Gießen

Nach Woyzeck dachte ich mir, gebe ich auch dem Kleinen Haus mal wieder eine Chance. So ein bisschen Angst hatte ich ja schon, da das Schauspiel für mich nicht ganz ans Musiktheater heranreicht. Aber irgendwie nach „Woyzeck“ und vor allem „Der Staat gegen Fritz Bauer“ war für mich klar, da muss ich dann doch hin.

Gesagt getan, mal wieder eine andere Freundin eingepackt und erstmal zusammen einen Tee im Foyer getrunken. Meine erste Feststellung war, es wird voll im Kleinen Haus und ganz ehrlich, dies freut mich sehr, denn dies zeigt einmal mehr, dass Theater anziehend sein kann, und noch immer ist.

Die Einführung zu „Einsame Menschen“ machte diesmal Simone Sterr, möglicher Weise da Lena Meyerhoff, die Dramaturgin des Stückes, leider erkrankt war. Ich hoffe wirklich, dass es nichts Schlimmes ist. Frau Sterr hat die Einführung gut gemacht. Vielleicht war sie am Anfang noch nicht ganz, ich sag mal, eingegroovt in das Stück, aber das gab sich schnell. Sie hat einiges über Felicia Zeller erzählt, die den Theatertext in der jetzigen Form geschrieben hat. Da kam dann meine große Angst wieder hoch. Einen klassischen Text von Gerhart Hauptmann in das Hier und Jetzt zu bringen, das kann auch mal gewaltig nach hinten losgehen. Trotzdem war ich irgendwie auch neugierig, was mich da erwartet. Vor allem diese angefangenen Sätze kenne ich ja auch, wenn mein Kopf schneller ist, als meine Zunge. Das ist beim Kritiken schreiben manchmal noch schlimmer, denn meine Finger sind nun noch langsamer als meine Zunge. Dies führt manchmal doch zu dem ein oder anderen Schmunzler in meiner Umgebung. Dies macht dann auch immer jede Kritik oder Rezension so anders, denn ich weiß nie so wirklich wo es hingeht mit meiner Kritik, erst dann wenn die Kritik fertig geschrieben ist.

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Die Geschichte erzählt im Endeffekt, das wonach wir alle irgendwie streben. Da ist das Idealbild von Familie und Kind, dafür aber trotzdem nicht im Beruf und im Privaten nachgeben. Da sind unsere Ideale die wir bitte nicht vergessen. Im Falle dieser Geschichte wird dies in der beruflich erfolgreiche Marie dargestellt, die von Germaine Sollberger gespielt wird. Sie ist auch noch eine reiche Erbin und hat ein Gelände mit einer alten Villa darauf gekauft, welche direkt an einem See und Wald liegt und dazu noch einen S-Bahnanschluss hat. Ganz nebenbei ist sie noch schwanger, zumindest am Anfang, mit einem Kind, welches sie mit Gerhart hat, der noch immer an seiner Doktorarbeit schreibt. Ich habe das Gefühl, er hat mit Ende dreißig noch nicht mal angefangen, sie zu schreiben. Immer wieder formuliert er alleine schon den Titel der Arbeit um, welches er sehr gestenreich macht, und in einer Geschwindigkeit, die bei mir schon einen Knoten im Hirn erzeugt. Da sind wir dann auch schon beim Kritikpunkt an Levent Kelleli. Ich glaube, er hatte zweimal einen Texthänger. Es war nicht schlimm, aber vielleicht wäre es sinnvoll, an der ein oder anderen Textstelle vielleicht ein wenig langsamer zu sprechen, und dafür dann diese auch wirklich schwierigen Passagen noch besser zu meistern. Aber ganz ehrlich. Ich hätte mir schon in den ersten zwei Minuten mehr als einmal einen Knoten in die Zunge geredet. Er hat es wirklich geschafft, die Worte klar und deutlich zu artikulieren. Wie gesagt, die zwei Stellen waren halt mal ein kleiner Hänger.

Seine Mutter Erika wurde von Carolin Weber gespielt. Ich kann ja mit solchen Esoterikmenschen eher weniger etwas anfangen. Aber die tänzelnde Erika mit ihren kleinen Schritten und ihrer echt stark überspitzten Persönlichkeit war dann doch sehr angenehm.

Ben Janssen spielte Bölsche, ein Freund von Marie und Gerhart, der ein Umweltaktivist ist und durchaus ein kleiner Tollpatsch. Als er zu Marie am Ende sagte, dass wenn er seine Gipsverbände ab hätte, dann werde er richtig Gas geben und den Wald schützen, und sie überreden wollte, in ein Baumhaus zu ziehen und mit ihm für das Überleben des alten Waldes zu kämpfen, musste ich echt an mich halten. Denn bis er ohne Gips ist, ist wahrscheinlich der Regenwald komplett abgeholzt und das Baby von Marie und Gerhart hat sein Studium beendet. Gestartet ist Bölsche mit einem Gipsbein und es kamen noch ein Armbruch und eine Halskrause dazu, bis das Stück in den letzten Teil einbog.

Margarete wurde von Amina Eisner gespielt. Sie will in die Villa mit einziehen, denn eigentlich soll daraus ein Co-Worker-Space für Backpacker werden. Sie freundet sich mit Gerhart an und bringt in ihm besondere Seiten zum Klingen. Er kleidet sich besser, macht Sport und so einige andere Dinge mehr, und natürlich stört sie ihn nicht. Seine Freundin Marie und sein Baby Fritz hingegen stören ihn doch sehr und er erfindet immer wieder neue Ausreden, um sich vor dem Helfen zu drücken.

Es sind zwei wirklich kurzweilige Stunden, wo ich noch einiges schreiben und erzählen könnte. Die Zeit verging wie im Fluge und man wurde gut unterhalten. Die Stimmen waren besonders beim Singen wirklich sehr gut, richtig klar. Vor allem Carolin Weber, aber auch Germaine Sollberger stachen in meinen Ohren ein wenig heraus. Wobei jeder der Schauspieler ein paar Szenen hatte, wo ich wirklich dachte, das ist extrem gut.

Das Bühnenbild war einfach, aber gut. Man konnte immer sehr gut erkennen, wo man sich gerade befand, wobei da schon einiges an Dreck auf der Bühne war, nachdem das Stück zu Ende war. Es war auch wirklich ein langer Applaus im Kleinen Haus und es war voll und ich kann verstehen warum. Die Schauspieler waren diesmal wirklich gut. Es wurde zwar schnell gesprochen und man hat sicher den ein oder anderen Satz im Kopf beendet, der unausgesprochen von den Schauspielern gesagt wurde. Und irgendwie waren sie alle ein wenig einsam, da sie sich nie wirklich richtig ausgedrückt haben und dem einen oder dem anderen vielleicht nicht alles gesagt haben.

Es war trotzdem nicht hektisch auf der Bühne und wie das Ganze endet werde ich sicherlich nicht verraten, denn ich hoffe, dass die ein oder andere S-Bahn, oder in Gießen wohl eher ein Stadtbus, am Kleinen Haus hält und dort noch viele Menschen aussteigen lässt, denn dieses Stück, unter der Regie von Anaїs Durand-Mauptit und der Dramaturgie von Lena Meyerhoff, hat noch einige Vorstellungen verdient. Es gibt nur noch drei Vorstellungen und bei fast allen nur noch Restkarten. Ich fände es schade, wenn sie diese Vorstellungen versäumen und irgendwie würde ich mich freuen, wenn noch die ein oder andere Vorstellung dazu käme.

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