Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur

[Rezension] Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur – Andrea Wulf, gelesen von Christian Baumann

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Klappentext:

Die große Biografie eines Universalgenies

Andrea Wulf vergegenwärtigt das pralle Leben des Universalgenies Alexander von Humboldt und zeigt ihn als interdisziplinären Forscher sui generis. Natur wird bei Humboldt quasi neu erfunden: in ihrer ganzen Fülle als Lebensnetz, als moderne Ausgestaltung der wirkmächtigen Idee von der „great chain of being“. Wulf macht deutlich, worin Humboldt seiner Zeit weit voraus war und unverändert wichtig bleibt: so sah er bereits um 1800 den von Menschen verursachten Klimawandel kommen und gab entscheidende Anstöße zur Theorie der Evolution.

Rezension:

Eine Biografie – diesmal nicht vom Betroffenen geschrieben und gelesen, da er ja schon vor über 150 Jahren starb. Nichts desto trotz ist Alexander von Humboldt einer der großen Forscher der Welt, der mehr Spuren hinterlassen hat, als man denken möchte.

Vorab ein paar Worte zur Autorin. Der Vermerk „aus dem Englischen übertragen“ hat mich leicht verwirrt – der Name klang doch so deutsch. Geboren in Indien, aufgewachsen in Deutschland, an der Uni Lüneburg Kulturwissenschaften studiert und dann einen Master in Designgeschichte in London gemacht, wo sie jetzt auch  lebt. Das klingt nicht nur mulit-kulti sondern auch von den Fachbereichen her bunt. Für mich haben sich da gewisse kleine Parallelen zu Humboldt gezeigt. Ein Fachgebiet war ihm auch zu wenig.

Alexander von Humboldt lebte in einer Zeit voller Umbrüche und Veränderungen (1769 – 1859). Als zwanzigjähriger erlebte er die Französische Revolution von der Euphorie der neuen Gedanken über die Schreckensherrschaft bis hin zur Diktatur von Napoleon. Frankreich war damals das Zentrum von Wissenschaft und Kultur und richtig wohl fühlte sich Humboldt nur in Paris – wenn er schon nicht auf Forschungsreisen sein konnte.

Seine Forschungsreisen sind das, was den meisten Menschen einfällt, wenn sein Name genannt wird. Aber das war längst nicht alles. Er war ein facettenreicher Mensch, den sowohl die Botanik als auch die Geographie und Geologie faszinierten ihn. Obwohl er aus einer wohlhabenden Familie stammte, wurde ihm nicht alles vor die Füße gelegt. Er musste sich doch vieles erarbeiten. Schön war es auch zu hören, dass sogar ein so berühmter Forscher kein Vorzeigeschüler war und sich nicht immer mit dem beschäftigte was er sollte. Statt griechische Grammatik zu büffeln sammelte er lieber Steine und Käfer. Die Studienzeit war durch die Epoche der Aufklärung geprägt. Es wurde zwischen Natur und Geisteswissenschaften zunehmend getrennt und auch innerhalb dieser beiden Richtungen wurde immer mehr differenziert. Humboldt ging jedoch andere Wege. Er sah alles immer als Ganzes, dessen Einzelteile sich gegenseitig brauchen. Es gehört alles zu einem großen Netz. Diese Haltung entwickelte er immer weiter.

Der Weg bis zu seiner ersten Reise nach Südamerika war lang. Alexander von Humboldt studierte auf Wunsch der Mutter Staatswirtschaftslehre. Dann zog er das dreijährige Studium an der Bergakademie Freiberg in nur acht Monaten durch. Er verbesserte die Grubenlampen der Bergleute. Neben dieser sehr praktischen Tätigkeit experimentiert er allerdings auch mit Galvanismus. Einfach ausgedrückt – er versetzte sich selbst elektrische Schläge und dokumentierte die Auswirkungen. Klingt heute fast ein bisschen irre. Vor dem Hintergrund der Epochen von Empfindsamkeit, Sturm und Drang sowie den Anfängen der Romantik ist es allerdings ganz logisch. Die Entdeckung der Elektrizität faszinierte viele und ohne solche Experimente wäre Mary Shelly’s Frankenstein nie zu Leben erweckt worden. Ob er mit der Dame Kontakt hatte, weiß ich nicht. Sie wurde nicht erwähnt, aber Lord Byron hat Humboldts Bücher verschlungen, genauso wie Goethe, der eine enge Freundschaft zu Humboldt pflegte.

Bis Humboldt seine erste Reise nach Südamerika antrat wurde er schon 30 Jahre alt. Für damalige Verhältnisse schon relativ spät. Nach einigen Fehlschlägen erhielt er von der spanischen Krone einen Reisepass für die Kolonien in Südamerika. Natürlich nicht ohne Auftrag. Er soll Informationen zu den Silberminen besorgen.

In Südamerika angekommen erweist er sich als eigensinnig und bewegt sich auch außerhalb der vorgegebenen Routen. Seine Forschung im Bereich von Amazonas und Orinoco waren die Grundlage für viele weitere Forscher. Neben seinen Naturberichten befasst er sich auch mit der wirtschaftlichen und sozialen Situation der spanischen Kolonie. Ich finde es beachtlich, dass Humboldt schon damals die Sklaverei angeprangert hat. Er war eben auch ein Kind der französischen Revolution. Für ihn waren alle Menschen gleich – egal welcher Hautfarbe. Damit war er seiner Zeit voraus.

Auch im Bezug auf die Natur war er seiner Zeit weit voraus. Die aufkommenden Wissenschaften diskutierten über die Entstehung des Lebens und der Arten, die Entstehung der Erde allgemein. Die Schöpfungstheorie hatte noch viele Verfechter. Die spanische Inquisition existierte noch bis ins 19. Jahrhundert. Es war also noch gar nicht so lange her, dass ein Gelehrter ausgesprochen vorsichtig sein musste, wenn er die Schöpfungslehre in Frage stellte. Humboldt interessierte sich sehr für die Ideen der Vulkanisten und sammelte empirische Nachweise für die These, dass die Vulkane miteinander über große Distanz verbunden sind. Heute wissen wir, dass dies so ist und die Erde einen Magmakern hat. Er verglich auch als erster Klimazonen auf verschiedenen Kontinenten und bemerkte, dass sie nicht einfach auf dem gleichen Breitengrad liegen, sondern von Luft- und Meeresströmungen beeinflusst werden. Weil sich Vegetation auf verschiedenen Kontinenten ähnelte, vermutete er eine Verbindung vor langer Zeit. Heute wissen wir, dass sich die Kontinentalplatten bewegen und einst zusammen hingen. Er hat auch bereits auf den Zusammenhang von Wald und Klima hingewiesen, eindrücklich davor gewarnt Wälder abzuholzen und eine Erhaltung angemahnt. Warum hat es eigentlich bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts gedauert, bis wieder davon gesprochen wurde? Ach ja, der Mensch musste sich ja rund um den Planeten ausgiebig bekriegen. Dann stand wieder nur der Profit im Vordergrund und die Nachhaltigkeit kommt uns eigentlich auch jetzt erst wieder richtig ins Bewusstsein. Schade, wie kurzsichtig der Homo Sapiens ist.

Während ich bei der ersten CD kaum ausschalten konnte, zog sich die zweite etwas in die Länge. Hier ging es hauptsächlich um den Einfluss, den Humboldt auf andere Menschen hatte. Charles Darwin fand ich hochinteressant. Es ist sehr deutlich wie stark der Einfluss von Humboldt war. Andere Persönlichkeiten sprachen mich nicht so stark an – wahrscheinlich, weil mir die Namen nichts sagten. Dennoch ist es faszinierend, zu hören, dass es vielleicht ohne Humboldt einige der größten Nationalparks nicht geben würde. John Muir war stark von Humboldts Werken beeindruckt und liebte die Mammutbäume des Yosemite Valley. Er wiederum drängte die amerikanische Regierung zum Schutz dieses Gebiets. 1864 wurde das Gebiet unter Naturschutz gestellt.

Alexander von Humboldt war ein faszinierender Universalgelehrter. Er war einfach zu neugierig, um sich nur einer Wissenschaft zu widmen. Diese breite Allgemeinbildung ist etwas, von dem sich heute nicht nur Wissenschaftler eine Scheibe abschneiden könnten, sondern jeder von uns. Einfach mal über den Tellerrand schauen, und mit Neugier sehen, was es da zu entdecken gibt.

Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur

Titel: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur

Autorin: Wulf, Andrea
Sprecher/in: Baumann, Christian
Laufzeit: 938 min.
ISBN: 978-3-8445-2375-1
Verlag: Hörbuch Verlag
Preis: 10,95 €
Erscheinungsdatum: 7. November 2016

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