[Musical] Bühnenbild und Atmosphäre: Die Addams Family zum Greifen nah im Stadttheater Gießen
Das Musical „The Addams Family“ steht auf dem Spielplan der Spielzeit 2025/2026 und Heike und ich, als Fans des teilweise dunklen Humors, konnten nun wirklich nicht daran vorbeigehen. In dem Moment wo wir wussten, dass dieses Musical gegeben wird, waren wir schon im Fieber. Nun ist es ja so, dass wenn man sich auf etwas besonders freut, man oft enttäuscht wird. Wie würde es wohl werden?
Also gingen wir beide zur Premiere des Musicals im Stadttheater Gießen. Was sofort auffällt ist, dass das Große Haus sich richtig herausgeputzt hat. Überall gibt es Spinnweben, Grablichter, Fledermäuse und Spinnen (kleine Triggerwarnung) und was sonst noch so zu dem Thema Addams Family passt. Dies ist genau das, wie man mich immer einfangen kann, wenn man versucht, das Publikum mit allen Sinnen abzuholen, und am Tag nach Halloween ist das auch so was von gelungen!
Leonard Lampert machte die Einführung und am Anfang hat man ihm die Nervosität etwas angemerkt. Der Redefluss stockte etwas, aber dies wurde im Laufe der Einführung immer besser. Man merkte ihm an, dass er seine Geschwindigkeit und seine Tonalität nach den ersten Absätzen gefunden hat. Er hat ein wenig über die die Geschichte der Addams Family erzählt und auch auf welche musikalischen Aspekte man achten sollte. Auch wenn er da vielleicht das ein oder andere Mal etwas gespoilert hat, ist dies egal, denn das, was dann auf der Bühne passiert, ist immer auch anders.
Angefangen hat es mit dem eiskalten Händchen und dem Orchester im Graben und schon da wusste ich, ok es wird ein geiler Abend. Sofort war eine Grundstimmung da, die ich so nicht mehr ablegen konnte.
Schon der Vorhang war besonders. Er erinnerte an diese alten Fenstervorhänge mit Volant in der Mitte und er öffnete sich auch so, dass man den Eindruck hatte, ein Fenster in eine andere Welt zu öffnen. Das Bühnenbild war perfekt. Es spiegelte genau die Stimmung, die ich bei den Comics, Filmen oder Serien immer wieder greifen kann. Und genau das hat das Bühnenbild auf eine ganz besondere Art und Weise eingefangen, auch wenn es in den Keller ging oder auf den Friedhof. Es war einfach immer passend.
Man lernt die Familie Addams sehr schnell kennen und auch die toten Mitglieder der Familie, die laut Fester, gespielt und gesungen von Nils Eric Müller, erst wieder in ihre Gräber dürfen nachdem die Liebe gesiegt hat. Was soll ich sagen? Nils Eric Müller finde ich umwerfend, aber wie er den Fester gibt, dass ist noch mal etwas Besonderes. Alleine wie grazil er in den Plateaustiefeln herumtanzt und geht, ich würde mir sämtliche Knochen brechen, genauso wie Heike es zutiefst bewundert hat.
Gomez, der von Tomi Wendt gespielt wird, ist auch so ein Fall, wobei Tomi Wendt immer wieder in Musicals oder Operetten besonders ins Auge und Ohr sticht. Aber was er als Gomez da abliefert? Das ist der helle Wahnsinn! Es scheint genau seine Rolle zu sein! Bei ihm hatte ich oft das Gefühl, dass er sich gerne ein wenig zurücknimmt, sich nicht so traut, aber bei diesem Musical geht er vollkommen aus sich raus. Es ist nicht alleine seine Stimme bei diesem Stück, sondern auch seine Bühnenpräsenz. Ich nahm ihm diese Figur zu 100% ab. Wenn man Gomez zusammen mit seiner Morticia auf der Bühne ist die Illusion perfekt. Man sieht die Figuren nicht nur, sie haben sich regelrecht auf der Bühne manifestiert. Bei Morticia, die von Anne-Elise Minetti gespielt wird, ist es genauso wie bei Fester, wie sie in diesen Stiefeln laufen, tanzen und sich bewegen kann, ist einfach grandios. Ja man kann jetzt sagen, dass ist doch normal, aber ich sehe oft Frauen in solchen Schuhen und denke, lass es einfach. Natürlich haben wir hier Profis in Gesang, Tanz und Schauspielerei im Stadttheater, von denen man so etwas erwarten darf, aber es ist dennoch beeindruckend.
Und dann dazu diese Stimmen und der Gesang, es ist einfach nur noch „Wow!“ gewesen. Dabei habe ich noch nicht mal über die Tochter Wednesday geredet. Ich hatte immer wieder das Gefühl, dass ich genau diese Person immer in dieser Rolle sehen möchte. Jessica Trocha als Wednesday ist genau die Person, der ich die Rolle abnehme. Sie personifiziert diese innere Zerrissenheit, dass sie sich in Lucas verliebt hat, einen Jungen der aus einer „normalen“ Familie kommt, und diese Angst die Familie vorzustellen und auch noch zu sagen, dass man sich verlobt hat. Lucas, der von Max Koltai gespielt wird, hat genau die gleichen Ängste wie Wednesday, obwohl seine Familie ja doch scheinbar so normal ist, aber ist sie das wirklich? Beide Schauspieler bringen diese beiden Figuren wirklich gut rüber.
Ich habe im Übrigen die ganze Zeit Dascha Ivanova gesucht, ich konnte nicht glauben, dass sie die Grandma ist, aber ich habe fast nichts von ihr wiedererkannt. Das meine ich nun wirklich nicht böse, ganz im Gegenteil. Es war herausragend, was die Maskenbildner da geleistet haben. Eine echte Meisterleistung. Zelal Kapçık, die Pugsley darstellte, war auch so eine besondere Figur. Wie kann man eigentlich die Augenbrauen so lange so hochziehen? Entweder ist es perfekte Beherrschung der Gesichtsmuskulatur oder eben perfekte Maskenbildner. Etwas Anderes kann ich mir nicht vorstellen.
Und dann ist da dieser Kontrast, zu Mal, der von Ben Jansen gespielt wird, und Alice, die von Elisabeth Wrede gegeben wird. Die beiden sind der Inbegriff der Spießigkeit. Sie verkörpern das absolute Gegenteil der Addams Family. Es ist wirklich grandios, wie die beiden da zusammen mit ihrem Sohn Lucas das Salz in der Suppe sind. Die Interaktion dieser beiden scheinbar so unterschiedlichen Familien ist einfach grandios. Alle Figuren auf der Bühne haben das besondere etwas.
Das bringt mich direkt zu Lurch. Ich habe mich immer wieder gefragt, wer den Lurch den spielt. Pascal Thomas stand für mich da nicht zur Diskussion, so breit wie Gesicht und Körper der Figur sind. Das konnte er doch nicht sein, oder? Und diese Bewegungen! Wenn man sich langsam bewegt ist es ja oft so ein schlurfen, dies war es aber nicht. Er sprang sogar langsam. Auch die Lautmalerei, wenn er etwas gesagt hat. Pascal Thomas zeigte eine perfekte Muskelbeherrschung. Er hat mit seiner Darstellung dieser sonst eher weniger beachteten Figur etwas Besonderes geschaffen. Ich liebe den Lurch, was Anderes kann ich da nicht sagen.
Das ist genauso wie der Opernchor. Was dieser Chor da immer wieder leistet ist nicht in Worte zu fassen. Für mich das Theatererlebnis des Jahres. Der Chor als die toten Mitglieder der Addams Family war auch optisch beeindruckend. An dieser Stelle nochmal ein ganz großes Lob an die Maskenbildner, die Kostümwerkstatt, die Bühnenbildner und alle anderen im Hintergrund. Sie alle haben großes geleistet und den Zuschauer direkt in die Addams Family hineingezogen. Man war drin, nicht nur dabei. Auch unser Orchester hat wieder eine hervorragende Leistung gezeigt und die Atmosphäre perfekt unterstrichen.
Ich kann nicht anders, da ich auch ein wenig von dem Kelch der Addams Family genippt habe und die Wahrheit schreiben muss, was bei der Familie nur das Spiel genannt wird. Ich wünsche mir, dass jede Vorstellung ausverkauft ist. Das Publikum im Stadttheater stand fast komplett und forderte auch die Schauspieler immer wieder auf, sich zu zeigen, teilweise mit der Melodie, die wir alle kennen.
Ich ziehe nun mal den Vergleich meiner guten Freundin Heike heran, da mir die Vergleiche im Musicalbereich fehlen. Sie hat diesen Abend auf einer Höhe mit dem „Tanz der Vampire“ gestellt. Für sie war es genau so ein Erlebnis. Es ist einfach so, dass jeder auf der Bühne, bei Musikern, Dramaturgen, Regie etc. einen tollen Job gemacht haben.
Danke, dass sich das Ensemble des Stadttheaters immer wieder zu steigern weiß und ich weiß wirklich nicht, wo das noch hinführen soll.












