[Rezension] Ein Tag im Leben von Abed Salama – Nathan Thrall
Klappentext:
Gesamtdarstellung des Nahostkonflikts
Auf einer Straße außerhalb Jerusalems verunglückt ein Schulbus. Der besorgte Vater Abed Salama fährt sofort zur Unfallstelle. Doch die verletzten Kinder wurden bereits in verschiedene Krankenhäuser der Stadt gebracht, zu der Abed mit seinen palästinensischen Papieren keinen Zugang hat. Seine Odyssee auf der Suche nach seinem Sohn ist verwebt mit den Geschichten unterschiedlicher Menschen, deren Wege unerwartet zusammentreffen: Unter ihnen eine Erzieherin und ein Mechaniker, die Kinder aus dem Wrack bergen, und ein israelischer Kommandant sowie ein palästinensischer Beamter, die mit den Folgen des Unfalls konfrontiert werden. In seinem gut recherchierten Werk, das wenige Tage vor dem Anschlag am 7. Oktober 2023 veröffentlicht wurde, geht Nathan Thrall nicht nur auf die komplexe Geschichte der Besetzung ein, vielmehr macht er sichtbar, was oft übersehen wird: das Leben der Menschen in einem zerrütteten Land.
Rezension:
Ich wollte dieses Buch unbedingt lesen, denn ich will versuchen, den Nahostkonflikt zumindest ein wenig zu verstehen. So setzte ich mich also hin und mache mit dem Autor einen Schulausflug einer Vorschule oder eines Kindergartens. Und ich erinnere mich selbst noch an Ausflüge mit dem Kindergarten als ich fünf Jahre alt war. Es war immer wieder lustig und man war aufgeregt und so dies auch für diese Kinder. Es war ein wenig Kuddelmuddel, denn jeder wollte woanders sitzen und ich glaube, wenn es bei uns zwei Busse gegeben hätte, wären da auch einige auf einmal in dem anderen Bus gelandet. Wir sollten nämlich eines nicht vergessen, Kinder sind Kinder und da ist es egal, welche Nationalität man hat.
In dieser Kindergruppe ist auch der Sohn von Abed Salama. Milad ist ein ganz normales Kind. Er ist das Kind von Abeds zweiter Frau Haifa. Abed ist nämlich zweimal verheiratet, also einmal geschieden und nochmal geheiratet, wobei dies nicht so richtig ist, denn Abed wollte sich nicht von seiner ersten Frau scheiden lassen, sondern wollte lieber Haifa noch zusätzlich heiraten. Das ist ein wirklich großes Thema in dem Buch, denn eigentlich wollte er seine erste große Liebe Ghazl heiraten und hat dann doch, aus mir unverständlichen Gründen, Asmahan geheiratet und wurde nicht so richtig glücklich mit ihr. Mir ist schon klar, warum er Ghazl nicht geheiratet hat. Faktisch habe ich dies schon verstanden, aber da muss ich einfach sagen: Abed, ich mag dich sehr, aber in dem Fall ist es für mich schwer, dies nachzuvollziehen.
Verstanden habe ich, warum er sich nicht von Asmahan scheiden lassen wollte und er lieber noch zusätzlich Haifa heiraten wollte. Da geht es dann wieder um die Kultur. Er wollte einfach nicht, dass sie wieder zurück zu ihren Eltern muss, sondern er wollte ihr und den Kindern damit ein freieres Leben ermöglichen. Für mich als Deutscher schwer nachzuvollziehen, aber so ist es halt. Man muss nicht immer alles verstehen und ähnliches gab es bei uns ja auch noch vor gar nicht so langer Zeit, dass Frauen ein weniger selbstbestimmtes Leben führen mussten.
Komme ich nun wieder zu dem eigentlichen Thema, diesen Massenanfall von Verletzten, diesen Unfall mit dem Bus. Es ist erschreckend, wenn ich lese, dass da Rettungswagen und Feuerwehr nicht helfen durften und am Kontrollpunkt erstmal stehen blieben, weil der Bus einfach in einem anderen Gebiet verunglückt ist. Es ist schlimm, dass die Kinder dann mit Privat-PKWs zu den nächsten Krankenhäusern gebracht wurden, die für die Palästinenser erreichbar waren. Da kommt es dann auf die Farbe des Ausweises an, ob er jetzt blau ist oder grün. Dies entscheidet dann über das Leben des Kindes. Es werden einfach Linien gezogen. Da werden Siedlungen ummauert, da wird so etwas zu einer Tragödie in diesem Land. Anstatt dass man zusammenlebt und man sich zumindest kennenlernt, werden überall Mauern und Zäune und Checkpoints hochgezogen.
Und anstatt dass man miteinander redet und arbeitet, werden von oben Vorurteile geschürt. Damit meine ich nicht nur auf israelischer Seite, sondern da gibt es auch solche Strukturen bei den Palästinensern. Ich kam mir teilweise in dem Buch vor wie bei „Das Leben des Brian“ nur das es nicht lustig war, sondern eher erschreckend.
Es ist so vieles, was in dem Buch passiert. Nathan Thrall nimmt einen mit zur Entstehung des Konfliktes. Man erfährt, wie schnell man als Palästinenser im Gefängnis landen kann, und auch wie das Unterdrückungssystem des israelischen Staates funktioniert, aber auch wie zersplittert dadurch die Palästinenser sind.
Genau durch so ein System entstehen solche Tragödien wie diese, die ich lesen durfte. Ich glaube, ich verstehe ein wenig besser, warum es diesen Konflikt gibt und warum dies sich momentan so entlädt. Wobei ich diese Mittel nicht gut heiße. Ich finde Krieg, Gewalt und Unterdrückung anderer ist immer der falsche Weg. Nur noch mal zur Erinnerung, was der Staat Israel macht oder die Hamas, hat wenig mit den Menschen gemein, egal welcher Nationalität man angehört.
Aber ich schweife ab. Für mich war es ein wirklich krasses Buch. Ich saß teilweise da und es lief mir einfach so eine Träne aus den Augen. Ich musste teilweise nach ein paar Seiten das Buch weglegen, da es mich so sehr forderte. Es war der blanke Horror. Aber es ist ein Buch, welches gelesen werden muss, da es dadurch vielleicht mehr Verständnis für solche Konflikte gibt und man dadurch, dass man versucht das zu verstehen, man diesen Konflikt beenden kann. Dies ist zumindest meine Hoffnung, damit die Kinder wie Milad nicht umsonst gestorben sind, und dass sich „Ein Tag im Leben von Abed Salama“ nicht noch mal wiederholen muss. Dies ist mein Wunsch und ich bete, dass dies irgendwann auch wirklich so kommt. Ich verstehe, warum Nathan Thrall für diese Geschichte den Pulitzer-Preis bekommen hat. Auch wenn es ein so forderndes Buch war, wie ich es selten zuvor erlebt habe, danke für dieses Erfahren und Fühlen.
Titel: Ein Tag im Leben von Abed Salama
Autor: Thrall, Nathan
ISBN: 978-3-86532-883-0
Verlag: Pendragon Verlag
Preis: 26,00€
Erscheinungsdatum: 7. August 2024