Die Brücke von Mostar

[Theater] Intensive Emotionen und starke Darbietungen: ‚Die Brücke von Mostar‘ im Stadttheater Gießen

Uff, geschafft! Heute gab es im Stadttheater Gießen „Die Brücke von Mostar“. Es ist ein Theaterstück, welches den Bosnienkrieg als Grundthema hat, aber dazu später mehr. Erstmal die Einführung in das Stück. Sie wurde diesmal von Lena Meyerhoff gemacht. Ich finde es ok, wenn man mal fragt, ob jeder jemanden versteht. Wenn aber die einzigen Menschen, die sich beschweren, in der ersten Reihe sind, dann kann man es vernachlässigen. Ich war hinten, an der Seite und in der Mitte und es war überall hervorragend zu verstehen. Wenn es nämlich zu laut ist, können einem auch mal die Ohren abfallen.

Ich habe das erste Mal seit langem eine Einführung von Lena Meyerhoff erlebt und fand sie so richtig gut. Ich habe ein paar Minuten nicht richtig mitbekommen, aber dass war mein eigenes Verschulden. Alles was sie über das Stück gesagt hat, die Brücke oder auch das Fußballspiel, welches kurz Thema im Stück ist, genauso wie was das Gerüst auf der Bühne zu bedeuten hat, was man sich dabei gedacht hat, dies alles sowie das Kriegsthema war für mich vollkommen verständlich und gut rübergebracht.

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    Copyright: Christian Schuller

Jetzt geht es aber um das Theaterstück. Es beginnt recht locker. Man lernt die Figuren kennen. Carolin Weber führt erstmal so ein wenig in das Stück ein. Sie erklärt die alte Brücke von Mostar und auch deren Bedeutung innerhalb der Stadt. Sie ist aber auch diejenige, die immer wieder die Gedanken der anderen Personen auf der Bühne, vor allem von Mina, die von Izabella Radić gespielt wird, darstellt. Man lernt auch gleich Leila kennen, die beste Freundin von Mina und Sasha der von Nils Eric Müller gespielt wird. Leila und Mina beobachten Mili, der von Ali Aykar gespielt wird, beim Springen von der Brücke. Man lernt auch gleich die Gefahren kennen, die man bei einem solchen Sprung aus zwanzig Meter Höhe zu bewältigen hat. Da ist der Wind, die Höhe, aber auch die Strömung unter der Wasseroberfläche. Und das mit der Strömung ist wirklich ein Problem, wenn man in fremde Gewässer springt, genauso wie die Wassertiefe. Fehleinschätzungen können schlicht tödlich sein.

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Auf jeden Fall beobachten Leila und Mina Mili bei seinem ersten und nahezu perfekten Sprung. Dass der Sprung am nächsten Tag beim großen Wettkampf schiefging, kennt wohl jeder, der mal vor Frauen zeigen wollte, wie gut er springen kann. Da ist es dann vollkommen egal, ob man nun wie in dem Fall aus zwanzig Metern scheiße springt oder vom 3-Meter-Brett. Wenn man da blöd auf das Wasser aufkommt, kann es sehr schmerzhaft sein. Und je höher der Absprung, umso perfekter muss der Sprung und das Eintauchen sein. Dass Mili dann mehr falsch wie richtig gemacht hat, ist geschenkt.

Er freundet sich trotzdem mit Mina an und somit auch mit Leila und Sasha. Diese Clique ist so normal, wie jede andere Clique auch in Deutschland zu dieser Zeit. Da ist es auch vollkommen egal, welchem Glauben man nun angehört, gefeiert wird trotzdem. Lustig fand ich den einen Satz, dass keiner Alkohol trinkt bei den Moslems, aber jeder besoffen nachhause kommt. Das kenne ich auch aus der Familie. Wir hatten das mal bei einem, der war Zeuge Jehovas, oder Mormonen. Wenn da keiner vom gleichen Glauben in der Nähe war, war das echt immer ein Problem die Leute vom Feiern und Alkohol abzuhalten.

Genauso beim Essen, es ist vollkommen egal. Hauptsache man wird nicht erwischt. Diese Clique, die wir da erleben, hat so ziemlich alles von Moslems über Juden bis hin zum Katholiken und es ist vollkommen egal, weil Hauptsache der Mensch ist ok. Mina und Mili leben sehr schnell zusammen und Leila und Sasha sind glaube ich ständig bei den beiden, bis dann der Krieg anfängt. Da sind es erstmal so kleinere Probleme, die im Alltag auftreten, wie dass die Fabrik schließt, die Post aus London nicht ankommt.

Dann wird es immer drastischer und extremer. Man erlebt die Ängste der vier. Später zieht Leila zu Mina und Mili, da ihre Mutter umkommt und es wird stetig trauriger, wobei da immer wieder Sasha so ein Farbtupfer ist. Da gibt es eine Szene, ich glaube, sie war in der er in Post und es gab einen Streit, wo sie gerade seien, in Bosnien oder Kroatien? Sasha wie er so ist, sagt pragmatisch, wir sind hier in der Post. Genau mein Humor! Dies sind immer wieder die Kleinigkeiten die das Ganze aufheitern. Es gibt dann aber auch immer wieder solche Szenen, wie als Leila ihre Mutter suchen wollte, die einfach dramatisch und unendlich traurig sind. Kurze Zeit später bringt Sasha Leila tot zu Mina und Mili.

Zeit spielt in diesem Stück eine tragende Rolle. Es gibt immer wieder Zeitsprünge, so dass man die schleichende Veränderung wie im Zeitraffer mitbekommt, wie sich der ganze Konflikt immer weiter zuspitzt. Es ist wie bei vielen Kriegen, es gibt eine Vorgeschichte und Eskalationsstufen und man sieht sie oft erst, wenn man mit dem heutigen Wissen auf frühere Ereignisse blickt. Nicht selten fragt man sich dann, ob man es nicht hätte kommen sehen müssen.

Immer wieder gibt es harte Themen, wie Tod, Vergewaltigung, die Abstumpfung gegenüber dem Tod von anderen. Und dann gibt es auch immer wieder Momente, wo alles nicht so schlimm erscheint und kurze Zeit später wurde es nur noch schlimmer.

Ich war live in meinem Kopf dabei, als die Brücke von Mostar gesprengt wurde. Ich habe es live gefühlt. Aber auch die Ängste von Mina, die Angst davor hatte, ihr Kind in dieser Welt zur Welt zu bringen. Diese Gefühle wurden so lebendig auf der Bühne dargestellt, dass es sich fast schon real anfühlte.

Ganz schlimm für mich war es, als sich Sasha Jahre nach dem Krieg selbst umbrachte, da er den Verlust von Leila und das, was er erlebt hat nicht verkraften konnte. Ich hatte so den Gedanken, wie würde es mir gehen, wenn ich die Frau, die ich liebe verloren habe, oder die Mutter oder die Tochter. Wie würde ich mich umbringen?

Warum ich das nun schreibe? Weil die Schauspieler, egal wer auf der Bühne, das alles so intensiv herüberbringen, dass ich es zumindest fühlen konnte. Es ist intensiv und die Frage ist dann, will ich mir dieses Stück geben?

Ich würde sagen, ja, immer wieder! Es ist ein Plädoyer von Igor Memic, dem Autoren des Stücks, gegen den Krieg. Es ist intensiv, kraftvoll und gut. Aber ich habe einige erschöpfte Gesichter gesehen. Auch ich musste den lauten Applaus dafür verwenden, dass ich die Tränen in meinen Augen erstmal trocknen ließ. Ich habe während der zweieinhalb Stunden im Theater alles gemacht, von Lachen, über mitklatschen und auch trauern. Ich habe heute Abend alles erlebt.

Wenn man aus der Nähe von Gießen kommt und damit meine ich auch mal wieder Frankfurt, wie wäre es mal mit einem Abend im Stadttheater Gießen bei der Brücke von Mostar.

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    Copyright: Christian Schuller
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