[Theater] Krieg, Liebe und ein Prinz auf Abwegen: Warum Kleists ‚Homburg‘ heute so aktuell ist wie nie
Die neue Spielzeit 2025/26 startet im Schauspiel mit „Prinz Friedrich von Homburg“ von Heinrich von Kleist aus dem Jahr 1809/1810, wobei die Uraufführung erst nach dem Tod von Kleist stattgefunden hat im Jahr 1821.
Es ist nun mal so, dass es in einer neuen Spielzeit auch beim Personal Änderungen gibt. Ich hatte mich schon auf die Einführung mit Lena Meyerhoff gefreut, aber irgendwie habe ich nicht mitbekommen, dass sie nicht mehr im Stadttheater in Gießen ist. Statt ihrer machte Lena Plumpe die Einführung. Was soll ich zu ihr sagen? Sie ist eine schillernde Persönlichkeit und es ist wie so oft: Man darf Menschen nicht nach dem Äußeren bewerten.
Sie erzählte über das Stück, ging ein wenig auf die Politik ein, auf Kleist sowie die schauspielerische Leistung des Ensembles und darauf, dass man jemanden bei dem Stück dabei hatte, die sich um das Thema Sprechkunst kümmerte. Ich musste erst mal ein wenig darüber grinsen, aber das, was Lea Brückner leistete, darüber werde ich mich bestimmt noch beim Stück ein wenig auslassen. Was die Sprechkunst von Frau Plumpe betrifft, muss ich sagen, war das wirklich gut, außer dass es etwas lauter hätte sein können. Gerade jetzt beim ersten Stück nach der Sommerpause, war der allgemeine Geräuschpegel recht hoch. Wenn man Menschen seit langem nicht mehr gesehen hat, dann sagt man Hallo und verpasst vielleicht einen Teil des gesagten, da man nicht zu 100 % auf das Gesagte achtet. Es ist unhöflich dem Redner gegenüber, aber doch leider Realität. Man verstand alles sehr gut, was Frau Plumpe sagte, aber man musste sich komplett darauf konzentrieren. Als Frau Plumpe die Einführung beendete, wuchs der Geräuschpegel doch sehr an, was mir zeigte, dass das Publikum im Foyer quasi leise war. Also das war dann wieder Meckern auf verdammt hohem Niveau, aber ich möchte es einfach sagen.
Komme ich nun zum Stück, es ist am Anfang sehr einfach gehalten. Man spielt mit dem Vorhang. Was mir sofort auffiel, war die Sprache. Es wurde nicht versucht, alles ins Moderne zu ziehen, sondern es war die Sprache, wie ich sie von Schiller und Goethe oder halt Kleist kenne. Da wurden Worte wie „Reuterei“ genutzt, die sogar Google nicht gleich erkennt und für einen Tippfehler hält. Reuterei bedeutet übrigens Reiterei, auch Kavallerie, kommt aus dem neuhochdeutschen und war für Kleist normaler Sprachgebrauch. Es waren aber nicht nur die Worte, sondern auch wie sie betont wurden, was gegenüber dem Sprachgebrauch von heute anders ist.
Ich musste mich erst einmal auf die Sprache einlassen, so wie ich mich bei einem Buch immer erst mal reindenken muss. Man benötigt eine kurze Zeit, um sich in dieses Deutsch hineinzudenken und zu fühlen, und dann beginnt man an es zu verstehen. Ist dies passiert, fängt man an zu lachen, weil dieser Wortwitz von Kleist einfach toll ist.
Das liegt aber auch an den Schauspielern. Germaine Sollberger als Prinz Friedrich Arthur von Homburg – ehrlich, wie gut kann man sich in diese Rolle reinfühlen? Frau Sollberger sagt einfach ja und spielt. Ich bin mir nicht sicher, was mir besser gefallen hat. Da wäre das leicht Verwirrte, wenn man verliebt ist oder einen Traum hatte, der einen beschäftigt. Jeder von uns kennt das, man ist dann vielleicht ein wenig drüber, kann sich schlecht konzentrieren auf das, was vor einem abläuft.
Ich glaube mir würde es ähnlich gehen, wenn Prinzessin Nathalie von Oranien, gespielt von Zelal Kapçık, so auftritt wie sie nun eben auftritt. Zelal Kapçık hat eine Art der Prinzessin Leben einzuhauchen, die am Anfang wirklich komisch wirkt. Wie sie mit dem Kleid umgeht, wie sie spricht, auch Teile der Mimik, einfach grandios! Ich bin ehrlich, ich könnte mich auch nur bedingt auf das konzentrieren, was der Befehlshaber sagt, wenn sie da so vorbeihuscht. Und bei beiden bin ich mir nicht sicher, was mir besser gefallen hat, das am Anfang mit dem Humor, das leicht Verpeilte oder das Wesen, nachdem Prinz Friedrich Arthur von Homburg gefangen genommen wurde, dieses Ernsthafte, Nachdenkliche, ja Verzweifelte, dieser beiden Persönlichkeitszüge auf der Bühne.
Zumal Prinz Friedrich Arthur von Homburg ja fest im Glauben war, dass alles gut ist, denn er hatte ja, obwohl er zu früh mit seiner Reiterei eingegriffen hat, den Sieg gegen die Schweden gebracht.
Auch wenn dies Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, gespielt von Carolin Weber, nicht so gesehen hat und ihn kurz nach einer Verwirrung ob er nun gefallen ist oder nicht, zum Tode verurteilt, da sich der Prinz nicht an seine Anweisungen gehalten hatte. Wenn er dies gemacht hätte, wäre der Sieg noch grandioser gewesen, als es jetzt der Fall war. So wurde dann der Prinz vor das Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt.
Obwohl die Prinzessin intervenierte, wurde das Urteil nicht aufgehoben oder vielmehr die Begnadigung war so geschrieben, dass es für den Prinzen schwer war rauszukommen, ohne dass er oder der Kurfürst einen Gesichtsverlust erleiden würden. Über die anderen Schauspieler kann ich nur eines sagen, alle fügen sich sehr gut in das Stück ein. Es ist keiner dabei, wo ich denke, das klappt so nicht.
Ich hatte am Anfang Lea Brückner erwähnt, die sich mit der Sprechkunst auseinandersetzt. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber vielleicht liegt es wirklich daran, dass sie noch einmal gesondert mit den Schauspielern gearbeitet hat, ich weiß es nicht, aber ich kann es mir sehr gut vorstellen, denn kann man nur Kleinigkeiten bemängeln, wie ein Schauspieler, der in Richtung Bühne sprach und nicht so wirklich gut zu verstehen war.
Jeder hat so seine Vorlieben. Jetzt wird es sehr subjektiv. Ich fand die Kriegsszene ein wenig drüber oder zu lang. Ich weiß es nicht recht. Mir hat es einfach nicht wirklich zugesagt, ohne dass ich sie schlecht fand, aber es war mir ein zu viel. Wie immer habe ich mich mit anderen unterhalten und die fanden genau diese Szene absolut überragend. Diese Person war das erste Mal seit Jahren wieder im Theater und will nun viel mehr Theater erleben. Sie war vollkommen dem Zauber des Theaters erlegen.
Was ich überragend fand, waren die Musiker. Es wurden Musiker aus der Stadt genommen, also nicht aus dem Orchester und diese vier Musiker liefern einfach ab. Egal ob es nun die Tuba, Trompete, Posaune oder die Trommel war, sie sind einfach gut – vor allem bei dem letzten Stück, als Zelal Kapçık gerappt hat und die Musiker sie begleitet haben. Sie hat sich mit dem Lied einfach Frieden gewünscht. Diese Musiker auf der Bühne waren wirklich genau auf dem Punkt, wie während der ganzen Vorstellung. Ich kann mir vorstellen, dass sie ein wenig nervös waren, denn sie hatten ja auch immer wieder verschiedene Einsätze und haben sich komplett in das Ensemble eingefügt. Als würden sie es immer machen. Danke dafür.
Für mich ist es ein Stück, das zeigt, dass Krieg immer nur Verlierer erzeugt, da ist es egal wer offiziell gewinnt. Ob es nun der normale Soldat ist, der Prinz oder der Kurfürst, beim Krieg vergisst man immer die Menschlichkeit, das Miteinander. Es gibt da nur Verlierer. Dies zeigte mir dieses Stück auf und deswegen sollte man so einen Klassiker immer wieder aufführen. Es zeigt sich, dass ein Klassiker, auch wenn die Sprache im ersten Moment vielleicht etwas gestelzt daher kommt, genau so aufgeführt werden sollte, ohne dass man da groß etwas verändert. Danke liebes Stadttheater für diesen tollen Start in die neue Spielzeit.