[Konzert] Die Perlenfischer des Stadttheaters haben wieder zugeschlagen!
„Die Perlenfischer“ ist eine Oper von Georges Bizet. Sie wurde konzertant aufgeführt, also nicht szenisch, sondern nur der Gesang und die Musik. Diesmal waren wir auch wieder pünktlich bei der Einführung, welche von Christian Förnzler gemacht wurde. Er erzählte über die Uraufführung im Théâtre-Lyrique genauso wie über die beiden anderen großen Opernhäuser in Paris der Opéra und der Opéra-Comique. Er erläuterte recht schnell und trotzdem ausführlich, die Unterschiede der einzelnen Opernhäuser.
Auch erklärte er, dass dieses Ceylon der Fantasie entsprungen ist, wie so vieles in der damaligen Zeit. Im Verlauf seines Vortrags merkte man recht schnell, dass dieses Ceylon von Georges Bizet mit dem heutigen Sri Lanka wenig gemein hat.
Er erzählt die Geschichte, die wir diesmal ja nicht szenisch dargestellt bekamen. Zurga ist das Oberhaupt der Perlenfischer und muss darauf achten, dass Leila, die neue Tempelpriesterin des Gottes Brahma, ihre Schwüre einhält, also das sie ständig verschleiert ist und sich niemandem nähert.
Gleichzeitig kommt auch sein Jugendfreund Nadir auf die Insel. Die beide hatten sich früher wegen eines Mädchens, welches sie beide geliebt hatten, völlig zerstritten. Sie hatten sich dann beide geschworen, dass sie dieses Mädchen nicht begehren werden und sie an ihrer Freundschaft festhalten wollen.
Nadir merkt am Gesang von Leila aber sehr schnell, dass es sich um seine Jugendliebe handelt. Wie es so ist, macht sich Nadir auf den Weg zu Leila und will sie sehen und ihr seine Liebe gestehen. Es wäre eine langweilige und unglaubwürdige Geschichte, wenn dies nicht rauskommen würde, oder dass die beiden erwischt werden. Dass Zurga dann ein Problem hat, ist vollkommen klar. Zum einen ist er Nadirs bester Freund, zum anderen muss er die Gesetze der Perlenfischer bewahren. Als dann Leila die Bitte äußerte, dass er Nadir verschonen solle, kommt in ihm die Eifersucht hoch. Eifersucht und Männer ist so ein Problem, welches ziemlich viel kaputt machen kann. Wer dieses Gefühl schon mal hatte, weiß wovon ich gerade rede.
Somit hat Leila eigentlich genau das Gegenteil erreicht. Es bleibt dramatisch. Ich könnte nun noch mehr schreiben, was da alles so passiert ist, aber viel wichtiger ist: wie war es eigentlich?
Der Sänger, der Zurga gesungen hat, war der Bariton Bernhard Hansky. Er war schon in Häusern wie der Semperoper in Dresden, in Montreal oder in der Szymanowski-Philharmonie in Krakau zu Gast und nun in Gießen. Ich hatte am Anfang ein wenig Probleme mit ihm, was nicht an seinem Gesang lag, sondern wohl eher daran, dass er neben Michael Ha stand, welcher Nadir gesungen hat und sang. Das Problem in dem Moment war, dass ich einfach die Mimik und den Gesang von Michael Ha sehr schätze, bei ihm kann ich an der Mimik erkennen, was er ungefähr singt, also welche Emotionen es in ihm hervorruft. Dies fiel mir bei Zurga nicht gleich so leicht. Je länger die beiden aber auf der Bühne standen und zusammen sangen, aber auch ein wenig schauspielerten, desto mehr konnte ich auch bei Bernhard Hansky das ganze erkennen oder erahnen, so dass ich auch wenn es konzertant war, trotzdem immer irgendwie wusste, was sie darstellen wollen und was sie sangen, ohne dass ich laufend auf die Übertitel schauen musste.
Komme ich nun zu Annika Gerhards, die Leila gesungen hat, am Anfang immer mit Clarke Ruth als Nourabat. Er ist der Hohepriester, der Leila immer begleitete bis auf den Moment, wo sich Leila und Nadir alleine begegneten. Das war schon sehr schön, die beiden so zu erleben. Es war direkt klar, dies ist wieder so eine Perle der Musik, welche wir hier erleben dürfen.
Dies lag aber hauptsächlich, und dies ist bis jetzt einfach zu kurz gekommen, an Chor und Extrachor. Dieser Gesang, diese Einheit, egal ob nun die Männer oder die Frauen oder gemeinsam, dies war heute Abend das absolute Highlight. Wenn dieser Chor auf der Bühne steht und zusammen singt, dann hat er eine Wucht, die mich wirklich aus den Socken haut, aber wenn nötig, kann dieser Chor einen so kleine Feinheiten erleben lassen. Vor allem diese Aktionen, wenn der Chor hinter der Bühne singt, dann wird es ruhig und man hat das Gefühl er singt ganz weit weg, aber mit einer Klarheit und etwas ganz Feinem, was man so nicht so oft erlebt. Dieses Volumen, welches diese Menschen auf die Bühne zaubern, muss man einfach erleben. Dieser Abend wurde nicht nur auf oder hinter der Bühne bestritten, sondern auch im übrigen Theater. Es war oft so, dass ich erstmal suchen musste, wo singt den gerade jemand und auf einmal war da über einem Clark Ruth, Annika Gerhards oder eben Teile des Chors, so dass es immer wieder ein neues Klangbild gab.
Dazu dieses Orchester, welches vor einem saß und musizierte. Da ist zum einen das Tambourin, welches an manchen Stellen den Rhythmus angegeben hat und eine richtig gute Stimmung rübergebracht hat. Aber es gab eine Stelle, da war ich hin und weg von der Querflöte und der Klarinette. Es war als ob die Querflöte in die Klarinette übergeht oder wenn das Holz den Gesang der Sänger gespiegelt hat.
Heike war noch aufgefallen, wie perfekt die zwei Piccoloflöten zusammen musiziert haben. Sie weiß, dass dies nicht immer so einfach ist und sie war teilweise richtig aufgeregt, als sie diese Stellen erwähnte.
Wie das im Gespräch mit einer Sitznachbarin in der Pause zeigte, hat diese Oper viele Facetten, wo wir uns beide nicht vorstellen konnten, wie man dies szenisch umsetzen könnte, zumindest so, dass es nicht jegliches Budget des Theaters sprengen würde. Was die Mimik der Sänger betrifft, fallen mir die Blicke von Annika Gerhards gerade wieder ein. Sie hat Zurga, also Bernhard Hansky, teilweise so böse angesehen, dass ich dachte, der muss doch nun gleich tot umfallen. Wenn Blicke töten könnten,… Annika Gerhards Blicke könnten es.
Komme ich nun zu meinem Fazit. Da ist dem Stadttheater wieder mal eine Perle ins Netz gegangen. Auch wenn ich am Anfang dachte, warum sollte ich mir eine konzertante Aufführung geben? Es ist wie so oft, man muss es einfach mal erleben, damit man weiß was man da verpassen kann. Es kam diesmal komplett auf die Stimmen an und da war es egal, ob es nun die Solisten waren, oder der Chor. Sie haben mich vollkommen überzeugt und es hat mir gezeigt, dass man nicht jede Oper szenisch erleben muss. Es kann auch bei einer konzertanten Aufführung so viel hängen bleiben, dass ich gerne noch ein weiteres Mal die Aufführung besuchen würde. Ich bin mir sicher, da würden mir noch andere Dinge ins Ohr springen, die mir diesmal nicht aufgefallen sind. Vielleicht fällt dem ein oder anderen da noch etwas anderes auf. Ich würde mich freuen, wenn alle Vorstellungen komplett ausverkauft wären. Also auf, Mal wieder ins Stadttheater Gießen!