[Oper] „Der Liebestrank“ im Stadttheater Gießen: Wo Rotwein Wunder wirkt und die Bühne lebendig wird
Endlich wieder Oper und dann auch noch Gaetano Donizetti. Nach „Caterina Cornaro“ nun „L’elisir d’amore“ oder auf Deutsch: „Der Liebestrank“.
Die Einführung machte diesmal Julia van der Horst – eine neue Dramaturgin im Stadttheater Gießen. Sie hat sich erstmal kurz vorgestellt, ist dann ganz schnell zum Stück gekommen und hat die Handlung von „Der Liebestrank“ erzählt.
Der junge Bauer Nemorino verliebt sich in die Gutsbesitzerin Adina und traut sich nicht so richtig. Eine weitere wichtige Rolle hat Dulcamara ein fahrender Händler kleiner Betrüger, der Wasser für Wein verkaufen würde oder in diesem Fall Rotwein als einen Liebestrank verkauft.
Wie es dann weitergeht, erkläre ich glaube ich später in der Rezension noch ein wenig. Sie erzählt etwas über die Geschichte dieser Oper, und dass sie noch immer zu den am meisten aufgeführten Opern weltweit gehört. Sie erklärt noch ein wenig über die Figuren im Stück und wer das Bühnenbild entworfen hat. Und ich sage es mal so, Nathalie Himpel kann gerne wieder ein Bühnenbild und Kostüme entwerfen. Es ist schlicht, aber nicht zu schlicht. Die Kostüme sind einfach passend, weder zu modern, noch zu alt. Ich sage nicht oft was zum Bühnenbild, aber diesmal war das wirklich richtig passend in jedem Akt.
Von Julia van der Horst bin ich auch sehr angetan. Ein wenig langsamer und etwas mehr Betonung in der Stimme und ich kann mir gerne noch die ein oder andere Einführung geben. Für das erste Mal, war das wirklich richtig, richtig gut.
Wobei man vielleicht ein bisschen das Ende der Geschichte weglassen könnte. Es wurde mir etwas zu viel gespoilert. Da muss ich aber auch bei meinen Kritiken oder Rezensionen immer wieder aufpassen. Das ist schnell passiert.
Für die erste Einführung ziehe ich meine nicht vorhandenen Hüte und gerne mehr davon.
Komme ich nun zur Aufführung. Es startet alles in einem beschaulichen kleinen Dorf beim Wäschewaschen am Fluss. Adina, gespielt und gesungen von Julia Araújo, ist ständig am Lesen, selbst wenn sie am Baden oder An, und Ausziehen ist. Es geht in dieser Szene auch um den Liebestrank von Tristan und Isolde. Adina liest, oder besser singt, den anderen die Geschichte aus dem Buch vor.
Dies hört natürlich auch der sehr verliebte Nemorino, gesungen und gespielt von Ferdinand Keller, der ihr mehr oder weniger wie ein Schoßhündchen hinterherläuft. Schon alleine in der Anfangssequenz gibt es immer wieder lustige Situationen, wo man einfach lachen will und es nicht verhindern kann. Denn wie sagte schon Julia van der Horst, es ist eine Komödie. Und ich würde dann einfach sagen, wenn es lustig ist, dann lacht doch auch.
Belcore kommt auch ins Spiel. Er ist ein Hauptmann beim Militär und verliebt sich auch in Adina. Belcore wird von dem Bariton Ilya Lapich gesungen. Er ist der Widersacher, aber auch ein weiterer Verehrer von Adina, mit dem sie Nemorino später eifersüchtig macht und ihn deswegen heiraten will.
Nemorino fällt auf einen fahrenden Händler herein, der mit einem Heißluftballon in dem Dorf ankommt. Dulcamara, der von Clark Ruth gespielt wird, verkauft ihm und anderen einfach Rotwein zu einem stark überteuerten Betrag als Liebestrank. Nemorino nimmt den Liebestrank, hält sich daraufhin für unwiderstehlich und ignoriert Adina. Diese ist nun beleidigt und will deswegen Belcore heiraten.
Plötzlich verlieben sich alle Frauen in Nemorino. Das macht dann Dulcamara stutzig, da er denkt, dass sein Trank wirklich hilft. Ob dies wirklich so ist, oder doch mehr mit einem geschwätzigen Briefträger zu tun hat, sollten sie sich dann unbedingt in Stadttheater anhören und sehen.
Wie soll ich es denn sagen? Das alles macht so verdammt viel Spaß was auf der Bühne passiert. Es passiert so viel, dass man die Übertitel getrost auch mal vergessen kann. Was auf dieser Bühne geschieht ist teilweise so lustig, da gibt es den Briefträger, der immer wieder Kleinigkeiten einstreut und dadurch für Verwirrung sorgt, dazu leicht tollpatschige Soldaten, die auch öfter mal etwas falsch machen. Es sind immer wieder diese Kleinigkeiten, die einen amüsieren. Bei manchen Situationen, da bin ich mir noch nicht mal sicher, ob sie so gewollt waren. Da rutscht Nemorino aus, strauchelt und steht auf einmal wie stutzend da und hat man das Gefühl, dass er sich fragt, was war das den gerade. Es passte irgendwie perfekt in die Situation. Wenn dies gewollt war, muss ich sagen, Ferdinand Keller ist ein noch besserer Schauspieler als Sänger in seinen jungen Jahren. Gut, bei manchen Sequenzen kann ich mir vorstellen, dass es noch etwas kraftvoller und genauer von der Stimme her klappen könnte. Aber ich glaube, das wird schon noch und wir werden noch mehr Freude mit ihm haben.
Genauso wie Julia Araújo, da gab es eine Situation, da musste sie glaube ich stark kämpfen, weil etwas nicht so geklappt hat wie geplant. Sie musste einfach nur noch lachen und das Lachen dann unterdrücken und weitersingen.
Jeder im Publikum lachte aber mit, weil es einfach eine geniale Situation war und es einfach gepasst hat.
Clark Ruth als Dulcamara war einfach bunt und ich hatte so das Gefühl er hat seine Paraderolle gefunden. Man muss Dulcamara einfach lieb haben, auch wenn er andere Menschen zu seinem Vorteil übers Ohr haut. Vom Gesang her und das was er auf die Bühne gezaubert hat, war dies einfach nur gut.
Ilya Lapich würde ich gerne als Bariton das ein oder andere Mal wieder in Gießen auf der Bühne sehen. Auch er ist jung und ausbaufähig und schon jetzt wirklich gut.
Über den Opernchor kann ich nur noch staunen. Mir fällt von Mal zu Mal die Kinnlade etwas weiter herunter. Was für einen Klangkörper diese Sänger und Sängerinnen da auf die Bühne zaubern, dazu noch die Schauspielerischen Leistungen – einfach phänomenal, wobei dies wirklich auf alle zutrifft. Was bei der Premiere für eine Spielfreude herrschte, war schon fast nicht mehr auszuhalten.
Vielleicht ist es ein Lacher, der eventuell ein wenig zu lang geraten ist oder ein Stolpern, wo der Sänger kurz auf der Bühne steht und für eine Sekunde am überlegen ist, gerade das, was diesen Abend so perfekt gemacht hat?
Auf dieser Bühne ist immer etwas passiert, was einen zum Schmunzeln und zum Lachen angeregt hat, dazu eine gesangliche und musikalische Leistung von den Personen auf der Bühne, genauso wie unter der Bühne, sprich dem Orchester, oder hinter der Bühne, es wurde mit einfachen Mitteln großes bewirkt.
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre es: Wagt wieder mehr Komödie, egal ob es nun im Musiktheater ist oder im Schauspiel. Oder noch besser, wagt mehr Gaetano Donizetti. Wie ich gerade gestern gehört habe, hat er zu dem Zeitpunkt als der „Liebestrank“ uraufgeführt wurde schon 35 Opern geschrieben. Da ist also noch das ein oder andere Werk, das noch nicht den Weg nach Gießen gefunden hat. Es war ein wirklich toller Abend, der mit einem Applaus geendet hat, der nach 15 Minuten noch immer nicht komplett verklungen war. Das zeigt doch, liebes Publikum aus Hessen, geht in diese Oper ins kleine aber wunderbare Stadttheater in Gießen.