Mitislaw

Es gibt Tage, da spricht man mit Freunden über Operetten, und zwar habe ich mit einer Freundin geredet, die meinte, Franz Lehár müsse man so aufführen, dass man sich und die Gesellschaft auch mal auf die Schippe nimmt. Da dies die Theater momentan nicht machen, wollte sie nicht mitkommen und sie als gebürtige Wienerin muss das ja wissen. Da auch Heike keine Zeit hatte, bin ich langsam alleine ins kleine Haus gegangen.

Mir viel gleich auf, dass verdammt viel gelacht wurde. Man hat sich einfach auf die Aufführung gefreut. Bei mir war es ein wenig zwiespältig, denn das Gespräch mit der Wienerin hat mir schon ein wenig Angst gemacht. Es war also wirklich eine gute Stimmung im kleinen Haus. Schon bei der Einführung dachte ich, dass kann heute etwas werden. Frau Mecke erläuterte was uns erwartete, stellte den historischen Zusammenhang ins Wien 1907 her. Sie erklärte die damalige Zensur und, dass man heute einen historischen Zensor erlebe, aber auch einen Zensor*in wie er nach diesem Vorbild im Hier und Jetzt sein würde.

Angefangen hat die Aufführung diesmal im Erdgeschoß mit Tomi Wendt als Conférencier. Er erklärte mit einem Wiener Zungenschlag, dass das kleine Stück „In der Badewanne“ angekündigt, wie es auch bei der Uraufführung im Jahre 1907 aufgeführt wurde, mit der einen oder anderen Veränderung z.B. den historischen Zensor. Neben Tomi Wendt als Octave, hörte man Izabella Radić als Claire Tillier, Julia Araújo als Zoe und Clark Ruth als Baron Theophil. Alleine für dieses kleine Stück hat sich der Weg in das Kleine Haus gelohnt. Ein ganz feiner Humor wie z.B. das Quitsche-Entchen Lied mit Ernie aus der Sesamstraße, als Claire Tiller sich in die Badewanne gelegt hat, oder der historische Zensor der oben wie unten von Gregor Aistleitner gespielt wurde. Mein inneres Lachen war schon wieder richtig aufgeladen und ich freute mich, in den Keller zu gehen oder besser gesagt in die „Hölle“, wie man es 1907 genannt hat und wie die Bühne auch heute wieder heißt. Es waren schon da die Kleinigkeiten, auf die von dem Team geachtet wurde. Mir war da schon klar, dass man sich heute selbst auch ein wenig auf die Schippe nimmt. Schon da gab es diese Gratwanderung, immer wieder mit zweideutige Andeutungen, die man so oder so verstehen kann.

Also runter in die Hölle und mir das Hauptstück des Abends ansehen. „Mitislaw der Moderne“, wo das Publikum auch aufgefordert wurde, ein Lied zu lernen und zwar „Heil, heil, heil, die Exzellenz“. Dann kam der/die Zensor*in der Moderne, der/die von Max Böttcher gespielt wurde. Er führte aus, dass man dies nicht singen darf, sondern man solle es lieber „hy, hy, hy die Exzellenz“ singen. Dies wurde dann auch mit uns eingeübt. Dazu noch die drei Grisetten mit dem Conférencier Tomi Wendt, der später immer wieder zu der Rolle des Mitislaw umgeswitcht ist, ohne dass es zu viel war. Man wusste immer wer er gerade war.

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Izabella Radić war jetzt Tina Jerzabinka, die mit Thaddäus Jerzabinka de Wickza verheiratet, der von Clark Ruth gespielt wurde. Thaddäus Jerzabinka de Wickza war auch der Diktator des Staates Wallachien oder besser gesagt Benzinien, da der Herzog vertrieben wurde. Eigentlich sollte Mitislaw die Staatsgeschäfte übernehmen und die Prinzessin Deodorante von Odolien, gespielt von Julia Araújo heiraten, aber er will ja der Moderne sein. Das bedeutet für ihn eher, dass er Sex mit jeder Person haben will. Es wird über Scheidung gesprochen. Immer wieder meldet sich einer der beiden Zensoren und man merkt recht schnell, dass dies doch die Kunst einschneidet und es einen immer mehr einengt in der künstlerischen Freiheit.

Eine Operette hat immer wieder Gesangparts. Ich muss wirklich sagen, die, die mich am meisten überrascht hat, war Izabella Radić. Ich hätte ihr diese Rolle und den Gesang so nicht zugetraut. Sie war mit ihrer Stimme in meinen Ohren immer wieder präsent und genau richtig für diese Bühne von der Lautstärke und Klangfarbe her. Auch von Clark Ruth war ich sehr angetan, wie er seine Figur gespielt hat. Auch die drei Grisetten waren in meinen Ohren sehr gut. Nur mit Julia Araújo hatte ich ein wenig Probleme. Ich finde ihre Stimme eigentlich immer sehr gut, aber in diesem Fall, war sie teilweise einfach zu laut, zu dominant im Verhältnis zu den anderen Stimmen. Man merkt halt einfach, diese Frau hat ein unwahrscheinliches Stimmvolumen und in diesem „kleinen“ Raum kann das dann etwas zu viel sein. Es geht nicht um die Art wie sie gesungen hat, sondern sie war einfach wesentlich kräftiger, als die anderen Sänger und Sängerinnen. Da bin ich dann schon bei Tomi Wendt, der sich teilweise zu sehr zurückgenommen hat und der in ein oder zwei Situationen vielleicht ein wenig kräftiger hätte singen oder sprechen dürfen.

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Moritz Laurer saß am Klavier und hat mit seinem Spiel und gelegentlichen kleinen Sprechrollen das Ganze abgerundet.

Es macht sehr viel Spaß, diese Operette zu sehen und man merkt, dass man sich selbst nicht so ernst nimmt, man die Zensur im Theater sehr ernst nimmt. Es gibt verdammt viele kleine Anspielungen auf Politik, Gesellschaft und den Kulturbetrieb im Besonderen. Dazu wurde schon beim Reinkommen auf die musikalische Untermalung geachtet. Schon als man oben war, war es passend, was man an Liedern gehört hat. Dazu Plakate und Kleinigkeiten, so dass man ein Gefühl für das bekam, was einen erwartete. Dieser Wiener Dialekt dazu gab mir das Gefühl, dass man versucht hat die Operette aus dem Jahr 1907 ins Jahr 2024 zu transferieren. Die Bearbeitung von Hauke Berheide und Amy Stebbins finde ich richtig gelungen. So kann man Geschichten in das Hier und Jetzt bringen, ein Stück zum einen modern machen, aber auch die Wurzeln nicht vergessen.

Auch wenn ich es vorher nicht gedacht habe, würde ich mich über mehr davon sehr freuen.

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