Stefanie vor Schulte

[Lesung] Trauerarbeit mit Schlangen im Garten und Stefanie vor Schulte

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Endlich mal wieder eine Lesung, also eine mit einer Autorin, die ich auch kenne. Als wir uns auf der Buchmesse trafen, hatte ich ja Stefanie vor Schulte gesagt, dass ich mir die Lesung mit ihr in Gießen ansehen werde, zumal ich ja auch Mitglied im Literarischen Zentrum in Gießen bin.

Und nun wird es dann auch wirklich schwer für mich. Ihr wisst ja, wenn ich bei einer kulturellen Veranstaltung dabei bin, dann schreibe ich auch gerne darüber. Wenn man den Autor bereits kennt und schätzt ist es nicht immer einfach objektiv zu bleiben, was mir allerdings sehr wichtig ist.

Es ist auch meine erste richtige Lesung seit langem und so war ich dann auch mal wieder nervös. Die Frage, die ich mir stellte war, wird die Lesung mich genauso bewegen wie das Buch oder sogar noch intensiver als das Gespräch mit Stefanie vor Schulte? Dies konnte ich mir nun nicht vorstellen, dass dies noch mal getoppt wird.

Erstmal Business wie immer. Ein Hallo und Gespräche mit den Mitarbeitern und Stefanie vor Schulte. Die Lesung fand im KiZ statt und so war auch mal wieder eine Bilderausstellung mit integriert. Vor allem die „Geburt des Kalbs“ verzauberte mich aber Frau vor Schulte noch viel mehr. Das Bild hing zudem genau neben der Bühne und somit für die meisten Zuschauer im Blickfeld.

Durch die Lesung führte Nicolaus Webler. Er begann mit einem Zitat aus der Zeitung Die Zeit über Günter Grass und da musste ich erstmal ein wenig Luft holen. Die Autorin mit Günter Grass zu vergleichen, ist schon gewagt.

Bitte nicht falsch verstehen, aber ich tu mir immer wieder schwer mit Vergleichen lebender oder verstorbener Autoren untereinander. Dies liegt aber einfach daran, dass ich immer wieder feststelle, dass es da Anleihen gibt, aber jeder Autor hat so seine eigene Art dies zu formulieren und jeder ist auch ein Stück weit durch seine Zeit geprägt, die ihn eigentlich unvergleichbar macht.

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Herr Webler erklärte aber dann seine Gedankengänge und warum er diesen Ausschnitt vorgelesen hat und ich verstand auf einmal diese Gedanken. Es fügte sich so ein Bild und wie ich ja weiß, schreibt und fühlt die Autorin ja auch in Bildern und auf einmal fühlte es sich richtig an. Es lag auch an dem, was die Autorin dazu sagte und es fiel auf, die beiden haben sich nicht abgesprochen, sondern jeder hat so seine Gedanken zu dem Buch und vor allem von dem, was da vorgelesen wurde.

Gut, was die Autorin gelesen hatte, kannte ich ja schon, aber diese Stimme veränderte es. Stefanie vor Schulte hat so eine ganz besondere Stimme, nicht schrill wie bei den meisten anderen Frauen, sondern ruhig und warm.

So bekamen die Bilder in meinem Kopf noch ein paar neue Farbtöne. Da waren auf einmal Nuancen, die ich so vorher beim Lesen nicht erlebt und gefühlt habe. Die Geschichte um die Familie Mohn wird auf einmal noch etwas greifbarer. Die Trauer ist präsent und anwesend, sie wurde wieder greifbarer. Die Autorin schafft es, einen komplett abzuholen und sie spart gelegentlich mal etwas aus dem Text aus, aber es fällt nicht auf. Als Herr Webler erwähnt, dass etwas fehle, was im Buch stand und die Autorin antwortet, das lasse sich so schlecht ohne Tränen oder eine gebrochene Stimme vorlesen, war ich tief beeindruckt.

Immer wieder erklärt Herr Webler, was er über das Geschriebene denkt und nicht immer ist die Autorin damit einverstanden, und da wird es wieder deutlich, jeder von uns erlebt Literatur anders. Mir waren gewisse Dinge einfach präsenter und eindringlicher als anderen und ich habe bestimmte Probleme der Familie anders erlebt und anders eingeordnet, wohl auch deswegen, da ich ja meine Mutter schon sehr früh beerdigt habe. Einige Verhaltensweisen der Familie Mohn habe ich in meiner Familie auch erlebt.

Für manche ist der Beamte Ginster vielleicht eine Art Big Brother, für andere wie mich ist er einfach eine arme Wurst, der vor der Familie Mohn einfach keine Emotionen zugelassen hat und dadurch am Anfang doch sehr blass war. Er hat eher so den Big Brother eines Blockwartes oder Else Kling für mich gehabt.

Und da bin ich wieder bei meiner These, dass Bücher unterschiedliche Emotionen auslösen. Jeder von uns hat seine eigenen Erlebnisse, bei jedem sehen die Figuren anders aus. Jeder von uns empfindet Bilder und Geschichten anders.

Und ich selbst empfinde dieses Buch, auch dank Herrn Webler, nun anders, noch intensiver, aber ein wichtiger Part dabei war dabei die Stimme, die Betonung der Autorin. Sie hat Empfindungen in mir hervorgerufen, die intensiver waren als vorher.

Ich habe ja am Anfang Angst gehabt, ich würde bestimmte Dinge vielleicht verklären, vielleicht könne die Autorin meinen Ansprüchen nicht gerecht werden. Ja, die Thematik ist etwas schwieriger. Es geht um Tod in der Familie, aber es wurde mit einer Wärme in der Stimme dargeboten, mit einer Betonung der Worte, wie ich sie so nicht erwartet hätte. Sie hat mich vollends überzeugt.

Ja, am Anfang war ich mit dem Moderator nicht ganz einer Meinung, aber er hat mir trotzdem einen anderen Blick auf dieses Buch ermöglicht, den ich vorher nicht hatte.

Und da bin ich wieder bei meiner Aufforderung der letzten Wochen und Monate: Geht raus, genießt Kultur, egal in welcher Form, ob nun als Konzert, Party, Sport oder halt Theater und Lesungen! Geht raus und genießt es! Lernt von anderen Menschen, was sie für Empfindungen haben. Tauscht euch aus über das was ihr lest und hört!

Hört euch andere Meinungen in Ruhe an, nehmt sie auf und vielleicht kann sich dann euer Horizont erweitern, wie es bei mir der Fall war. Geht und hört euch Lesungen an. Fragt die Autoren, was sie sich bei diesem oder jenem Satz gedacht haben. Oder genießt einfach die Stimme und die Worte, saugt sie auf und lernt dabei euren Lieblingsautoren oder Autorin einfach besser kennen. Oder betretet ganz neue Pfade, macht einfach und lasst euch treiben. Es kann interessante Ergebnisse haben, so wie ich nun Stefanie vor Schulte noch einmal neu kennengelernt habe.

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