Anaconda

[Tanztheater] Soziale Medien im Tanzrausch: „Anaconda“ zwischen Algorithmus und Identität

Heute bin ich etwas nervös beim Schreiben der Kritik, denn es ist ein Genre, welches ich noch nie kritisiert habe. Bei Opern, Konzerten oder Theaterstücken habe ich meine ersten Kritiken in der Schule geschrieben und habe dabei gelernt, worauf ich achten muss, wenn ich etwas technisch kritisiere. Wobei ich ja nie wirklich technisch kritisiere, sondern ich will ja immer neugierig machen auf das Stück. Heute versuche ich mich mal an Tanztheater.

Die Einführung wurde von Caroline Rohmer gemacht. Sie stellte das Stück wirklich sehr gut vor und erklärte, was man vielleicht sieht oder auch nicht und was man sich dabei gedacht hat. Das Stück geht im Endeffekt um die sozialen Medien, wie sie einen einfangen und was sie mit einem machen. Was sie in einem bewirken und wie sie auch süchtig machen.

Wer kennt das nicht? Da sieht man mal kurz bei Instagram, YouTube, Facebook, Twitter (X) hinein und schon ist eine Stunde vorbei. Und genau das thematisierte Caroline Rohmer in der Einführung auch, dass man da immer wieder hängen bleibt und noch einiges andere mehr.

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    Copyright: Lena Bils

Frau Rohmer erzählte wer die Musik komponiert hat und auch die Videoprojektionen gemacht hat. All dies hat mich sehr neugierig gemacht. Auch auf die Choreografie war ich sehr gespannt, wie wird das alles umgesetzt auch tänzerisch.

Fange ich erstmal mit den Videoeinspielern an. Die Anaconda war wirklich sehr gut, auch das stilistische und einfache Haus war sehr angenehm. Ich mag solche Videoeinspieler ohnehin sehr gerne, ob nun mit oder ohne Ton, ist mir relativ egal. Das, was Simon Bauer gemacht hat, ist einfach, aber effektvoll. Es wurde durch die von ihm komponierte Musik, bei der ich mich manchmal ein wenig an Anne Clark erinnerte, bestens ergänzt. Das Düstere aus manchen Sequenzen ihrer Songs wurde noch ein wenig auf die Spitze getrieben. Dazu die E-Gitarre von Julia Araújo, die das ganze immer wieder kurz gestört und unterbrochen hat, fand ich sehr gelungen.

Komme ich nun zu dem tänzerischen Das war schwierig für mich, da ich mich in diesem Theatergenre nicht wirklich auskenne, aber ich kann trotzdem ein paar Dinge beurteilen. Ich habe einiges in dem ersten Teil gesehen und allgemein auf der Bühne, was ich des Öfteren bei YouTube oder auch anderen Sozialplattformen sehe. Dort gibt es immer wieder Änderungen, die einem Anaconda, also der Algorithmus, vorgibt, so dass teilweise alle dann mal das gleiche machen und dass man quasi gleichgeschaltet wird, um dann doch wieder einem neuen Trend hinterherzulaufen, der auf einmal hochgespült wird. Der Algorithmus schlängelt sich wie eine Anaconda durch den Datendschungel und verschlingt den User regelrecht,

Das ist alles nicht das Problem, vieles was da getanzt wurde, kenne ich wie gesagt und das, was die Tänzer und Tänzerinnen da auf die Bühne gebracht haben, war toll anzusehen und in einer eigenen Liga.

Komme ich nun zu einem Punkt, der mich an den sozialen Medien enorm ärgert und stört und dies ist das Thema „Body Shaming“ welches im zweiten Teil zum Thema gemacht wurde. Und genau da hätte ich mir mehr gewünscht. Eine bessere und kraftvollere dagegenstellende Art des Tanzes, und dass es besser dargestellt wird. Ja es gab da bestimmte Stellen, die offensichtlich waren, auch durch die Sprache und Worte die in dem Teil genutzt wurden, aber ich hätte mir eine tiefere intensivere Darstellung der Thematik gewünscht. Auch die Einsamkeit im Netz wurde nur recht oberflächlich angekratzt, denn die ist doch, wenn man nicht der Norm entspricht, immer wieder zu spüren. Es war bis auf manche Stellen sehr schnell und kraftvoll. Dadurch gab es nur wenige intensive Momente, die genug Zeit ließen, um Emotionen zu reflektieren. Dies ist natürlich genau das, was uns in den sozialen Medien begegnet. Es ist schnell, geradezu hektisch und die Fülle der Bilder lässt kaum Zeit, bewusst zu reflektieren.

Wieder wurde es auch mit Julia Araújo durchbrochen, die mit ihrem Gesang dem ganzen etwas Besonderes gegeben hat, etwas was man so nicht erwartet hat. Auch wenn man vielleicht wie ich genau wegen solcher Situationen gekommen ist.

Es gab immer wieder kleine Momente in dem Tanzstück, die mich abgeholt haben. Wo ich dachte, ja es kann doch noch das ein oder andere Thema kommen. Genau das habe ich mir gewünscht von diesem Stück mit dieser Thematik.

Ich vergleiche das nun mal mit einem Buch. Wenn es in einem Buch immer nur von einem Höhepunkt zum nächsten geht, kann ein Buch auch ermüden, auch wenn es so viele Höhepunkte hat. Es muss da auch immer Momente geben, die eine gewisse Tiefe und Ruhe haben. Und genau diese Tiefe und Ruhe war es, die mir bei Anaconda etwas zu kurz kam. Das heißt nicht, dass dieses Stück schlecht ist! Es ist einfach ein Abbild der Plattformen, auf denen wir uns Tag täglich bewegen und diese sind ohne Ruhe.

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Was mir wirklich imponiert hat, war die Leistung und auch die Stärke der Tänzer und Tänzerinnen auf der Bühne. Aber es waren mir einfach zu viele Höhepunkte, zu wenige Momente der Ruhe und des Hinterfragens. Vielleicht habe ich dies auch nicht verstanden, aber wenn, dann war es mir zu plakativ zu offensichtlich und zu wild, was auf der Bühne stattfand.

Sicher ist, dass ich es mit dem Tanz im Stadttheater noch mal versuchen werde. Vielleicht habe ich auch einfach noch nicht den Zugang gefunden. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass in mir bei der Einführung ein etwas mehr geweckt wurde und ich einfach für das etwas mehr noch nicht den richtigen Zugang habe. Und da sind wir wieder bei dem allgemeinen Thema von mir. Es wird nie eine 100% korrekte Kritik geben, da Kultur immer wieder etwas ist, was individuell und subjektiv ist. Ich bin mir sicher, dass es Menschen gibt, die vielleicht genau dieses mehr erkennen, was ich mir erhofft habe. Ich kann aber eines sagen, dass ich vor jeder Person auf der Bühne meinen Hut ziehe, da ich weiß, dass ich so etwas nie zustande bekommen würde. Und alleine für diese Leistung auf der Bühne lohnt es sich, ins Tanztheater zu gehen.

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