[Rezension] Verlorene Engel – Frank Goldammer
Inhalt:
Wie ein Schatten in der Nacht
An dunklen Herbstabenden 1956 werden in Dresden wiederholt Frauen brutal vergewaltigt. Als auch noch eine tote Frau an der Elbe gefunden wird, werden in der verunsicherten Bevölkerung die Rufe nach Selbstjustiz laut. Kommissar Max Heller und sein Team ermitteln unter Hochdruck. Mithilfe eines weiblichen Lockvogels gelingt es ihnen, einen Verdächtigen festzunehmen. Der von Narben entstellte Mann gesteht zwar die Vergewaltigungen, leugnet aber den Mord. Sind vielleicht doch die von allen gefürchteten, desertierten russischen Soldaten die Täter? Die Lage eskaliert, als Hellers Familie in den Fall hineingezogen wird.
Rezension:
Endlich mal wieder Max Heller! Ich habe gerade festgestellt, dass dies schon der sechste Band der Reihe ist und immer passiert etwas Historisches im Hintergrund also da ist die Bombennacht von Dresden, der Juni 1953 und nun ist es der ungarische Volksaufstand, der im Laufe der Geschichte immer wieder leicht zu spüren ist.
Da sind die Probleme der russischen Armee und man merkt, wie arm auch die Soldaten der Sowjetunion teilweise waren. Es wird zum Beispiel im Nebensatz erwähnt, dass manche sagen, dass das Gefängnis besser sei, als eine sowjetische Kaserne.
Der Kriminalfall dreht sich diesmal um Frauen, die vergewaltigt werden oder wie es damals hieß – Notzucht. Viele Frauen verschwinden auch. Ein anderer Handlungsstrang betrifft Anni, die Adoptivtochter der Hellers, die entdeckt, dass sie nicht die leibliche Tochter ist. Alleine wie Frank Goldammer dies beschreibt, ist schon das Lesen des Buches wert.
Man merkt, wie sich auch langsam die Stimmung in Dresden ändert, und dass Geheimnisse keine wirklichen Geheimnisse sind, denn Max Heller kommt nachhause, da hat seine Frau schon erfahren, was passiert ist.
Immer wieder gibt es neue Verdächtige. Da ist zum einen ein „Krüppel“, besser gesagt ein Mann, der lauter Verbrennungen hat, aber er nennt sich selbst immer wieder „der Krüppel“. Ein weiterer Verdächtiger ist ein Mann, der aus dem Westen kommt und der von der Stasi beobachtet wurde.
Teilweise ist es erschreckend und faszinierend zugleich, dass die Stasi besser ausgerüstet ist wie die Kripo. Es ist für mich ein gut konstruierter Krimi mit vielen Wendungen und einer wirklich toughen Frau, die Polizistin werden will. Die Abtreibung wird immer wieder thematisiert und wie gefährlich dies für die Frauen war. Und nein, da rede ich nicht von den Engelmachern, sondern von Ärzten die es eigentlich können.
Die Selbstzweifel von Heller sind spannend zu lesen und zu erleben. Man merkt auch immer mehr, er ist nicht so perfekt wie er am Anfang erschien. Da sind die Probleme mit der Grünen Grenze, da sind die teilweise doch sehr schnellen Veränderungen der DDR zu erspüren und diese Mischung wird immer besser und ausgewogener. Frank Goldammer versteht es, Dinge anzusprechen und nicht zu lange zu thematisieren, so dass es nicht überladen erscheint.
So ganz nebenbei lernt man immer wieder, die DDR etwas besser zu verstehen. Man bekommt dieses Gefühl vermittelt und ja, man versteht dadurch auch die heutigen Probleme noch etwas besser, denn ich habe das Gefühl, dieses Regime hat mehr Schaden angerichtet, als ich am Anfang dachte. Mit Anfang meine ich nach dem 9.11.1989. Die Schäden an Straßen oder Gebäuden sind wie so oft nur das Oberflächliche. Nein, ich meine nun nicht Sprache oder so, sondern diese Probleme, wenn man immer das Gefühl hat, man ist nicht frei. Ich habe den Eindruck, dass dieses Problem des laufend ausgespäht Werdens sich irgendwie immer weiter überträgt. Es ist tief verankert und man spürt es immer mehr in den Büchern von Frank Goldammer, mit so kleinen Aussagen, wie wenn jemand verschwindet, man könne nicht verloren gehen in diesem Land.
Für mich ist es eine der intelligentesten und gefühlvollsten Krimireihen, die in Deutschland spielen. Wenn ihr noch nicht angefangen habt diese Reihe zu lesen, und euch interessiert ein wenig die Geschichte der DDR oder der Sowjetunion im Besonderen, dann nehmt euch dieser Reihe einfach mal an. Nebenbei wird man beim Rätseln wer war der Täter immer häufiger aufs falsche Gleis gesetzt. Also viel Spaß beim Lesen und Schmökern wünsche ich euch von ganzem Herzen.
Verlag: dtv Verlag
ISBN: 978-3-423-26283-5