Orchester

Leipziger Musikhochschule in Gießen? Ist dies richtig? Ja, denn wie Christian Förnzler in seiner Einführung erklärte, hatten alle Komponisten des Abends ihren Anfang in der Leipziger Musikhochschule. Bei Felix Mendelssohn Bartholdy ist es etwas anders. Er hat nicht seine Wurzeln in Leipzig, sondern er war Gründer der Musikhochschule, damals Conservatorium Leipzig. Seit 1843 kamen somit Menschen aus ganz Europa zum Kompositionsstudium nach Leipzig Diese war außerdem noch die erste Musikhochschule im deutschsprachigen Raum. Von Anfang an durften dort auch Frauen das Studium wahrnehmen.

Dies hatte im weiteren Abend noch seine Wichtigkeit. Erstmal ist lernen mit Christian Förnzler angesagt, der das Podium für die Einführung einweihen durfte. Ja ich muss sagen, es wird alles etwas professioneller. Man versteht Christian Förnzler fast die ganze Zeit hervorragend, aber wenn es viele Menschen werden, die lauschen, ist der Geräuschpegel leider manchmal doch sehr hoch. Aber da kann man nichts dagegen machen, denn wenn man die Lautsprecher noch lauter macht, fallen einem sicherlich die Ohren ab, wenn man darunter steht.

Komme ich wieder zurück zu Felix Mendelssohn Bartholdy. Seine Ouvertüre zu „Ruy Blas“ MWV11 hat er innerhalb von drei Tagen komponiert, da sie ihn wohl an der Ehre gepackt hatten und meinten, dass sie mit der Romanze schon zufrieden wären, es aber schade wäre, dass er es wohl rein zeitlich nicht geschafft habe. Die Zeit war aber nicht Mendelssohns Problem. Er fand einfach das Stück seiner nicht würdig und ich glaube er hätte die Ouvertüre nicht komponiert, wenn es nicht um den Pensionsfonds gegangen wäre, der mit diesem Stück mitfinanziert werden sollte. Sprich, einmal an der Ehre gepackt und an das Wohltätige für den Theaterpensionsfonds erinnert und schon komponiert man inklusive Proben und Abschriften eine Ouvertüre in drei Tagen. Das muss man sich mal vorstellen! Wie gut sie ist, dazu werde ich gleich noch was schreiben.

1859 kam Ethel Smyth zum Studium nach Leipzig. Wenn man es als junge Komponistin in ein Buch von Klaus Mann, nämlich der Symphonie Pathétique, in der es um den Komponisten Peter Iljitsch Tschaikowsky geht, und in der Komponisten wie Brahms, Tschaikowsky, Edvard Grieg vorkommen, geschafft hat und dann auch noch in einer Art und Weise, die auf alle Fälle auffallend ist, dann denke ich, weiß man als geneigter Leser, dass diese Frau wirklich gut ist. Und genau diese Passage hat Herr Förnzler vorgelesen. Da fällt einem dann doch sehr schnell auf, wie eng die Verwebungen zwischen den Kulturbereichen Literatur und Musik doch zum Großteil sind.

Julius Röntgen ist entfernt verwandt mit Conrad Röntgen, aber wirklich nur weit entfernt. Ich hatte vorher noch nie etwas über Julius Röntgen gehört oder gelesen, dabei hat dieser Komponist über 600 Werke geschaffen. Warum fällt er mir dann erst jetzt in die Finger?

Was die vier Komponisten also verbunden hat, war die Musikhochschule in Leipzig. Gut, Edvard Grieg und Mendelssohn Bartholdy, die können schon was, sind sehr bekannt, aber was ist mit Ethel Smyth und Julius Röntgen? Das war die Frage, die ich mir stellte.

Den Anfang machte bei dem 7. Sinfoniekonzert 2023/2024 Felix Mendelssohn Bartholdy. Er lieferte mit seiner Ouvertüre zu „Ruy Blas“ MWV11 aus dem Jahre 1839 den Einstieg und wenn sie sie noch nicht kennen, dann sollten sie sich diese mal anhören. Wie man dies in drei Tagen komponieren, Abschriften erstellen lassen und dann noch Proben kann, ist kaum vorstellbar. Wann hat der Mann mal geschlafen? Man kommt selbst wenn man einen schlechten Tag hatte in eine Stimmung, die einen nur noch dahinschweben lässt.

Der Applaus nach diesem Stück war außergewöhnlich langanhaltend. Ich kann es verstehen. Dies war schon eine außergewöhnliche Leistung von allen Beteiligten. Egal wo ich hingesehen habe, es gab immer wieder verzückte Gesichter.

Mein Gedanke war, dass beim Applaus die Messlatte nun aber verdammt hoch gelegt wurde. Nun kam ja eine mir unbekannte Komponistin, Ethel Smyth, und auch noch ein Konzert mit einem Duett mit Violine und Horn, wie wird das? Mein Gedanke war, wenn ich ehrlich bin, das wird anstrengend. Die Violine wurde von Sarah Christian gespielt. Sie ist 1. Konzertmeisterin der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Sie spielte zusammen mit unserem Solohornisten Martin Gericks. Was diese beiden da mit dem Philharmonischen Orchester veranstaltet haben, war beeindruckend. Es fällt mir schwer, es zu beschreiben, wie das Horn teilweise mit der zarten Violine gespielt und gestreichelt hat, wie aggressiv teilweise die Violine war, ohne dass es schräg oder schlecht war, sondern diese beiden so unterschiedlichen Instrumente haben sich ergänzt. Manchmal zusammen mit dem Fagott, aber auch mit der Harfe. Über das Schlagwerk, da werde ich gleich bei Julius Röntgen noch mal was dazu sagen.

Aber zu Sarah Christian, wie geht sie bitteschön mit ihrem Instrument um? Mir tut es manchmal weh, wenn ich Violinen alleine höre, aber von ihr habe ich jeden Takt genossen. Oder es lag an der Komponistin? Aber ganz sicher auch an dem Horn. Ihr merkt es, ich bin vollkommen hin und weg. Ich hätte es gerne noch etwas länger genießen können.

Ich wollte danach auch nicht in die Pause und jeder mit dem ich während der Pause kurz ein paar Worte gewechselt habe, war genauso angetan wie ich. Man wollte mehr von dieser Komponistin.

Also langsam runterkommen und auf in den zweiten Teil des Konzertes. Es startete mit Edvard Grieg und seiner Konzertouvertüre „Im Herbst“ op. 11. Und ja, so klingt der Herbst, wenn es langsam sommerlich warm ist im Stadttheater. Es war teilweise sehr stürmisch. Ich habe mal wieder etwas in einer Reihe hinter mir aufgeschnappt beim Applaus und das war der Satz: „Das ist ein richtiger Ohrwurm“ und ja dies war und ist ein Ohrwurm, den ich auch in den ersten Minuten nach dem die Ouvertüre fertig war, noch im Ohr hatte.

Dann kam Julius Röntgen mit der Sinfonietta humoristica. Man bekommt da umgehend gute Laune. Ich war sofort drin und ich konnte mich nicht satt hören, an den Instrumenten, die da vor mir standen. Ich hatte an jedem einzelnen Musiker Spaß und einfach nur noch gute Laune – und habe sie noch immer. Vor allem hat mir diesmal das Schlagwerk imponiert, da war das Xylophon, die Pauke, und auch die Triangel. Es gibt so manche Stücke, wo dieses leise Pling von der Triangel einfach diesen ganzen Klangkörper rund macht. Dazu die Pauken, die mal laut mal leise gespielt wurden. Mir ist aufgefallen, dass die Musiker immer mal die Position oder das Instrument gewechselt haben, so das ich glaube, jeder seine Stärken einbringen konnte.

Ich lasse diesen Abend Revue passieren und ich habe Gänsehaut am ganzen Körper. Ich habe heute Abend sehr viele Junge Leute, aber auch ältere, Männer, Frauen, Menschen mit anderen Nationalitäten gesehen und alle waren sie glücklich und da war es vollkommen egal, wie man rumgelaufen ist. Jeder den ich erlebt habe war höflich und zuvorkommend. Der komplette Stress des Tages ist von mir abgefallen. Ich bin einfach glücklich und zufrieden. Mir ist ein Titelblatt einer Zeitung im Theater ins Auge gefallen, da stand sinngemäß, ob das Theater die Gesellschaft abbilden könne?

Mir stellt sich da eher die Frage, muss das Theater die Gesellschaft abbilden? Oder ist es nicht viel schöner, wenn das Theater, die Musik, Oper oder was auch immer darin stattfindet, die Gesellschaft verbindet. Wenn ich mir die Komponisten heute noch mal ansehe, da sind Felix Mendelssohn Bartholdy und Edvard Grieg als die bekannten Komponisten, aber auch Ethel Smyth und Julius Röntgen, die eher weniger gespielt werden. Sie alle haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam, aber ich finde sie sind tolle Komponisten, die man hören sollte, die man nicht vergessen sollte und die man feiern sollte, miteinander und mit anderen. Ich bin der Meinung, wir müssen unsere Gesellschaft nicht nur abbilden, sondern müssen sie verbinden und wenn es ein 7. Sinfoniekonzert ist, welches uns ein gutes Gefühl gibt und ein Miteinander, dann sollten wir es in unseren Alltag mitnehmen. Ich sehe es wie bei der Triangel, ein kleines Pling kann eine große Wirkung haben, im Konzert wie in der Gesellschaft.

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