[Konzert] Telemann, Mozart, Debussy: Ein Konzertabend zwischen Ebb‘ und Fluth in Gießen
Die Spielzeit beginnt für mich ja immer mit dem ersten Sinfoniekonzert und was ist entspannender als ein Abend am Meer mit schöner Musik und dem ein oder anderen Gespräch.
Es ist einfach schön, wieder die „alten“ Gesichter zu sehen, die freundlichen und lachenden Gesichter der Angestellten vom Stadttheater.
Die erste Einführung war diesmal von Herrn Christian Förnzler, der einem Telemann mit seinem Stück „Hamburger Ebb‘ und Fluth“ aus dem Jahre 1723 näherbrachte. Er erklärte, worauf man ein wenig achten sollte und hat dies auch mit Musikbeispielen sehr gut untermauert, und auch mit ein wenig Humor untermalt. Er hat es wirklich gut gemacht, dass er gerade am Anfang auch die Gäste des Stadttheaters mit einbezogen hat.
Danach kam er zur Ouvertüre zu „Idomeneo“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Er thematisierte dabei auch die Entstehung der Oper und deren Thema. Einen fliesenden Übergang sollte es geben zu der Konzertouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt op. 27“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Da war ich wirklich drauf gespannt, denn ich kenne solche Übergänge nur als DJ und wenn sie gut werden sollen, dann muss man diese Übergänge auch immer und immer wieder üben, aber in einem klassischen Konzert? Da war ich wirklich komplett gespannt zumal zwischen „Idomeneo“ aus dem Jahr 1781 und „Meeresstille und glückliche Fahrt op. 27“ aus dem Jahr 1832 doch einige Jahre liegen. Die Frage, die ich mir stellte, war, wie wird es klingen, wird es mir auffallen und wie schafft es das Orchester?
Outi Tarkiainen ist eine finnische Komponistin, die „Midnight Sun Variations“ im Jahr 2019 komponiert hat und dabei auch mit ¼ Tönen arbeitet. Auch wenn Christian Förnzler es einen näher bringt, macht es mir dann doch immer wieder Angst, da mein Gehör mit solchen Tönen nur schwer umgehen kann.
Als letztes Stück, gab es „La Mer“ von Claude Debussy und genau das wollte ich heute hören. Ich wollte es das erste Mal Live im Stadttheater hören und ich konnte es nur schwer abwarten.
Und da bin ich dann beim ersten großen Kritikpunkt heute. Ich weiß, dass Herr Förnzler gerne mal ein wenig „überzieht“ aber, wenn man dann knapp fünf Minuten vor Konzertbeginn mit der Einführung fertig ist, wird es für Menschen, die noch mal auf die Toilette möchten wirklich schwierig. Ein bisschen straffen, weniger Musikbeispiele, etc. wäre da vielleicht vonnöten.
Komme ich nun zum eigentlichen Konzert. Ich liebe es wirklich, wenn ich in das Orchester von Oben hineinschauen kann. Da kann ich mir viel eher ein Bild machen. Es fallen mir immer wieder andere Instrumente auf und die Akustik im Rang ist auch nicht schlechter. Ich war vor nicht langer Zeit bei einem Konzert des Main Barockorchesters Frankfurt und da gab es auch Telemann in einer kleineren Orchestrierung. Das war gut, aber mir persönlich hat da ein wenig das Volumen gefehlt. Und das war diesmal dadurch, dass es mehr Streicher waren für meine Ohren angenehmer. Für mich hatte dies einfach mehr Substanz. Andere Menschen im Konzert hat genau dies gestört. Sie hätten sich lieber weniger Streicher gewünscht, weil es dadurch näher am Original wäre. Scheinbar verliert es für Menschen, die fachlich mehr über die Barockmusik wissen als ich. Musik, und besonders klassische Musik, ist immer ein Kompromiss. Es gibt nur bestimmte Instrumente, die ein Orchester in bestimmter Stückzahl zur Verfügung hat oder auch gar nicht im Orchester führt, aber man möchte dem Publikum mal etwas Anderes anbieten. Also versucht man es auf die Gegebenheiten anzupassen. Was viele einfach immer wieder vergessen ist, dass es je nach Sitzplatz auch anders klingen kann. Es könnte ja auch sein, dass wenn man auf einen oder zwei Streicher verzichtet, die Akustik in dem Theater dazu führt, dass man an manchen Stellen nicht so einen Hörgenuss hat. Aber natürlich kann man darüber sprechen und sollte man auch.
Vom Barock nun in die Klassik zur Ouvertüre der Oper „Idomeneo“ von Mozart, die ca. 5 Minuten lang ist. Sie wurde gefolgt von der romantischen Konzertouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt“ von Felix Mendelssohn Bartholdy mit weiteren vierzehn Minuten. Somit war es zwanzig Minuten Musik. Es war faszinierend wie hier die Komponisten und Epochen miteinander Verschmolzen. Man nennt Felix Mendelssohn Bartholdy wohl nicht umsonst den Mozart des 19. Jahrhunderts. Ich kann normalerweise immer erkennen, wann ein anderes Lied beginnt, auch wenn ich das Stück nicht kenne und wenn der Übergang nahezu perfekt ist. Wenn man über zwanzig Jahre lang als DJ gearbeitet hat, dann achtet man auf jede Kleinigkeit und ja ich weiß, ich bin da nicht gut genug im Klassikbereich ausgebildet. Die beiden Stücke sind für sich genommen schon richtig gut, aber dieser Übergang ist der Hammer. Ich habe tausend Fragen, was diesen Übergang betrifft. Wer kommt auf so eine Idee und wie lange hat man daran gesessen, um dies so perfekt hinzubekommen? Dies sind die Fragen, welche mich am meisten beschäftigen. Das muss man einfach mal gehört und erlebt haben ich ziehe meinen Hut vor diesen Menschen auf der Bühne.
Nach der Pause ging es weiter mit „Midnight Sun Variations“ von Outi Tarkiainen, die das erste Mal in Gießen gespielt wurde. Ich habe die Mitternacht genau vor mir gesehen oder zumindest diese Nacht. Ich habe diese Musik auch passend für das Buch, welches ich gerade lese empfunden. Es wäre genau die Musik für ein Kapitel in dem Buch von Kay Meier gewesen. Da sind wir wieder bei den verschiedenen Empfindungen. Ich fand die Musik und die Musiker großartig und Heike ist mit den Vierteltönen nicht warm geworden. Mir haben die Disharmonien in diesem Fall wirklich zugesagt. Heike war da weniger angetan, aber einig waren wir uns bei der Leistung der Musiker auf der Bühne. Dies ist wirklich sehr schwer zu spielen, und sie haben es trotzdem sehr sauber hinbekommen, sodass die Disharmonien, und dies klingt nun komisch, trotzdem harmonisch waren.
„La Mer“ war der krönende Abschluss des Konzerts. Ich habe genau das, was ich am Meer so liebe und erlebt habe, in diesem Stück gehört. Ich konnte mich einfach treiben lassen auf diesem Meer an Musik, welches mir das Philharmonische Orchester Gießen bereitet hat. Ich konnte die Ruhe spüren, aber auch die Wellen, die mich umgeben haben und spätestens bei dem Schlussteil, war bei mir alles erweckt. Da habe ich mich kurz gefühlt, wie auf dem Segelschiff und um mich rum ist es sehr stürmisch. Claude Debussy hat zusammen mit dem Philharmonische Orchester Gießen in mir mit seiner Musik all die Emotionen, die ich auf einem Segeltörn habe wieder zum Leben erweckt.
Es war eine gelungene Reise durch die Jahrhunderte auf dem Meer mit einer mitternächtlichen Pause im Hier und Jetzt. Jedes Musikstück war besonders und ja, man war sich vielleicht nicht immer einer Meinung, aber auch das Meer klingt für jeden von uns anders. Und genau dies macht solche Abende und das Meer immer wieder so besonders und ich freue mich schon jetzt auf das nächste Konzert. Ich bin sicherlich wieder da und du auch?