[Interview] mit Ken Follett zum 30. Geburtstag seines Weltbestsellers „Die Säulen der Erde“
„Die Säulen der Erde“ – ein Weltbestseller feiert einen ganz besonderen Geburtstag. Hätten Sie sich jemals träumen lassen, dass Ihr erster historischer Roman über das Mittelalter solch eine Karriere haben würde?
Ja, ich habe mir das in der Tat so vorstellen können. Allerdings hat niemand sonst daran geglaubt, als das Buch seinerzeit veröffentlicht wurde. Die Resonanz war bescheiden. In der „New York Times“ erschien eine fürchterliche Besprechung. Zu Beginn unterschieden sich die Verkaufszahlen nicht wesentlich von denen meiner vorherigen Bücher. Aber dann starteten die Verkäufe plötzlich durch. Die ersten Leserstimmen tauchten auf, die erklärten: „Das ist das beste Buch, das ich jemals gelesen habe!“, was definitiv bei keinem meiner früheren Bücher passiert ist. Und so langsam begann ich zu realisieren, dass ich da etwas ganz Besonderes geschrieben hatte.
In „Die Säulen der Erde“ führen Sie uns zum ersten Mal in den von Ihnen erfundenen Ort Kingsbridge. Mittlerweile haben sie zwei weitere Kingsbridge-Romane geschrieben, die auch beide Weltbestseller wurden. Wenn Sie vor mehr als 30 Jahren gewusst hätten, dass Sie so viel Zeit in Kingsbridge verbringen würden, hätte Sie in ihrer imaginären Stadtplanung etwas anders gemacht?
Ja, auf alle Fälle hätte ich mir einen aufregenderen Namen als „Kingsbridge“ einfallen lassen. Aber ich kann mich nicht beschweren. Mein Bild meiner erfundenen Stadt ist über die Jahre organisch gewachsen, ein bisschen hier, ein wenig da, ganz wie ein richtiger Ort.
Wenn Sie eine Zeitreise machen dürften, mit welcher Ihrer Hauptfiguren würden Sie gerne zu Abend essen?
Aliena. Und sehr wahrscheinlich würde ich sie fragen, ob sie meine Frau werden möchte.
Und wem würden Sie auf gar keinen Fall begegnen wollen?
William Hamleigh. Würde ich ihm auf meiner Zeitreise jemals begegnen, wäre ich mehr als froh, wenn ich eine Pistole bei mir hätte.
„Die Säulen der Erde“ hat rund um den Globus viele Menschen in den unterschiedlichsten Weisen inspiriert, es wurde eine TV-Serie gedreht, Spiele wurden entwickelt, ein Musical komponiert, Eltern haben ihre Kinder nach Ihren Charakteren benannt, in Quiz-Shows werden Fragen zu Ihrem Buch gestellt. Was war für Sie am erstaunlichsten in der Geschichte der Wahrnehmung des Buches?
Mehrere Leser haben mir erzählt, dass das Buch ihnen dabei geholfen hat, eine schwierige oder tragische Zeit zu überstehen, eine Krankheit, einen Trauerfall oder andere Sorgen. Das hätte ich mir nie vorstellen können, aber es macht mich sehr glücklich.
Bastei Lübbe veröffentlicht eine Jubiläumsausgabe von „Die Säulen der Erde“ mit mehr als 100 Illustrationen von Markus Weber. Wie gefällt Ihnen die Idee, Ihr Buch zu illustrieren?
Im Mittelalter waren alle Bücher illustriert. Bevor der Druck erfunden wurde, war jeder Großbuchstabe ein Miniaturbild. Bunte Blätter, Vögel, andere Tieren sowie dramatische Szenen aus der Bibel zierten die Seiten. Bilder von Heiligen und Engeln wechselten sich mit Abbildungen von seltsamen Monstern ab, Menschen mit Schwänzen, zweibeinige Pferde, Köpfe mit zwei Gesichtern und andere, die so seltsam sind, dass man sie unmöglich beschreiben kann. Manchmal bestätigen die Illustrationen in einem Buch die Welt, wie sie beim Lesen in unseren Köpfen entstanden ist: Gesichter, Häuser, Fahrzeuge, Straßen. Oft bieten sie jedoch ein ganz anderes Bild als das in unserer Imagination. Dann können wir wählen, welches Bild wir bevorzugen, das der Illustration oder das in unserem Kopf. Aber in den meisten Fällen bereichern Illustrationen das, was uns die Worte geben.
Mir gefällt die neue illustrierte Ausgabe von „Die Säulen der Erde“ ausnehmend gut.
In diesem Jahr haben Sie für Ihr Schaffen einige wohlverdiente hohe Auszeichnungen erhalten, Sie wurden „Fellow of the Royal Society of Literature (FRSL)“, bekamen die Ehrendoktorwürde der University of Hertfordshire angetragen und wurden von Prinz Charles persönlich für Ihre Verdienste um die Literatur und Wohltätigkeit als „Commander of the Most Excellent Order of the British Empire (CBE)“ geehrt. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?
Ich war sehr erfreut und es hat mich mit Stolz erfüllt, dass ich diese Auszeichnungen für etwas erhalten habe, was ich so sehr liebe: Bücher und Geschichten so unterhaltsam und zugänglich wie möglich zu machen. Lesen ist ein immens wichtiger Bestandteil meines Lebens und ich bin sehr froh, wenn ich dazu beitragen kann, dass andere Menschen eine ebenso große Freude am Lesen empfinden wie ich.
Ihre Fans weltweit sind neugierig: Werden wir bald weitere Bücher über Kingsbridge lesen dürfen?
Ich habe gerade den ersten Entwurf eines neuen Romans fertig gestellt. Es ist eine Art Vorgeschichte zu „Die Säulen der Erde“, spielt hauptsächlich um die erste Jahrtausendwende herum in Kingsbridge, das damals allerdings noch keine Stadt war, noch nicht einmal ein Dorf, sondern eine Siedlung der Angelsachsen, die von Wikingern bedroht wird. Mehr wird allerdings im Moment noch nicht verraten!
(c) Bastei Lübbe