glorias Mutter ist stark dement und kann niemanden mehr erkennen. Und wer schon mal eine Person mit einer starken Demenz in der Familie hatte, der erkennt dies auf der Bühne wieder.
Diese teilweisen hellen Momente, wo die Person wieder etwas klarer denkt, die sich mit Momente abwechseln, wo andere Personen vielleicht als Tochter oder Sohn erkannt werden. Wie durch ein Wunder kann es dann auch wieder sein, dass die richtige Person als Tochter erkannt wird. Dies ist für alle im Umfeld wie Feiertage.
Dascha Ivanova habe ich schon öfter gesehen, aber in der Rolle der Gloria fand ich sie wirklich bis jetzt am präsentesten auf der Bühne. Wie sie versucht hat mit Duftkompositionen das Gedächtnis der Mutter wieder zu erwecken – einfach stark. Auch wie sie ihre Einsamkeit immer wieder spürt und darstellt. Ich konnte diese Selbstzweifel einfach in den Momenten spüren, wie auch der Gedanke, dass sie, dadurch, dass sie ihrer Mutter das Gedächtnis wieder gegeben hat, deren Tod herbeiführte. Ich konnte diese Selbstzweifel wirklich spüren, die ich selbst in anderer Form auch schon erlebt habe.
Diese Frage, wie man dem Müllmann, den man sehr mag, auf seine Erkrankung aufmerksam machen soll, war für mich wirklich auch sehr stark zu erspüren. Wobei der Müllmann in dem Stück nicht Müllmann genannt wird, sondern Quittenmann, denn Gloria findet in ihm eine starke Note nach Quitten und nicht nach Müll. Jeder der beiden achtet auf anderes, denn der Quittenmann hat keinen Geruchssinn mehr und kann deswegen nicht mehr richtig schmecken, da der Geruchssinn für den Geschmack auch sehr wichtig ist.
Komme ich nun zu Milena, die die Altenpflegerin von Glorias Mutter ist. Sie zeigt eindeutig, wie anstrengend der Job einer Altenpflegerin ist. Es wird in meinen Augen ein wenig zu viel nebenbei getrunken. Wobei das mit dem Rauchen in der Pflege wirklich laufend vorkommt und dieser leichte Geruch von Zigaretten ist oft bemerkbar. Nina Plagens haucht ihr wirklich Leben ein. Was mir wirklich die letzten Male, wo ich sie auf der Bühne gesehen habe, auffällt, sie ist auf der Bühne erwachsener geworden. Ich finde sie ist mittlerweile nicht mehr hektisch auf der Bühne, wie bei den ersten Stücken.
Alles in allem ist es eine runde Geschichte, die auf der Bühne erzählt wird. Gloria hat alles: Drama und Musik, die wirklich eine Art Raumtrenner ist. Zwischendurch wird gelacht und zwar so, dass das Lachen nicht im Halse stecken bleibt. Die Figuren sind glaubwürdig, der Tod von Glorias Mutter ist schwierig und ich dachte, das wird nun schwierig auf der Bühne, denn sie ist schon eine tragende Person, aber dadurch hat es eine ganz andere Dynamik gegeben.
Alleine für die musikalische Einlage ist „Gloria“ wirklich sehens- und hörenswert.
Natürlich kann man immer auch ein Haar in der Suppe finden, aber wenn man ein Stück haben möchte, was Demenz und Inselbegabungen thematisiert, dann kann man wirklich ohne Schwierigkeit in dieses Stück gehen und es genießen.