[Konzert] Letztes Sinfoniekonzert 2024/25 in Gießen: Musik voller Abschied und Aufbruch
So langsam endet die Spielzeit 2024/2025 im Stadttheater Gießen. Die Premieren werden weniger und das letzte Sinfoniekonzert stand auch an. Diesmal hat sich unser Philharmonisches Orchester wieder mit der Philharmonie Südwestfalen zu einem großen Orchester zusammengetan.
Diesmal gab es Wagner und zwar den „Ring ohne Worte. Dies sind prägnante Ausschnitten aus den vier Opern, eigentlich ohne Gesang. Hier wurden noch zwei Teile variiert, in denen uns Grga Peroš, unser Bariton, mit seinem Gesang verzauberte. Aber dazu später mehr.
Mir fällt es schwer, denn wenn eine Spielzeit sich dem Ende nähert gibt es auch Abschiede. Diesmal war der erste der sich verabschiedete auch die Person, die die Einführung machte. Christian Förnzler glänzte bei diesem Sinfoniekonzert mit seiner letzten Einführung in Gießen. Er erzählte erstmal über Igor Strawinsky und sein Stück „Le sacre du printemps“ aus dem Jahr 1913. Ein Stück, welches bei seiner Uraufführung für Tumult gesorgt hatte. Und mit Tumult meine ich auch Tumult, denn es war etwas was man damals so noch nicht gehört und vor allem auch nicht gesehen hatte. Gerade die Darbietung des Ballets Russes schockierte das Publikum im Théâtres des Champs-Élysées. Es war wie so oft, manche liebten es und wieder andere hassten es. Dies zeigte das Premierenpublikum wohl lautstark und machte seinem Unmut auch mit kleineren Ausschreitungen Luft.
Bei dem Stück handelt es sich um Ballettmusik. Es geht unter anderem darum, dass man in vorchristlichen Zeiten Menschen geopfert hat und sich eine junge Frau dann hier zu Tode getanzt hat.
Weiter ging es dann in der Einführung mit Wagner und den Ausschnitten aus dem „Der Ring der Nibelungen“, die uns Christian Förnzler näher brachte. Meine gute Freundin Heike und ich haben danach festgestellt: Das war perfekt! Dies war seine beste Einführung. Ich kann der Staatsoper Hannover nur sagen, sie bekommen einen tollen Dramaturgen und ich glaube einen noch besseren Menschen in ihre Staatsoper.
Ich glaube, ich halte es heute wie Christian Förnzler und beginne mal mit dem zweiten Teil des Konzertes, mit Igor Strawinsky und dem Stück „Le sacre du printemps“. Es fängt schon mit einer fulminanten Einleitung an und bitte was für hohe Töne?! Wie kann man das mit diesem Instrument denn bitte spielen? Es ist einfach immer wieder überwältigend, wenn man hört und sieht, wie die Musiker mit ihren Instrumenten umgehen. Diesmal war es das Fagott, welches mich überrascht hat. Diese Lautstärke, und ich meine diesmal auch wirkliche Lautstärke, aber auch Kraft und Präzision, die diese beiden Orchester vor einem Präsentiert haben, waren einfach umwerfend.
Es gab bei diesem Stück ein paar Passagen, die mir nicht so gut gefallen haben, aber Strawinsky hat mich mit diesem Stück sehr an Filmmusik erinnert. Immer wieder gab es Sequenzen wo ich z.B. dachte, da kommt nun der Weiße Hai oder man könnte viele Sequenzen auch bei einem Horrorfilm als Untermalung nutzen, nur vielleicht ein wenig leiser und es wäre perfekt. Ich konnte mir wirklich auch vorstellen, wie die Tänzer und Tänzerinnen sich dabei zu Tode tanzen, denn diese Musik versprüht unwahrscheinlich viel Energie zumindest, wenn man sie live erlebt. Sicher, es gibt auch Stellen, wo man denkt muss das nun sein? Aber so ist es nun mal in der Kunst. Es wird immer Stellen geben, wo man denkt, ach ja ist das Kunst, oder kann das weg? Aber man sollte es immer erleben und sich erstmal anhören und ansehen und sich seine eigene Meinung bilden. Somit erlebt man auch Strawinsky und denkt sich vielleicht, warum gab es da so einen Tumult oder ich kann es verstehen, warum es einen Tumult gab.
Komme ich nun zum eigentlichen Highlight des Abends: Richard Wagner und den Ausschnitten aus „Der Ring des Nibelungen“. Ich muss ja nun sagen, ich habe mir das alles zweimal gegeben, einmal in Auszügen und Erklärungen beim Previewkonzert am Vortag und beim eigentlichen Konzert in voller Länge und beides hat etwas. Beim Previewkonzert wurde auch mal über die Entstehung des Ringes referiert und auch über die Verwandtschaftsverhältnisse von Siegfried informiert. In dem Moment frage ich mich dann, warum fanden die Nazis denn eigentlich Richard Wagner, und besonders Siegfried, so toll? Also das Familienbild trifft es da wohl eher nicht, wenn die Tanten von Siegfried auch gleichzeitig die Omas sind, wenn Bruder die Schwester liebt. Das ist schon ein wenig schwierig und mir schwirrt noch heute der Kopf von dem was ich Vorgestern gehört habe.
Was ich aber erlebt habe, war von der Musik her genial. Ich saß also 70 Minuten in der Kongresshalle und war geflasht. Ich hätte einfach noch länger sitzen bleiben können. Aber ich war vollkommen überwältigt von dieser Harmonie und der Kraft, die diese beiden Orchester vor mir entfaltet haben. Jeder Musiker war auf den Punkt genau da. Ich habe da schon ein wenig Gänsehaut bekommen. Und mit jedem Musiker meine ich auch die Orchesterpraktikanten, die dort die ganze Spielzeit für wenig Geld Leistung gebracht haben. Es waren auf Seiten des Stadttheaters zwei dabei, die die ganze Spielzeit ihr Bestes gegeben haben. Warum ich dies erwähne? Da sie auch bei der Einführung erwähnt wurden, weil diese von der Wagner Gesellschaft Main finanziell unterstützt wurden und das Praktikum dadurch erst ermöglicht wurde. Ich finde dies so unwahrscheinlich wichtig, auch dass man es mal erwähnt, dass solche Gesellschaften immer wieder bedeutend für unsere Kultur sind, denn ansonsten stirbt diese. Danke also für dieses Engagement!
Jetzt komme ich zu etwas, was mir schwerer fällt, als ich noch am Anfang der Woche dachte – zu dem Solisten der beiden Abende, nämlich Grga Peroš, der als Göttervater Wotan debütierte. Warum es mir schwer fällt? Er verlässt nach neun Jahren unser Theater und geht nach Hannover. Ja, er auch! Nicht nur Christian Förnzler geht dort hin. Dieser Sänger hat sich gestern vor das große Orchester, welches Wagner spielt, gestellt und hat den Göttervater Wotan gesungen. Jeder, der schon mal gesungen hat, weiß, wie schwer es manchmal ist, seine Stimme zu halten, vor allem wenn es hinter einem laut und kraftvoll ist. Ja, es ist sein Job, aber wie präzise er die Töne gehalten hat und wie klar die Worte gesungen wurden, zeigt mir, wie gut er ist. Dass ich, als ich mich nach dem Previewkonzert von ihm verabschieden wollte, auf einmal mit ihm ein Gespräch über Wagner und dem „Herr der Ringe“ und das „Silmarillion“ geführt haben war etwas vollkommen Unerwartetes. Ich habe in seinen Augen ein unbändiges Leuchten gesehen und ich bin mir sicher, dass er sich da schon auf das Sinfoniekonzert am nächsten Tag gefreut hat. Ich habe dieses Feuer in ihm gesehen, als er erzählte, wie er es liebt vor vollem Haus zu singen. Ich glaube, ich habe ein Gefühl bekommen warum er geht. Er will vor vollem Haus singen und dies am liebsten jeden Abend. Auch wenn Gießen echt ordentlich ist, Hannover ist einfach größer. Jeder möchte sich weiterentwickeln. Für mich war es einfach ein Bedürfnis etwas zu machen, was undenkbar war und ist. Ich habe mein Silmarillion genommen und mir von Grga Peroš signieren lassen. Es war mir eine Ehre, sie kennenlernen zu dürfen, und mit ihnen über Musik und Bücher reden zu können.
Noch etwas zu Herrn Schüller. Wie er gestern diese beiden Klangkörper vereint hat war fantastisch. Ich bekomme auch wenn ich nur daran denke Gänsehaut.
Mein Wunsch für die nächste Spielzeit ist, geht ins Theater erfreut euch daran! Sagt es, wenn ihr die Chance habt, auch mal den Menschen vom Theater, dass es euch gefallen hat. Damit meine ich nicht nur die Musiker, Sänger oder Schauspieler. Redet mit allen, geht offen und ehrlich mit diesen Menschen um, aber bitte ohne Beleidigung. Geht einfach mehr ins Theater, oder sonstige kulturelle Veranstaltungen und Konzerte. Applaudiert, lacht und johlt, wenn euch danach ist und lasst euch auf diese Menschen ein, die für das, was sie tun brennen. Dies hört und sieht man bei Menschen in der Kulturszene immer wieder. Lasst euch einfach darauf ein und erweitert euren Horizont. Ich hätte ansonsten sicherlich nicht Igor Strawinsky oder Richard Wagner gehört und erlebt. Ich freue mich jetzt schon auf das 1. Sinfoniekonzert der Spielzeit 2025/2026 vielleicht mit euch, aber sicher mit Musikern, die für ihre Sache total brennen.